Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Schalke 04 und sein russischer Sponsor: Schauriger Partner
> Schalke 04 wirbt wegen des Kriegs in der Ukraine nicht mehr für den
> russischen Staatskonzern Gazprom. Und bezahlt für Fehler aus der
> Vergangenheit.
Bild: Der Einstieg des russischen Unternehmens Gazprom wurde auf Schalke pompö…
Treu“ und „zuverlässig“, so hieß es auf der Website von Schalke 04, sei…
russische Erdgasunternehmen. Am 1. Januar hat der FC Schalke seinen
Hauptsponsor noch hochleben lassen. Dieses Jahr wollten [1][der russische
Staatskonzern Gazprom] und der Fußballverein aus dem Kohlenpott eigentlich
das 15-jährige Bestehen ihres Bündnisses feiern. Gazprom, so ließ der
Zweitligist zu Neujahr wissen, habe in der ganzen Zeit nicht nur die
Schalker Trikotbrust geziert, sondern auch Projekte wie „Gib Gas gegen
Gewalt“ für ein friedliches Miteinander auf den Fußballplätzen gefördert.
Dass ein russisches Staatsunternehmen vielleicht nicht der geeignetste
Werbepartner für ein friedliches Miteinander ist, auf den Gedanken wollte
man auf Schalke selbst nach Russlands Militärinterventionen in Georgien
(2008) und auf der Krim (2014) nicht kommen. Seit Donnerstag ist die
Schalker Sicht auf ihren Partner allerdings offenkundig eine andere
geworden. Nach der russischen Invasion in die Ukraine beschlossen die
Vereinsverantwortlichen prompt, künftig den Namen des Hauptsponsors vom
Trikot zu nehmen.
Gazprom war stets ein wichtiger Bestandteil des machtpolitischen Bestecks
von Präsident Wladimir Putin, das Freunden des friedlichen Miteinanders ein
Graus sein musste. Die Schalker Funktionäre blendeten diesen Teil der
Realität jedoch jahrelang kunstfertig aus und erfreuten sich am Geldwert
der Beziehung zu Gazprom.
Von dieser Tradition will und muss sich der Verein nun zu einem denkbar
komplizierten Zeitpunkt verabschieden. Denn Schalke, der amtierende
Schuldenmeister im deutschen Fußball (237 Millionen Euro), schnürt sich mit
seiner Anordnung möglicherweise noch eine seiner wenigen Lebensadern ab.
Neun Millionen Euro zahlt Gazprom sogar in der zweiten Liga dafür, um sich
auf dem blau-weißen Trikot präsentieren zu dürfen. Ob und wie viel davon
diese Saison wegfällt, und ob zudem Entschädigungen gezahlt werden müssen
und die Partnerschaft grundsätzlich vor der Auflösung steht, darüber wollte
der Klub aktuell keine Auskunft geben.
## Bedeutungszuwachs für Gazprom
Während Schalke seinen Partner Gazprom im europäischen Fußball salonfähig
gemacht hat, [2][erlebte man selbst einen massiven Bedeutungs- und
Ansehensverlust.] An keinem Bundesligastandort wurden so konsequent so
viele falsche Entscheidungen getroffen. Nach der vergangenen
Katastrophensaison konnte der kostspielige Kader von Schalke nur auf drei
kümmerliche Siege zurückblicken. Als abgeschlagener Letzter wurde man zum
Gespött der Liga. Wirklichen Grund zum Feiern gab es für die vielen Fans
des Vereins im Grunde nur einmal. Als Gazprom ankündigte, den klammen
Verein auch in der zweiten Liga üppig mit Geld auszustatten. Wichtiger
konnte sich der Sponsor in seiner Schalke-Ära nie fühlen. Offenkundig
begnügte man sich beim russischen Staatsunternehmen damit, vom großen
emotionalen Kapital des Vereins zu leben.
Wie sehr Schalke seine Seele in der Vergangenheit verkauft hat, wurde am
Donnerstag durch eine weitere Personalentscheidung noch einmal deutlich.
Matthias Warnig legte sein Mandat als Gazprom-Vertreter im Aufsichtsrat des
Vereins nieder. Der früher im Westen als Spion tätige Stasioffizier und
heutiger Geschäftsführer der Nord Stream 2 AG war auch als enger Vertrauter
von Putin 2019 in das Gremium gesandt worden. Der österreichischen Zeitung
Die Presse verriet er einmal in einem seiner seltenen Interviews: „Aber
wenn ich was möchte und das Bedürfnis habe, ihn zu sehen, kriegen wir das
schon auf die Reihe.“
Der vermeintliche Kumpel- und Malocherklub, der gern seine proletarische
Identität zur Schau stellt, ist bis zuletzt ein Produkt der Kumpelei der
Mächtigsten gewesen. Um die Schwierigkeit zu verstehen, vor der die
aktuelle Vereinsführung steht, muss man zu den Anfängen dieser Entwicklung
zurückgehen, als sich Schalke 04 von politischen Machteliten Zügel anlegen
ließ.
