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# taz.de -- Giffeys Baubilanz in Berlin: Konfrontation statt Kooperation
> Neubauziele verfehlt, Bestandsmieten stabil: Franziska Giffey ist in der
> Wohnungspolitik keineswegs besser als die Linkspartei.
Bild: Alles neu macht die SPD mit Franziska Giffey? Von wegen
Richtig rundgemacht wurde die Bausenatorin bei einer Senatsklausur im Juni
2018. Weil sie ihre Neubauziele nicht erreicht hatte, musste Katrin
Lompscher (Linke) Selbstkritik üben. Statt der geplanten 30.000 neuen
landeseigenen Wohnungen unter Rot-Rot-Grün seien bis 2021 wohl nur 25.000
zu schaffen, räumte Lompscher also ein. Großzügig genehmigte ihr der
Regierende Bürgermeister daraufhin eine [1][Schonfrist bis Ende August].
Bis dahin sollte Lompscher einen Plan vorlegen, wie der Wohnungsbau in
Berlin beschleunigt werden kann.
Vier Jahre ist dieses politische Schauspiel nun her, doch der Vorwurf, dass
die Linke keinen Neubau kann, hat sich durch den gesamten Wahlkampf
gezogen. Auch Lompschers Nachfolger Sebastian Scheel wurde immer wieder von
der SPD attackiert.
Namentlich Franziska Giffey hatte die Latte hochgelegt. „Der Neubau von
Wohnungen wird Chefinnensache“, hatte die SPD-Spitzenkandidatin vor der
Wahl am 26. September 2021 versprochen. Der Spin war einfach: Während die
Linke sich nur um die Bestandsmieterinnen und -mieter kümmere, sei die SPD
auch offen für den Zuzug. Keine Klientelpolitik wie die Linke mache die
SPD, sondern Metropolenpolitik für die wachsende Stadt.
Das klang gut und bestimmte die Schlagzeilen. Die Linke dagegen war in der
Versagerecke. Und jeder Versuch, zu erklären, warum die Neubauziele so
schwer zu erreichen sind, machte die Sache nur noch schlimmer.
Inzwischen hält sich die SPD mit guten Ratschlägen an die Linkspartei
zurück, und das aus gutem Grund. Mit Andreas Geisel hat sich die SPD in den
Koalitionsverhandlungen das Bauressort wieder von der Linken zurückgeholt.
Vor allem aber hat Franziska Giffey ihr Versprechen wahrgemacht: Der
Wohnungsneubau ist Chefinsache. 20.000 neue Wohnungen im Jahr hat sich der
Giffey-Senat vorgenommen, 7.000 davon sollten die landeseigenen
Wohnungsbaugesellschaften bauen. Insgesamt hat sich Rot-Grün-Rot für die
Legislatur 100.000 neue Wohnungen auf die Fahnen (und in den
[2][Koalitionsvertrag]) geschrieben.
## Giffey rudert zurück
Im Juni nun ereilte Giffey das gleiche Schicksal wie vor vier Jahren
Bausenatorin Katrin Lompscher. „Es kann auch sein, dass wir diese Ziele
nicht erreichen, dass wir nicht auf 100.000 bis 2026 kommen“, räumte sie
nach einer Senatssitzung ein und ergänzte: „Es kann auch sein, dass wir in
diesem Jahr nicht auf die 20.000 kommen.“
Wie weit der Senat von seinen Neubauzielen inzwischen entfernt ist, zeigte
[3][zuletzt die Zahlen des Verbands Berlin Brandenburgischer
Wohnungsunternehmen BBU]. Wurden 2020 von den BBU-Unternehmen noch 6.792
Wohnungen fertiggestellt, waren es 2021 nur noch 5.415 – ein Rückgang von
20 Prozent.
Noch bitterer ist die Bilanz der sechs landeseigenen
Wohnungsbaugesellschaften. Sie haben insgesamt 3.307 Neubauwohnungen
fertiggestellt. Im Vergleich zum Vorjahr, in dem mit 5.669 Fertigstellungen
die in den letzten fünf Jahren bisher größte Anzahl an Wohnungen errichtet
wurde, ist dies ein Rückgang um etwa 42 Prozent. [4][Laut Amt für Statistik
Berlin-Brandenburg] wurden in der Hauptstadt 2021 genau 17.005 Wohnungen
neu gebaut. Das waren 5,9 Prozent weniger als 2020.
