# taz.de -- Stark gestiegene Mieten: Wenn WG-Wohnen zum Luxus wird | |
> Unter den hohen Mieten leiden insbesondere Auszubildende und Studierende. | |
> Die Bundesregierung will das leidige Problem mit einer Finanzspritze | |
> lindern. | |
Bild: Teures Wohnen im Wohnheim – aber immer noch preiswerter als der freie M… | |
BERLIN taz | Sam Baraz ist früh aufgestanden. Gegen 8 Uhr morgens steht er | |
vor einem Gebäude, das ein wenig an übereinandergestapelte Wellblechhütten | |
erinnert. Der Komplex aus den 1960er Jahren, der unter Denkmalschutz steht, | |
ist Teil des Studierendenwohnheims Siegmundshof im Berliner Hansaviertel. | |
An diesem Donnerstag Ende März ist der Student Baraz mit dabei, um die | |
Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) zu empfangen, die hier den | |
Startschuss für das Bundesprogramm Junges Wohnen verkünden will. | |
Mit dem Förderprogramm soll bezahlbarer Wohnraum speziell für Auszubildende | |
und Studierende geschaffen werden. Ein Problem, das bei jungen Menschen oft | |
ganz oben auf der Sorgenliste steht. Denn ein bezahlbares Zimmer auf dem | |
freien Markt zu finden, ist in vielen Städten mittlerweile so | |
wahrscheinlich wie ein Goldtopf am Ende des Regenbogens. | |
Baraz weiß das sehr genau. Nicht nur, weil er selbst Student ist. Baraz ist | |
auch Wohnheimtutor in Siegmundshof, er hilft Studierenden, die neu in die | |
Stadt kommen, sich zurechtzufinden. Gerade vor Semesterbeginn meldeten sich | |
viele verzweifelt, weil sie vor dem Unistart noch keine Wohnung gefunden | |
haben, sagt er. Man versuche so gut es gehe zu helfen. Aber die reguläre | |
Warteliste sei lang, sehr lang. Siegmundshof ist ein innerstädtisches | |
Wohnheim, nicht weit entfernt von der Technischen Universität (TU), gut | |
angebunden, schön gelegen zwischen der Spree und dem weitläufigen | |
Tiergarten. | |
Als [1][die Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD)] pünktlich eintrudelt, | |
wirkt sie gut gelaunt. Vielleicht deshalb, weil sie [2][neben den sonstigen | |
Regierungsstreitigkeiten] einfach geräuschlos ein Häkchen an einen Punkt im | |
Koalitionsvertrag machen kann. Geywitz hat einen Batzen Geld mitgebracht, | |
zumindest symbolisch. In diesem Jahr soll es 500 Millionen Euro vom Bund | |
für junges Wohnen geben. „Das ist im Baubereich eine große Summe“, erklä… | |
Geywitz bei ihrem Besuch. Mit diesem Geld könne dringend benötigter | |
Wohnraum für Auszubildende und Studierende neu geschaffen, aber auch | |
saniert oder ausgebaut werden. Die Mittel werden den Bundesländern zur | |
Verfügung gestellt. | |
## Reichen die neuen Förderungen aus? | |
Wenn das Programm gut angenommen werde, wäre sie sogar bereit, die gleiche | |
Summe im nächsten Jahr erneut zur Verfügung zu stellen, sagt Geywitz. Das | |
sei gut investiertes Geld für junge Menschen, „die sich konzentrieren | |
sollen auf ihre Ausbildung, die sich konzentrieren sollen auf ihr Studium, | |
und nicht so sehr auf die Suche nach einer Wohnung“. Sichtlich begeistert | |
ist der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Studierendenwerks, Matthias | |
Anbuhl. „Das ist ein guter Tag für 2,9 Millionen Studierende“, sagt er und | |
versichert: „Wir sind bereit. Wir können bauen auch zu den schwierigen | |
Konditionen, die wir jetzt haben.“ Man brauche nur bessere | |
Förderbedingungen. Und die sollen jetzt kommen. | |
Tatsächlich ist das Bauen derzeit besonders schwer. Durch den russischen | |
Angriff auf die Ukraine und die Folgen weltweit sind die Bauzinsen hoch, | |
[3][die Energiekosten ebenso], Lieferketten sind teils unterbrochen, | |
