| # taz.de -- UN-Generalversammlung: Unterschiedliche Motivlagen | |
| > Afrika, Asien, Lateinamerika haben eigene Interessen gegenüber Russland. | |
| > Dennoch stimmen die meisten Länder der Verurteilung des Krieges zu. | |
| Bild: 11. Sondersitzung der 193 Mitglieder zählenden Generalversammlung der Ve… | |
| Kampala/Mumbai/Buenos Aires taz | Deutlich wie nie zuvor hat die | |
| [1][UN-Generalversammlung] am Mittwoch den Angriff Russlands auf die | |
| Ukraine als völkerrechtswidrig verurteilt und den sofortigen Abzug der | |
| Truppen gefordert. Allerdings fiel das Abstimmungsverhalten in den | |
| verschiedenen Weltregionen durchaus unterschiedlich aus. | |
| ## Afrika: Alte Solidarität und neue Geschäfte | |
| Russland hat in der UN-Generalversammlung der Vereinten Nationen | |
| Rückendeckung aus Afrika erhalten. Nur 28 der 54 afrikanischen Staaten | |
| stimmten dafür, den russischen Krieg in der Ukraine zu verurteilen. | |
| Das kommt nicht von ungefähr. Angola, Mosambik oder Simbabwe hatten bereits | |
| in der Zeit der Sowjetunion enge Beziehungen zu sozialistischen Staaten, | |
| auch der regierende ANC in Südafrika. Die Befreiungsbewegungen, die im | |
| südlichen Afrika bis heute an der Macht sind, wurden damals von Moskau | |
| unterstützt und bewaffnet. In vielen Ländern besteht noch heute eine | |
| gewaltige Abhängigkeit des gesamten Militärapparats von russischen | |
| Lieferungen: vom Kampfjet über Training und Wartung bis zu jeder einzelnen | |
| Kugel Munition. | |
| Uganda und Algerien gehören hier zu den Vorreitern. Mehr als drei Viertel | |
| ihres Waffenarsenals stammt von russischen Herstellern. Dann folgen Angola, | |
| Südsudan und Ägypten. | |
| Russische Militärdelegationen gingen im vergangenen Jahr in Uganda ein und | |
| aus. Sie trafen dort auch Muhoozi Kainerugaba, Sohn von Präsident Yoweri | |
| Museveni und Chef des ugandischen Heeres. Er twitterte in den vergangenen | |
| Tagen seine Unterstützung für Putin. | |
| Auch Sudans stellvertretender Leiter des Regierungsrats, General Mohamed | |
| Hamdan Dagalo, meldete Unterstützung für Russland. Als der russische | |
| Einmarsch in der Ukraine begann, war er gerade mit einer großen | |
| Regierungsdelegation zu Besuch in Moskau. 2020 hatten die beiden Länder | |
| vereinbart, dass Russland einen Militärhafen im Port Sudan am Roten Meer | |
| bauen darf – es wäre Russlands erste ständige Militärbasis in Afrika, | |
| direkt an der wichtigsten Handelsroute zwischen Asien und Europa. Simone | |
| Schlindwein, Kampala | |
| ## Asien: Zurückhaltend und beobachtend | |
| Dass [2][Indien] sich bei der jüngsten Russland-bezogenen Abstimmungen | |
| erneut zurückgehalten hat, überrascht nicht. Mit dem Besuch des russischen | |
| Präsidenten Putin im Dezember in Neu-Delhi bauten Indien und Russland erst | |
| ihre militärischen Beziehungen aus. Berichtet wurde von einem | |
| Verteidigungsabkommen über 5 Milliarden Dollar und der gemeinsamen | |
| Produktion von Sturmgewehren im Norden Indiens. Es sind Rüstungsgüter, auf | |
| die Indien nicht verzichten möchte, denn der Konflikt an den Grenze zu | |
| China und Pakistan scheint allgegenwärtig – auch wenn er nur gelegentlich | |
| ein Thema in den Medien ist. | |
| Dabei ist Indien nicht das einzige Land in Südasien, das sich bei der | |
| UN-Abstimmung enthielt: Pakistan, Bangladesch und Sri Lanka reihten sich | |
| ein, ebenso wie Nachbar [3][China]. Nepal, die Malediven und Afghanistan | |
