# taz.de -- Der Ex-Kanzler und der Fußball: Vom Acker | |
> Gerhard Schröder sieht derzeit überall die Rote Karte – aus guten und | |
> nicht so guten Gründen. Doch warum wurde der jemals verpflichtet? | |
Bild: Alte Bande: Gerhard Schröder und Wladimir Putin bei einem WM-Qualifikati… | |
Das muss sich Gerhard Schröder nicht vorwerfen lassen: keine Ahnung zu | |
haben, wie politisch der Fußball ist. Schon 1976 als Chef des Juso-Bezirks | |
Hannover trug er einen Beschluss des Bundeskongresses seiner Organisation | |
mit. „Solange das bürgerliche Leder rollt, müssen wir die revolutionären | |
Forderungen des Fußballvolks in die Massen tragen“, hatten die | |
SPD-Nachwuchs-Witzbolde formuliert: „Freie Wahl der Schiedsrichter durch | |
das bewaffnete Spielervolk!“, oder „Für freien Zugang zum gegnerischen | |
Tor!“ | |
Das war schon damals nicht lustig. Nicht ein demokratischerer Fußball war | |
sein Ziel, sondern zusammenhangloses Dummgeschwätz vom „bewaffneten | |
Spielervolk“. Es war nur lustig gemeint, Karrieristenhumor. 1988 beklagte | |
Schröder, dass diese Juso-Forderungen „noch längst nicht erfüllt sind“. … | |
der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende im niedersächsischen Landtag erzählte | |
mit Blick auf das ZDF-Sportstudio: „Ich wäre gern einmal Moderator.“ | |
Dazu hat es nicht gereicht. Er musste Bundeskanzler werden, doch von seinem | |
unangenehmen Drang, sich mittels Fußball volkstümlich zu inszenieren, ließ | |
er nicht. Ungefragt erzählte er oft, dass er früher als Mittelstürmer des | |
TuS Talle „Acker“ gerufen wurde. Schröder war die politisch treibende | |
Kraft, die Fußball-WM 2006 nach Deutschland zu holen. Seinen Plan, sich so | |
die Wiederwahl zu sichern, musste er aufgeben – die Bundestagswahl wurde | |
auf 2005 vorgezogen. Der DFB aber wusste, was er an „Acker“ hatte. Er | |
machte den abgewählten Kanzler zum „Ehrenmitglied Nr. 61“, denn: „Er ble… | |
unser Freund, ob mit oder ohne Amt, das ist nicht entscheidend“. | |
Ein politisches Amt hat Schröder nicht mehr, aber der DFB prüft derzeit, | |
ihm diese Ehrenmitgliedschaft abzuerkennen. Einer von Schröders vielen | |
Lieblingsklubs, Borussia Dortmund, hat ihm diesen Titel schon weggenommen. | |
Denn „die Übernahme von Führungspositionen in russischen Staatskonzernen | |
durch ein BVB-Ehrenmitglied“ ist nicht akzeptabel, vor allem vor dem | |
Hintergrund des russischen Kriegs. | |
## Darf Schröder im ADAC bleiben? | |
DFB, SPD, BVB, der Liebesentzug, den Schröder erlebt, ist schon heftig. | |
Doch es geht noch heftiger: „Der Vorstand des Hannoverschen Sportvereins | |
von 1896 e.V. hat heute Herrn Gerhard Schröder, Bundeskanzler a.D., darüber | |
informiert, dass ein Vereinsausschluss gegen ihn geprüft wird“, hieß es am | |
Mittwoch. Dort ist Gerhard Schröder kein Ehren-, sondern zahlendes | |
Mitglied. Bei aller zurecht heftigen Kritik an Schröder, seiner Kumpanei | |
mit Putin und seinem Posten bei Gazprom, irritiert die Initiative des | |
Zweitligisten schon sehr. Wirft der ADAC bald den Autokanzler raus, | |
verlangt die Haftpflichtversicherung einer Erklärung? Jedenfalls hat | |
Hannover 96 „offensichtlich mit den Werten des Vereins widersprechende | |
Worte Schröders“ vernommen. Doch in diesem Satz ist nicht nur das Wörtchen | |
„mit“ falsch gesetzt. Ehrlich gesagt, was Hannover 96 von seinem | |
langjährigen Fan einfordert, ist etwa so gehaltvoll, wie alles, was Gerhard | |
Schröder in seinem Leben über Fußball geäußert hat: unfassbar dumm. | |
Der Politkarrierist Schröder hatte stets eine grobe Ahnung, dass er, wenn | |
er es in hohe Ämter schaffen will, sich des Volkssports Fußball bedienen | |
sollte. Und die Verbände und Vereine, die sich nun alle von ihm | |
distanzieren, wollten ja einen wie Schröder in der Politik. | |
Jetzt aber ist Schröder kein Politiker mehr und kann dem Fußball nichts | |
bieten als seinen jährlichen Mitgliedsbeitrag. Und Vereine und -verbände | |
merken, dass dieser Karrierist neuen fußballerischen Banden, die mit der | |
Politik geschlossen werden, im Wege steht. Wenn Schröder seine neuen | |
Kumpels bei Gazprom-Aufsichtsratstreffen herzt, ist klar: Den alten | |
„Acker“, der so stolz war, oben mittun zu dürfen, braucht niemand mehr. | |
4 Mar 2022 | |
## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
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