[4][vom Fachkräftemangel ganz zu schweigen.] Das Programm sei deshalb „ein | |
wichtiger Meilenstein“. Es handele sich um das größte Förderprogramm im | |
Bereich junges Wohnen seit der Wiedervereinigung. | |
Die Wohnungsnot betrifft natürlich nicht nur Berlin, sondern bundesweit | |
viele Städte. [5][Aber in der Hauptstadt ist die Lage besonders prekär.] | |
„In Berlin studieren traditionell sehr viele Neuberliner“, erklärt die | |
Geschäftsführerin des Studierendenwerk Berlin, Petra Mai-Hartung, der | |
„stetig steigende Anteil internationaler Studierender“ spiele dabei eine | |
besondere Rolle. Hier habe man 9.000 Wohnheimplätze, aber man könne nur 5 | |
Prozent der Wohnungssuchenden versorgen. Das sei „die niedrigste | |
Versorgungsquote in ganz Deutschland“, so Mai-Hartung, die das Programm | |
ebenfalls begrüßt. | |
Im Studierendenwerk Berlin gäbe es sogar fertige Neubaupläne in der | |
Schublade, die bislang aber am Geld scheiterten. Dabei ist neuer, vor allem | |
bezahlbarer Wohnraum zwingend nötig. Und es muss an vielen Orten auch | |
saniert werden. Tutor Baraz, der an der TU Berlin Physik studiert, musste | |
anderthalb Jahre auf seinen Wohnheimplatz warten. Er konnte die Wartezeit | |
überbrücken, indem er weiter bei seinen Eltern lebte. Aber diese Option | |
gibt es nicht für diejenigen, die für das Studium neu in eine Stadt ziehen | |
müssen. | |
## Wohnheim ist teuer, aber billiger als auf dem freien Markt | |
Manche kommen zunächst bei Bekannten unter, andere pendeln aus Vororten an | |
die Uni oder bezahlen überteuerte Zimmer zur Zwischenmiete. Die Not ist so | |
groß, dass ordentlich Profit gemacht werden kann. Das günstigste Zimmer im | |
Wohnheim Siegmundshof kostet 292 Euro im Monat, Möbel, Internet, | |
Nebenkosten inklusive. Bad und Küche separat. Das teuerste mit eigenem Bad | |
kostet 492 Euro im Monat. Das ist viel Geld für junge Menschen. Aber | |
verglichen mit den derzeitigen Preisen auf dem freien Markt immer noch | |
deutlich besser. | |
Durch die Inflation steigen die Preise für WG-Zimmer in deutschen | |
Hochschulstädten deutlich an, das belegt auch eine vor Kurzem | |
[6][veröffentlichte Untersuchung des Moses Mendelssohn Instituts], an der | |
auch das Immobilienportal WG-Gesucht und die GBI Group beteiligt war. | |
Ausgewertet wurden Angebote in 94 deutschen Hochschulstädten mit mindestens | |
5.000 Studierenden. Das Ergebnis: im Durchschnitt zahlen junge Menschen für | |
ein WG-Zimmer 458 Euro im Monat. Innerhalb eines Jahres ist eine Steigerung | |
von 10,6 Prozent zu verzeichnen. [7][Aber regional gibt es große | |
Unterschiede]. Bei 37 von 94 Städten liegt die Steigerungsrate sogar | |
deutlich über 10 Prozent. | |
Zum Beispiel müssen Berliner Studierende derzeit 640 Euro für eine | |
Komplettmiete mit Nebenkosten zahlen. Ende 2021 waren es noch unter 495 | |
Euro, also 145 Euro weniger. Rund eineinhalb Jahre später gibt es eine | |
Steigerung von gut 29 Prozent. Berlin ist damit zur zweitteuersten Stadt | |
aufgestiegen, nur in München zahlt man mit rund 720 Euro noch mehr für ein | |
Zimmer. Für junge Menschen, die etwa Bafög beziehen, ist das ein | |
Riesenproblem. Die Wohnkostenpauschale beträgt dort 360 Euro. In vielen | |
Städten reicht das bei weitem nicht aus: In Hamburg zahlt man derzeit 570 | |
Euro, in Mainz 485 Euro, in Freiburg 520 Euro. | |
In ostdeutschen Städten sind die Zimmerpreise zwar noch immer bezahlbarer, | |
aber es sind auch hier innerhalb eines Jahres deutliche Preissteigerungen | |
zu verzeichnen. In Erfurt etwa um 21,4 Prozent von 290 Euro auf 352 Euro. | |
In Magdeburg um 20,1 Prozent von 273 auf 328 Euro. Oder in Leipzig um 17,2 | |
