# taz.de -- Bundestagsdebatte zu Mietenpolitik: Linke fordert Mietenstopp | |
> Der Bundestag debattierte drei Anträge: Mietenstopp, Verbot von | |
> Indexmietverträgen, Kündigungsmoratorium. Einigkeit gab es nicht. | |
Bild: Niemand sollte während der Krise auf die Straße gesetzt werden | |
BERLIN taz | Als erste ergriff Linkenpolitikerin [1][Caren Lay] das Wort. | |
Man habe zuletzt „viel über die Energiekrise“ gesprochen, aber „zu wenig | |
über die Mietenkrise“, sagte sie. Dann nannte die wohnungspolitische | |
Sprecherin der Linken recht nüchtern zwei Beispiele: Im niedersächsischen | |
Salzgitter sind die Mieten binnen eines Jahres um 13 Prozent gestiegen. In | |
Rostock um zwölf Prozent. Es sind Zahlen, die für sich sprechen. Die Mieten | |
in Deutschland steigen ungebremst. | |
Es komme doch jetzt darauf an, Unternehmen wie Vonovia „nicht Steuergeld in | |
den Rachen zu werfen“, sagte Lay und forderte „einen bundesweiten | |
Mietenstopp“. Nicht nur das. Gleich drei Anträge der Linksfraktion wurden | |
am Freitag im Plenum des Deutschen Bundestag debattiert. Neben einem | |
bundesweiten Mietenstopp für sechs Jahre fordert die Linkspartei ein Verbot | |
von Indexmietverträgen und in der akuten Krise ein Räumungsmoratorium – was | |
heißt, dass in der Krise niemand wegen Zahlungsschwierigkeiten auf die | |
Straße gesetzt werden sollte. In der Coronakrise wurde ein solches | |
Moratorium auch beschlossen. Es ist aber nicht Teil der | |
Ampel-Entlastungspakete. | |
Es sind drei Forderungen, die vor allem Grüne und SPD in Verlegenheit | |
bringen. Denn viele Anliegen teilen die beiden Parteien, können sie aber in | |
der Ampel-Regierung mit der FDP nicht umsetzen. Die Mietenpolitik ist ein | |
wunder Punkt in der Ampel. Diese Steilvorlage lässt sich Caren Lay nicht | |
nehmen. Kanzler Olaf Scholz und Kevin Kühnert hätten doch im Wahlkampf auch | |
einen Mietenstopp gewollt, wirft sie den Sozialdemokraten vor. „Ich frage | |
mich, warum sich SPD und Grüne die Hosenträger von der FDP langziehen | |
lassen“, sagte Lay. | |
[2][Kevin Kühnert] kann darauf später nur noch etwas geknickt erwidern, | |
dass er seine Forderungen aus dem Wahlkampf „nicht vergessen“ habe. Aber | |
man müsse „mit den Mehrheiten arbeiten, die da sind.“ Nach großer Harmonie | |
in der Ampel klang das nicht. Kühnert nutzte dann die Gelegenheit an | |
Landespolitiker*innen zu appellieren, ähnliche Vorhaben wie im | |
rot-rot-grün regierten Berlin durchzusetzen. Der dortige Bausenator Andreas | |
Geisel (SPD) kündigte erst kürzlich an, ein Kündigungsmoratorium bei | |
landeseigenen Wohnungsunternehmen für das ganze Jahr 2023 durchsetzen zu | |
wollen und in diesem Zeitraum auch Mieterhöhungen auszuschließen. | |
## Kühnert widerspricht | |
Doch bei der Forderung der Linkspartei, [3][Indexmietverträge] zu | |
verbieten, widerspricht Kevin Kühnert entschieden. Bei Indexmietverträgen | |
können derzeit Mieterhöhungen in Höhe der Inflation vorgenommen werden – in | |
der jetzigen Krise ist das für viele ein Problem. Kühnert schlägt vor, dass | |
sich Indexmieten künftig nicht am Verbraucherpreisindex, sondern an der | |
Entwicklung der Nettokaltmieten orientieren sollten. | |
Grünenpolitikerin Canan Bayram erinnerte daran, dass das Mietenproblem | |
„nicht neu“ sei. Man müsse sich nun „noch mehr anstrengen“, um | |
Mieter*innen zu schützen. Sie zählte dann auf, was im Koalitionsvertrag | |
vereinbart wurde: Etwa die Kappungsgrenze in angespannten Wohnungsmärkten | |
von 15 auf 11 Prozent zu senken oder die Mietpreisbremse zu verschärfen. | |
Sie sei der FDP und dem Justizminister Marco Buschmann „dankbar“, dass sie | |
sich darauf geeinigt hätten. Angesichts der Tatsache, dass das in der | |
Ampelregierung noch nicht umgesetzt wurde, klang das wie ein vergiftetes | |
Lob. | |
Auch sonst war die Debatte recht unterhaltsam. [4][CDU-Politiker Jan-Marco | |
Luczak] etwa riet der Linkspartei, sie müsse „mal mit ihrem Freund im Kreml | |
reden“, dann brauche es keinen Mietenstopp für sechs Jahre. FDP-Politiker | |
Thorsten Lieb nannte die Anträge der Linkspartei wie „aus dem | |
sozialistischen Gruselkabinett“ und erinnerte an die Eigentumsgarantie im | |
Grundgesetz. | |
## Pop- und Rockkritik im Bundestag | |
Völlig skurril wurde es, als der AfD-Abgeordnete Roger Beckkamp der | |
Linkspartei vorwarf, dass sie das Prinzip von Angebot und Nachfrage nicht | |
verstanden haben. Beckkamp beendete seine Rede mit dem seltsamen Hinweis, | |
dass [5][Rio Reiser] auf einem Bauernhof starb. Die Argumentationskette | |
blieb verwirrend. „Ich fand Ton Steine Scherben gut“, warf | |
Bundestagsvizepräsident und FDP-Politiker Wolfgang Kubicki ein. Mehr | |
Einigkeit gab es zwischen den Ampelparteien in dieser Debatte zu | |
Mietenpolitik offenbar nicht. | |
21 Oct 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Linkenpolitikerin-uebers-Wohnen/!5880216 | |
[2] /SPD-draengt-auf-Kuendigungsstopp/!5865350 | |
[3] /Indexmietvertraege-in-Deutschland/!5865814 | |
[4] /CDU-macht-auf-Mieterpartei/!5885654 | |
[5] /Umbenennung-in-Berlin-Kreuzberg/!5872155 | |
## AUTOREN | |
Jasmin Kalarickal | |
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