Eine entscheidende Figur war dabei Altbundeskanzler Gerhard Schröder, der
von seinem Freund Putin Ende 2005 als Gazprom-Lobbyist angeworben wurde und
den Aufsichtsratsvorsitz bei der Nord Stream 2 AG übernahm. Das Interesse
des Unternehmens, als Werbepartner in die Bundesliga einzusteigen,
unterbreitete Schröder seinem Lieblingsklub Borussia Dortmund, der sich
aber gegen die Offerte entschied. Geschäftsführer Watzke erklärte damals
der FAZ, diese sei durchaus verlockend gewesen, er habe sie aber „mit Blick
auf unser unternehmerisches Gesamtbild als nicht so positiv“ angesehen.
## Profitabler Deal für Clemens Tönnies
Derlei Bedenken plagten den Schalker Aufsichtsratsvorsitzenden und
Fleischmogul Clemens Tönnies, der auch vom russischen Interesse Wind bekam,
nicht. Schröder verschaffte die entsprechenden Verbindungen. Und Tönnies
erzählt über das erste Treffen im Kreml: „Putin bekam leuchtende Augen, als
ich ihm von unserem Klub erzählte.“ Im Oktober 2006 wurde im Rahmen eine
Putin-Besuchs in Dresden der erste Vertrag vorgestellt, der im besten Falle
Zahlungen für Schalke innerhalb von fünf Jahren bis zu 100 Millionen Euro
versprach. Tönnies und Putin hielten für die Fotografen gemeinsam ein
Schalke-Trikot mit Gazprom-Schriftzug hoch.
Für diesen Deal wurde Tönnies auf Schalke von vielen als großer Macher und
Retter vor der Pleite gefeiert. Profitiert von den neuen Kontakten hatte
Tönnies allerdings insbesondere für sein Unternehmen. Dank Putin konnte er
[3][sein Geschäftsmodell mit billigem Fleisch und schlechten
Arbeitsbedingungen] auf Russland ausdehnen. Zehn Prozent seiner
Exporteinnahmen generierte er zeitweise von dort. Bei Besuchen bei Putin,
erzählte Tönnies gern, habe er stets Eisbein im Gepäck.
Kumpelhaft eben und völlig unpolitisch wurden diese Verbindungen mit dem
neuen Hauptsponsor verkauft, der von einem Staat getragen wird, der ein
immer autoritäreres Gesicht zeigte. Politische Bedenken wurden dabei schon
bei der Anbahnung des Gazprom-Deals mit Schalke formuliert. In einer
fraktionsübergreifenden Erklärung warnten deutsche Abgeordnete des
Europaparlaments von CDU, SPD, FDP und den Grünen vor Gazprom. „Viel
wichtiger als die Vermeidung sportlicher Einflussnahme ist, dass wir in
Deutschland nicht politisch abhängig von Gazprom und von der russischen
Regierung werden. Gazprom ist nicht irgendein Energieunternehmen, sondern
in höchstem Maße mit der russischen Politik verbunden.“
Levan Kobiashvili, der für Schalke 169 Spiele bestritt und heute Präsident
des georgischen Fußballverbands ist, hat das von den Profis am
schmerzhaftesten zu spüren bekommen. Als er im August 2008 nach der
Invasion des russischen Militärs in Georgien um das Leben seiner Familie
bangte, sollte er für Schalke gegen Atlético Madrid auflaufen. Am
Donnerstag erinnerte er via Twitter in einem Solidaritätspost mit der
Ukraine an diese dunkle Stunde. Kobiashvili schreibt: „Es war nicht
hinnehmbar für mich, auf dem Platz das Trikot mit der Gazprom-Aufschrift zu
tragen, so weigerte ich mich, gegen Atlético zu spielen.“ Er begrüßte die
aktuelle Entscheidung des Vereins, das Trikot vom Sponsornamen zu befreien.
Dieses Mal hatte Schalke 04 sogar die Nase ein wenig vorn. Die
Volleyballerinnen des Schweriner SC, die für die Projektgesellschaft Nord
Stream 2 von Gazprom werben, folgten am Freitagmorgen dem Schalker
Beispiel. Der Verein teilte mit: „Mit Rücksicht auf alle beteiligten
Partner haben beide Parteien am Donnerstag verabredet, bis auf Weiteres auf
die Marken- und Unternehmenspräsenz von Nord Stream 2 in der Arena und auf
dem Spieltrikot der 1. Bundesligamannschaft zu verzichten.“
Die Europäische Fußball-Union (Uefa) präsentierte unter der Woche ihren
Premiumpartner Gazprom bei den Champions-League-Spielen auf den Werbebanden
in gewohnter Form. Nach der am Freitag einberufenen Krisensitzung des
Exekutivkomitees der Uefa im schweizerischen Nyon wollte man sich auch
nicht dazu äußern, wie in den nächsten Wochen mit dem russischen
Staatskonzern, der auch die EM 2024 in Deutschland sponsert, umgegangen
werden soll. Beschlossen wurde nur, dass das Champions-League-Finale von
St. Petersburg nach Paris verlegt wird und russische sowie ukrainische
Klubs in den laufenden Europacup-Wettbewerben ihre Heimspiele auf neutralem
Boden ausrichten müssen.