Prozent von 311,50 auf 365 Euro. Geht dies so weiter, können Azubis und | |
Studierende nur hoffen, dass neue Wohnheime entstehen und 2024 noch mal 500 | |
Millionen Euro bereitgestellt werden. | |
3 Apr 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Klara-Geywitz-zur-Wohnungsnot/!5846177 | |
[2] /Kanzler-Scholz-im-Koalitionsausschuss/!5923026 | |
[3] /Energiepreispauschale-fuer-Studierende/!5918970 | |
[4] /Reform-der-Fachkraefte-Einwanderung/!5924273 | |
[5] /Mietenwahnsinn-in-Berlin/!5910979 | |
[6] /Stark-gestiegene-WG-Preise-in-Berlin/!5921549 | |
[7] /Stark-gestiegene-WG-Preise-in-Berlin/!5921549 | |
## AUTOREN | |
Jasmin Kalarickal | |
## TAGS | |
Wohnheim | |
Inflation | |
Wohnen | |
Mieten | |
Studierende | |
Klara Geywitz | |
GNS | |
Studium | |
Mieterschutz | |
Mietpreisbremse | |
Klara Geywitz | |
Schwerpunkt Stadtland | |
barrierefrei | |
Schwerpunkt Armut | |
Schwerpunkt Armut | |
Mieterschutz | |
Klara Geywitz | |
Wohnungsbauprogramm | |
Immobilienmarkt | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Studien-Bedingungen in Hamburg: Nur Eintopf bleibt günstig | |
Hamburg erhöht Mensa-Preise und die Beiträge fürs Studierendenwerk. Die | |
Stadt hat den Zuschuss erhöht, aber das gleicht frühere Kürzungen nicht | |
aus. | |
Mietpreisbremse soll verlängert werden: Mieterschutz gegen Quick-Freeze | |
Nach langer Blockade einigt sich die Ampel bei Datenspeicherung und | |
Mietpreisbremse. Andere Vorhaben lassen auf sich warten. | |
Umgehung der Mietpreisbremse: Initiative gegen Schlupfloch | |
Mit möblierten Wohnungen lässt sich die Mietpreisbremse leicht aushebeln. | |
Hamburg und Bremen wollen mit einer Bundesratsinitiative dagegen vorgehen. | |
Neue Wohnungen in der Baukrise: Ampel verfehlt ihr Neubau-Ziel | |
400.000 neue Wohnungen pro Jahr wollte Bundesregierung. Jetzt ist klar: | |
2022 sind nur 295.300 entstanden. Immerhin gibt es einen leichten Zuwachs. | |
Wohnen in Berlin als Luxusproblem: Ich habe als Mieterin versagt | |
In Sachen Nachhaltigkeit hat Wohnen keine besonders gute Bilanz. Deswegen | |
will unsere Kolumnistin darauf verzichten. Wenn auch nicht freiwillig. | |
Studie zu altersgerechtem Wohnen: Wohnungsnot trifft Altersarmut | |
Nur wenige Senior*innen leben in altersgerechten Wohnungen. Mit dem | |
Älterwerden der Babyboomer werde sich die Lage verschärfen, warnt eine | |
Studie. | |
Armut unter Studierenden: Es braucht endlich mehr Geld | |
An die Sparideolog:innen der Ampel: Um Studierenden zu helfen, müssen | |
die BAföG-Sätze angehoben werden. Mickrige 200 Euro als Einmalzahlung | |
reichen nicht. | |
Armut unter Studierenden: Von der Intensiv in den Hörsaal | |
Wegen der hohen Inflation sind heute so viele Studierende armutsgefährdet | |
wie lange nicht. Die versprochene zweite BAföG-Reform lässt auf sich | |
warten. | |
FDP verschleppt besseren Mieterschutz: Blockade auf Kosten der Mieter | |
Ein Gesetzentwurf für besseren Mieterschutz lässt auf sich warten. Er hängt | |
im FDP-geführten Justizministerium fest. | |
Förderprogramm für Neubau: Geld für klimafreundliche Häuser | |
Klara Geywitz stellt ein neues Förderprogramm für klimafreundliche | |
Neubauten vor. Kritisiert wird, dass Umbauten nicht unterstützt werden. | |
Verfehltes Wohnungsbauziel der Ampel: Ein haltloses Versprechen | |
Wenig überraschend wird die Ampel ihre Wohnungsbauziele verfehlen. Besser | |
als unrealistische Zahlen wäre der gezielte Bau von günstigem Wohnraum. | |
30 Prozent Anstieg in Neuverträgen: Starke Zunahme von Indexmieten | |
Steigt die Inflation, steigt die Miete: Indexmietverträge haben laut | |
Mieterbund zugenommen. Damit lässt sich Mieterschutz aushebeln |