| bezogen eine klare Konterstellung. | |
| Der indische Premier Narendra Modi mahnte zu Beginn des Krieges bei einem | |
| Telefonat mit Putin, die Gewalt zu beenden. Er forderte alle Seiten zu | |
| gemeinsamen Verhandlungen auf. Doch sonst war die Reaktion verhalten, | |
| Kritik nur leise zu hören. Laut dem Konfliktforscher Ashok Swain | |
| unterstützten rechte hinduistische Gruppierungen gar den Angriff Russlands. | |
| Während Pakistans Präsident Imran Khan zum Kriegsauftakt in Moskau zu | |
| Besuch war und Abkommen über den Einkauf von Gas und Weizen schloss, hieß | |
| es vonseiten Bangladeschs, man beobachte die Lage. Denn auch Bangladesch | |
| pflegt enge wirtschaftliche Beziehungen zu Russland. Vielmehr sind Länder | |
| wie Indien, Pakistan und Bangladesch derzeit noch mit der Evakuierung von | |
| Studierenden in der Ukraine beschäftigt, die vom Krieg überrumpelt wurden. | |
| Natalie Mayroth, Mumbai | |
| ## Lateinamerika: Putins Freunde im Schlingerkurs | |
| Gegenstimmen aus Lateinamerika und der Karibik gab es bei der von | |
| UNO-Generalversammlung verabschiedeten Resolution gegen den Einmarsch in | |
| die Ukraine nicht. Aber auf geschlossene Ablehnung trifft Russlands Krieg | |
| auch nicht: Bolivien, Nicaragua, Kuba und El Salvador enthielten sich, | |
| [4][Venezuela] nahm gar nicht erst teil. | |
| Ein klein wenig überraschend sind die Zustimmungen von Brasilien und | |
| Mexiko. Beide Regierungen hatten in den Tagen zuvor jegliche | |
| Sanktionsmaßnahmen abgelehnt. Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro hatte | |
| Putin noch vor zwei Wochen in Moskau besucht. „Brasilien hängt in großen | |
| Teilen von Düngemitteln aus Russland ab“, rechtfertigte er die Visite. Das | |
| erklärt den Eiertanz der vergangenen Tage. | |
| Jetzt hat Bolsonaro eine alte [5][Gesetzesvorlage ausgepackt], die es | |
| „ermöglicht, die Ausbeutung von Mineralien, Wasser und organischen | |
| Ressourcen in indigenen Ländern“ im Amazonas voranzutreiben. Putins | |
| Einmarsch in die Ukraine nutzt Bolsonaro für die Besetzung des Amazonas, so | |
| die bissige Kritik. | |
| Auch Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador hatte zunächst auf die | |
| traditionelle Neutralität seine Landes verwiesen, wohl wissend, dass das | |
| bilaterale Handelsvolumen knapp 2,5 Milliarden Dollar umfasst. Am Tag der | |
| Abstimmung dürfte er sich aber an Mexikos [6][Freihandelsabkommen] mit den | |
| USA und Kanada erinnert haben, das für sein Land weitaus wichtiger ist. | |
| Venezuela hatte schon zuvor Solidaritätserklärungen abgeben. „Der russische | |
| Präsident hat moralische Stärke, Venezuela hat die gleichen Maßnahmen | |
| ertragen, die gegen Russland angewendet wurden, und hier stehen wir bei | |
| Fuß, das habe ich Putin gesagt“, so Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro. | |
| Jürgen Vogt, Buenos Aires | |
| 3 Mar 2022 | |
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| [1] /UN-Generalversammlung-verurteilt-Krieg/!5839174 | |
| [2] /Indiens-Reaktionen-auf-Putins-Krieg/!5838065 | |
| [3] /Die-Ukraine-als-moegliche-Blaupause/!5837829 | |
| [4] /Machtkampf-in-Venezuela/!5580009 | |
| [5] https://twitter.com/jairbolsonaro/status/1498963839408386052 | |
| [6] /Machtkampf-in-Venezuela/!5580009 | |
| ## AUTOREN | |
| Simone Schlindwein | |
| Natalie Mayroth | |
| Jürgen Vogt | |
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