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# taz.de -- Schalke 04 ist wieder erstklassig: Eine Herzensgeschichte
> Schalke 04 gelingt nicht nur der direkte Wiederaufstieg, sondern auch die
> Neuaufstellung eines rundum heruntergewirtschafteten Vereins.
Bild: Echte Liebe auch auf Schalke: ein Fan zeigt seine Zuneigung zum zweifache…
Gelsenkirchen taz | Die Angehörigen des FC Schalke 04 haben wahrlich
wundersame Dinge hinbekommen während der vergangenen zwölf Monate, aber als
sie ihr großes Ziel erreicht hatten, scheiterten sie krachend bei ihrer
Suche nach Worten, die groß genug waren für diesen Moment. „Einfach
Wahnsinn“ sei dieses Erlebnis, sagte Darko Churlinov, „galaktisch“ fand
Sportdirektor Rouven Schröder die Augenblicke nach dem 3:2 (0:2) gegen den
FC St. Pauli, als die Menschen vor Glück weinten, schrien, sangen und den
Rasen stürmten.
„Boah, unfassbar“, entfuhr es Trainer Mike Büskens, und Vitctor Palsson
stammelte: „I will never forget this day, I will never forget this day!“
Schalke 04 kehrt ein Jahr nach dem von Weltuntergangsgefühlen begleiteten
Abstieg nicht einfach nur in die Bundesliga zurück, der Verein wird dort
beflügelt von den Energien eines abenteuerlichen Saisonfinales ankommen.
Und dieses 3:2 gegen die armen Hamburger, die nun keine realistische Chance
mehr auf den Aufstieg haben, war ein würdiger Gipfel dieser Reise durch
Liga zwei.
Schalke spielte und griff an, alleine Simon Terodde hatte in der ersten
Halbzeit etliche riesige Chancen, doch in Führung lag zur Pause der FC St.
Pauli. Zwei Mal hatte Igor Matanovic getroffen (7.). Doch irgendwie war in
dem emotional überkochenden Tempel auf dem Berger Feld zu jeder Zeit ein
tiefer Glaube spürbar, dass hier noch viel passieren würde. „Wir wussten:
Ein Ding, und die Scheiße kippt“, sagte Büskens später, und genauso kam es.
Zwei Terodde-Tore (47., 71.) wurden zum Vorspiel für die Explosion der
Gefühle, die Rodrigo Zalazar schließlich mit seinem trotzig unter die Latte
gedroschenen Ball zum 3:2 auslöste. Es war ein Moment, in dem viel mehr
steckte als die Freude über ein mögliches Siegtor und den nun plötzlich
ganz greifbaren Aufstieg.
Die Menschen brüllten sich all den Frust und Schmerz über den
[1][demütigenden Abstieg in der Vorsaison], die Entbehrungen der Pandemie
und den Zusammenbruch jenes FC Schalke, der in den ersten 20 Jahren des
Jahrhunderts zu den europäischen Topklubs zählen wollte, von der Seele.
„Überlegt mal, was hier in den letzten zwei Jahren los war“, sagte Büsken…
„du gewinnst 30 Spiele nicht, steigst sang- und klanglos ab, hast keine
Mannschaft. Und dann entwickelt sich da so ein Haufen, wo jeder bereit ist,
für den anderen zu laufen, Gas zu geben.“ Und als sich der allererste
Überschwang gelegt hatte, warf auch der Trainer, der wieder in den
Assistentenstab eines noch nicht feststehenden neuen Chefcoaches rücken
wird, noch einen Blick auf die größeren Zusammenhänge.
## Toxische Verbindung zu Gazprom gekappt
Man habe „den Reset-Knopf gedrückt“, sagte der Mann, der mehr und mehr zur
größten Ikone der Schalker Gegenwart wird, und erklärte: „Wir haben ein
Stück weit zu unseren Werten zurückgefunden.“ [2][Die toxische Verbindung
zum russischen Staatskonzern Gazprom] wurde im März gekappt, als man noch
auf einem Nichtaufstiegsplatz stand. Es ist ein Team voller Fußballer
entstanden, die nicht zuallererst wegen der Gehälter hier spielen, sondern
ganz im Ernst auch, weil sie Schalke ins Herz geschlossen haben. Terodde
weinte nach dem Abpfiff, und der Mittelfeldspieler Florian Flick sagte:
„Wir sind über die Saison wirklich richtig zusammengewachsen.“
Zudem ist der umstrittene [3][Aufsichtsratschef Clemens Tönnies] weg, der
neue Vorstand agiert wirtschaftlich besonnen und investiert kein Geld mehr,
das vielleicht einmal in einer herbeifantasierten Zukunft eingenommen wird.
Es ist ein grundsätzlich neuer FC Schalke, den die Bundesliga in der
kommenden Saison begrüßen kann.
Aber ganz ohne bedrückende Momente konnten diese seltsamen königsblauen
Leute diesen zauberhaften Abend doch nicht zu Ende bringen. Während der
zweiten Halbzeit drohte das Schiedsrichterteam mehrfach, die Partie
abzubrechen, weil permanent Pyrotechnik abgefackelt wurde. Diese Sache ging
noch gut, aber nach dem Abpfiff stürmten viele Anhänger auf den Rasen, und
in einer Ecke der Nordkurve drückten so viele Menschen in Richtung
Spielfeld, dass es extrem eng wurde.
Zwischenzeitlich lag die ernsthafte Sorge über der Party, dass es zu
Schwerverletzten kommen würde. In einem Bericht der Polizei hieß es,
„mehrere Personen“ seien verletzt worden. Dass es im 21. Jahr seit
Eröffnung der Arena überhaupt zum ersten Mal zu einem Platzsturm kam, zeigt
allerdings, was für einen besonderen Platz dieser Aufstieg in der
Geschichte des FC Schalke einnimmt.
8 May 2022
## LINKS
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[3] /Schalke-04-und-Gazprom/!5833980
## AUTOREN
Daniel Theweleit
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