Mit dem Ukrainekrieg, den rasant steigenden Baukosten und auch wachsenden
Zinsen für Baudarlehen wird die Zahl, so ist zu vermuten, weiter
zurückgehen. Fast wie Pfeifen im Walde klingt es da, wenn Bausenator
Andreas Geisel trotzig behauptet: „Abgerechnet wird zum Schluss.“
Ob er damit auch eine politische Abrechnung meint? Anders als vor vier
Jahren Katrin Lompscher muss Andreas Geisel nicht damit rechnen, von der
Regierenden rund gemacht zu werden. Wer den Neubau zur Chefinsache macht,
kann kaum vermitteln, im Falle des Scheiterns ein Bauernopfer bringen zu
wollen.
## Gute Bilanz beim Bestand
Und noch ein Problem hat Franziska Giffey. Noch vor dem Scheitern des
Mietendeckels vor dem Verfassungsgericht hatte sie sich dafür
ausgesprochen, die Deckelung der Mieten auslaufen zu lassen. „Der
Mietendeckel ist für fünf Jahre befristet und es ist wichtig, dass wir auch
ganz klar sagen, das ist kein Automatismus, das ist eine Atempause, die es
jetzt gibt“, sagte Giffey im Dezember 2020 dem RBB. Statt die Mieten zu
deckeln, so Giffey damals weiter, müsste der Neubau vorangetrieben werden,
„damit eben Investoren nicht sagen, ich gehe woanders hin“.
Ein Glück, dass sich Giffey damals in der SPD nicht durchsetzen konnte und
der Mietendeckel auch nach seinem Scheitern fortlebte – bei den sechs
landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft mit ihren 340.000 Wohnungen. Wie
wichtig diese Verpflichtung der Gesellschaften zu einem Mietenmoratorium
war, zeigte der der [5][Bericht zur Umsetzung der Kooperationsvereinbarung]
mit den landeseigenen Wohnungsunternehmen für das Jahr 2021, der am
Dienstag im Senat vorgestellt wurde. Demnach sind die Bestandsmieten in den
landeseigenen Wohnungen konstant geblieben und lagen durchschnittlich bei
6,29 Euro pro Quadratmeter und damit 9 Prozent unter den generellen
Durchschnittsmieten von 6,79 Euro.
Sichere Mieten im landeseigenen Bestand, die Neubauzahlen dagegen verfehlt:
Vor vier Jahren noch hätte die SPD der Linken eine solche Bilanz um die
Ohren gehauen. Nun steht sie da wie ein begossener Pudel. Denn die Bilanz
der SPD fällt noch viel desaströser aus.
Um der Linken beim Thema Enteignungen den Wind aus den Segeln zu nehmen,
hatte Bausenator Geisel vollmundig die Idee eines Mietenmoratoriums
angekündigt. In den Verhandlungen des „Bündnisses für Wohnungsneubau und
bezahlbare Mieten“ haben die privaten Vermieter dem Senat dagegen gezeigt,
was sie davon halten – nämlich nichts. Nicht nur beim Neubau ist Giffey
damit gescheitert, sondern auch mit ihrer Überzeugung „Kooperation statt
Konfrontation“.
Zeit also, wieder mehr auf Konfrontation zu setzen.
22 Jul 2022
## LINKS
[1] /Kommentar-zu-Lompschers-Neubauplaenen/!5529314
[2] https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_…
[3] /Bittere-Bilanz-fuer-Wohnungsbau-in-Berlin/!5864271
[4] https://www.statistik-berlin-brandenburg.de/045-2022
[5] /Landeseigene-Wohnungsgesellschaften/!5865640
## AUTOREN
Uwe Rada
## TAGS
Berlin
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