| # taz.de -- Politik aus Sicht eines Fußballs: Die Welt ist eine Kugel | |
| > Die Gefühle von Fußbällen werden oft ignoriert. Ein Ball erzählt jetzt | |
| > endlich über sein Leben, den Spieltag und den Ukraine-Krieg. | |
| Bild: Das waren noch Fußbälle von Weltformat: die Bälle zur Männer-WM 2006 | |
| Na endlich“, dachte der rot-blau-weiße Ball, als der Schiedsrichter ihn | |
| hochhob. Natürlich hatte er sich mehr von seinem Leben erhofft, damals, als | |
| er mit seinen Kumpels zusammengenäht worden war. In einem Pokalspiel | |
| eingesetzt zu werden, oder vielleicht in einem WM-Finale. Die ganze Welt | |
| würde dann nur auf ihn schauen, und am Ende würde er in der geräumigen | |
| Vitrine einer hoffentlich geschmackvoll eingerichteten Weltmeister-Villa | |
| wohnen. | |
| Dann war es doch nur Mönchengladbach geworden, das war schon eine große | |
| Enttäuschung. Andererseits, es hatte schon Bälle gegeben, die im Rahmen | |
| [1][des sogenannten Karnevals] in eine betrunkene, gröhlende Menschenmasse | |
| geworfen wurden. Und, kaputtgespielt, mitten in einem Rinnstein voller | |
| Kotzepfützchen endeten. | |
| Insofern konnte er nicht meckern, zumal es ihm und seinen Ball-Kumpels bei | |
| der Borussia wirklich gut erging. Manchmal ließ der Zeugwart nämlich sein | |
| Handy über Nacht im Raum voller Zeugwartdinge liegen, und dann konnte man | |
| als unternehmungslustiger Ball diejenigen anrufen, die bei anderen Vereinen | |
| gelandet waren. | |
| Außer die Bayern-Bälle, mit denen sprachen sie alle nicht mehr, weil es so | |
| unfassbar langweilig war, sich deren dauerndes Getröte darüber anzuhören, | |
| wie sie bald Meister werden würden. Wobei, mit den abstiegsgefährdeten | |
| Bällen redete auch niemand gern, deren ständige Furcht, durch eine | |
| unbedachte Drehung am Ende vielleicht für Zweitliga-Elend zu sorgen, nervte | |
| schon sehr. | |
| ## „Hört ihr eigentlich nie zu?“ | |
| Aber über Fußball sprachen sie ohnehin nicht mehr, seit [2][in der Ukraine | |
| Krieg herrschte]. Die meisten Zeugwarte hörten gern Radio, deswegen waren | |
| die Bundesliga-Bälle immer top informiert. Und sich weitgehend einig, was | |
| von Putin zu halten ist. Die Vereinsführung habe mit den Spielern | |
| stundenlang geübt, berichteten einige Bälle. „Ja, okay, wir haben immer | |
| gesagt, dass ihr euch anstrengen müsst, damit wir auch eines Tages so einen | |
| schönen Vertrag [3][wie Schalke mit Gazprom] bekommen, aber vergesst das | |
| jetzt mal.“ | |
| Wichtig sei nun, dass sie in Interviews ihre [4][Solidarität mit der | |
| Ukraine] ausdrückten. „Ja, Himmel nochmal, hört ihr eigentlich nie zu?“ So | |
| gehe das nun schon seit Tagen, sagten die betroffenen Bälle, und einer | |
| seufzte: „Ganz ehrlich, ich bin mittlerweile soweit, dass ich lieber beim | |
| MSV Duisburg im Regal liegen würde als hier in der Top-Etage.“ Mit dem 2:2 | |
| war der Ball dann aber hochzufrieden. Jetzt nur noch herausfinden, wo er | |
| nach Spielende gelandet war. Ah, eine Vitrine, das war schon mal gut. | |
| 27 Feb 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Zoff-um-Lauterbachs-Aeusserungen-ueber-naerrische-Zeit/!5824301 | |
| [2] /Ukraine-Krieg/!5835138 | |
| [3] /Schalke-04-und-sein-russischer-Sponsor/!5835068 | |
| [4] /Mitgefuehl-auf-Social-Media/!5835179 | |
| ## AUTOREN | |
| Elke Wittich | |
| ## TAGS | |
| Kolumne Press-Schlag | |
| Fußball | |
| Ukraine | |
| Krieg | |
| Gazprom | |
| Kolumne Press-Schlag | |
| Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
| Schalke 04 | |
| Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
| Schalke 04 | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Start der Bundesliga: Elend ohne Supershow | |
| Die Männerbundesliga wird wenig feierlich mit einem Bayernsieg und einem | |
| Punkt für Augsburg eröffnet. Der Beginn erinnert ein bisschen an Silvester. | |
| Der Weltsport und der Ukrainekrieg: Der Gürtel wird enger | |
| Bislang reagieren die internationalen Sportverbände vorbildlich auf die | |
| neue Lage. An schmutzigem Geld ist im Profisport aber so einiges im Umlauf. | |
| Schalke 04 und sein russischer Sponsor: Schauriger Partner | |
| Schalke 04 wirbt wegen des Kriegs in der Ukraine nicht mehr für den | |
| russischen Staatskonzern Gazprom. Und bezahlt für Fehler aus der | |
| Vergangenheit. | |
| Krieg in der Ukraine und Sport: Rollen Panzer, ruht der Ball | |
| In der Ukraine herrscht Krieg, auch der internationale Profisport muss sich | |
| neu sortieren. Vorerst beherrschen Absagen und Entsetzen die Lage. | |
| Schalke 04 und Gazprom: Allseits peinlich | |
| Den Schalkern ist der Sponsor Gazprom nun unangenehm. Umgekehrt dürfte auch | |
| Putin kein Fan des Absteiger-Vereins sein: Er steht auf Siegertypen. |