# taz.de -- 30 Prozent Anstieg in Neuverträgen: Starke Zunahme von Indexmieten | |
> Steigt die Inflation, steigt die Miete: Indexmietverträge haben laut | |
> Mieterbund zugenommen. Damit lässt sich Mieterschutz aushebeln | |
Bild: Interessiert Marco Buschmann (FDP) nicht sonderlich: Mietende, die gegen … | |
BERLIN taz | Wenn es Spielraum für Mieterhöhungen gibt, nutzen | |
Vermieter*innen ihn häufig aus – das gilt auch in der Krise: Neue | |
Mietverträge sind immer öfter an die Inflation gebunden. 2022 ist laut dem | |
Deutschen Mieterbund (DMB) ein deutlicher Anstieg von Indexmieten bei | |
Neuverträgen zu verzeichnen. Sogenannte indexierte Mietverträge ermöglichen | |
bei hoher Inflation Erhöhungen sogar an der Mietpreisbremse vorbei. | |
Bundesweit seien im Krisenjahr 2022 demnach 30 Prozent aller neuen Verträge | |
an die Inflation gekoppelt worden, so der Mieterbund [1][in einer | |
Mitteilung am Freitag]. Laut Berliner Mieterverein sind hier sogar rund | |
[2][70 Prozent aller Neuverträge Indexmietverträge]. Die Zahlen wurden laut | |
DMB in Berlin, Hamburg, Hannover, Köln, Frankfurt und Düsseldorf erhoben | |
und stützen sich auf die Beratungspraxis. | |
Der Mieterbund forderte den Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) auf, | |
Indexmieten zu verbieten. DMB-Präsident Lukas Siebenkotten sagte: „Der | |
Anteil der Beratungen dazu hat sich in einem Jahr mehr als verdoppelt. Das | |
ist sozial- und wohnungspolitisch nicht zu verantworten. Der Justizminister | |
muss jetzt endlich handeln.“ | |
2021 habe der Anteil von Indexmieten noch bei 10 bis 15 Prozent gelegen, | |
2020 sei der Anteil gar marginal gewesen. Die Mieterhöhungen aus der | |
Inflationskopplung hätten zwischen 5 und 15 Prozent, in einigen Fällen gar | |
bei 30 Prozent gelegen, so der DMB. Vermieter*innen nutzten die | |
Möglichkeiten der Inflationsanpassung voll aus. Eigentümer*innen | |
„haben ihren Mietern allein im Krisenjahr 2022 die Kaltmiete um bis zu 15 | |
Prozent erhöht. Die enorm gestiegenen Kosten für Heizung und Strom kommen | |
noch dazu“, sagte Siebenkotten. Indexmieten seien eine unzumutbare | |
Kostenfalle geworden und müssten auch im Bestand stärker begrenzt werden, | |
fordert er. Dafür fordert der DMB ein Kappungsgrenze für bestehende | |
Indexmieten. | |
## Keine Chance für Mieter*innen | |
Vermieter dürfen [3][Indexmieten einmal im Jahr erhöhen], eine Zustimmung | |
ist nicht erforderlich. Die Erhöhung muss nur schriftlich angekündigt und | |
transparent dargelegt werden. Für Mieter*innen gibt es kaum | |
Möglichkeiten, sich zu wehren, außer die [4][Berechnungen des Vermieters zu | |
überprüfen]. Vor dem sprunghaften Anstieg der Inflation durch den | |
russischen Angriffskrieg waren Indexmieten aus Sicht von Mieter*innen | |
vor allem in angespannten Wohnungsmärkten beliebt, weil sie keine | |
Erhöhungen aufgrund des Mietspiegels vorsehen. | |
Auch die Linke fordert angesichts der Krise ein Verbot von Indexmieten. Die | |
[5][SPD sprach von „Abzocke“], weil Vermietern Inflationskosten nicht im | |
selben Maße entstünden, und [6][forderte ebenfalls Kappungsgrenzen]. Der | |
Bundesrat hat im Dezember vergangenen Jahres einen parteiübergreifenden | |
Beschluss [7][„für bezahlbare Mieten auch bei hoher Inflation“] gefasst, | |
der die Bundesregierung zum Handeln auffordert. | |
Bundesjustizminister Buschmann sieht dennoch [8][keinen Handlungsbedarf], | |
schließlich hätten Vermieter mit Indexmieten lange nicht erhöhen dürfen – | |
„jetzt haben sich zum ersten Mal seit Langem die Verhältnisse gedreht“, so | |
die FDP-Logik. Das lässt nicht nur die ohnehin gestiegenen | |
Lebenshaltungskosten außer Acht, sondern auch, dass neue Indexmietverträge | |
sich am nach Mietpreisbremse maximal Erlaubten orientieren können – und | |
anschließend trotzdem noch steigen können. | |
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Zanda Marten kritisierte die Passivität von | |
Buschmann: „Ich hoffe sehr, dass die konkreten Zahlen des Mieterbundes dem | |
Minister endlich die Augen öffnen und er zeitnah einen Gesetzesentwurf zur | |
Thematik vorlegt. Hier wird abgezockt!“ | |
Der Eigentümer-Verein und Lobbyverband Haus und Grund rät Vermietern zu | |
einem strategischen Umgang mit Indexmieten: Ob man einen Indexmietvertrag | |
nutzen solle, komme auf die Entwicklung der regionalen Mietpreise an. | |
Steigen die Mieten stark, so könne man höhere Einnahmen ohne | |
Indexmietvertrag erzielen, indem man die Miete auf das Vergleichsniveau | |
anhebe. Stagnierten die Mieten hingegen, könne man mit einem | |
Indexmietvertrag trotzdem die Miete erhöhen – „und das theoretisch sogar | |
über den sonst ortsüblichen Preis hinaus“, wie man auf der Website von Haus | |
und Grund frohlockt. | |
22 Jan 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://antrag.mieterbund.de/startseite/news/article/74290-jeder-3-neue-mie… | |
[2] https://twitter.com/BMieterverein/status/1616406397155172352 | |
[3] /Indexmietvertraege-in-Deutschland/!5865814 | |
[4] https://www.finanztip.de/mietvertrag/indexmiete/ | |
[5] https://www.facebook.com/103784008040021/posts/710024694082613/ | |
[6] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/spd-indexmieten-101.html | |
[7] https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2022/0501-0600/571-22(B).pd… | |
[8] https://www.spiegel.de/wirtschaft/spd-forderung-marco-buschmann-haelt-refor… | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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