Auf Schalke ist man mit dem Umdenken etwas weiter. Sogar der einstige
Geschäftsführer Peter Peters, der sich im Frühjahr für das Präsidentenamt
beim DFB bewirbt, ergreift plötzlich Positionen, die man ihm lange nicht
zugetraut hätte. Als Kobiashvili 2008 während des Georgien-Kriegs mit dem
Gazprom-Trikot haderte, erklärte Peters, das sei ein ganz „normaler
Hauptsponsor“. Am Donnerstag forderte er die Uefa auf, die Partnerschaft
mit dem russischen Großsponsor Gazprom zu überdenken. Bis zur Schalker
Einsicht, dass Gazprom vielleicht doch nicht so ein ganz normaler Sponsor
ist, musste sehr viel passieren. Es könnte zumindest ein guter Anfang sein.
25 Feb 2022
## LINKS
[1] /Energiekonzern-Gazprom/!5094931
[2] /Krisengeschuettelter-FC-Schalke-04/!5696404
[3] /Arbeit-in-der-Fleischindustrie/!5693754
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Schalke 04
Wladimir Putin
Gazprom
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
GNS
Trikot
Schalke 04
Nordrhein-Westfalen-Wahl 2022
Schalke 04
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Kolumne Frühsport
SPD
Kolumne Press-Schlag
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schalke 04
Schalke 04
Fußball
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kulturgeschichte der Trikotwerbung: Bezahlte Botschaften auf der Brust
Vor 50 Jahren lief Eintracht Braunschweig erstmals mit Trikotwerbung auf.
Seither leben Sponsoren und der Fußball bestens voneinander.
Personalwechsel bei Schalke 04: Sogar auf das Chaos vorbereitet
Nach dem Abgang von Sportdirektor Rouven Schröder und der Verpflichtung von
Trainer Thomas Reis will Schalke zeigen, dass man die Kontrolle hat.
Schalke 04 als Fußballkosmos: Ganz großes Drama
Noch ein Text über den Schalker Fußballkosmos? Klar, es kann gar nicht
genug davon geben. So wie die Fans nie genug haben können von ihrem Klub.
Schalke 04 ist wieder erstklassig: Eine Herzensgeschichte
Schalke 04 gelingt nicht nur der direkte Wiederaufstieg, sondern auch die
Neuaufstellung eines rundum heruntergewirtschafteten Vereins.
Tönnies wirbt ukrainische Geflüchtete an: Aus der Not Profit schlagen
Der Schlachtbetrieb Tönnies rekrutiert in Polen ukrainische Geflüchtete als
Arbeitskräfte. Nur gegen Arbeitsvertrag gibt es Transport und Unterkunft.
Der Ex-Kanzler und der Fußball: Vom Acker
Gerhard Schröder sieht derzeit überall die Rote Karte – aus guten und nicht
so guten Gründen. Doch warum wurde der jemals verpflichtet?
Parteiordnungsverfahren gegen Altkanzler: Die SPD muss Schröder rauswerfen
Wenn ein SPD-Oberbürgermeister einen Dirigenten entlässt, weil er sich
nicht distanziert, dann gilt das erst recht für einen putintreuen
Ex-Politiker.
Politik aus Sicht eines Fußballs: Die Welt ist eine Kugel
Die Gefühle von Fußbällen werden oft ignoriert. Ein Ball erzählt jetzt
endlich über sein Leben, den Spieltag und den Ukraine-Krieg.
Der Weltsport und der Ukrainekrieg: Der Gürtel wird enger
Bislang reagieren die internationalen Sportverbände vorbildlich auf die
neue Lage. An schmutzigem Geld ist im Profisport aber so einiges im Umlauf.
Schalke 04 und Gazprom: Allseits peinlich
Den Schalkern ist der Sponsor Gazprom nun unangenehm. Umgekehrt dürfte auch
Putin kein Fan des Absteiger-Vereins sein: Er steht auf Siegertypen.
Abstieg aus Fußball-Bundesliga: Glück auf, Schalke!
Der vielgehasste und heißgeliebte FC Schalke 04 steigt wieder einmal ab.
Elf Dinge, die wir ohne den Klub in der Ersten Bundesliga vermissen werden.
Dauerkrise des FC Schalke 04: Gefangen im Gestern
Dem taumelnden Klub aus Gelsenkirchen ist nicht viel mehr geblieben als
seine Tradition. Im Abstiegskampf hilft das nur wenig.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.