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# taz.de -- Tönnies wirbt ukrainische Geflüchtete an: Aus der Not Profit schl…
> Der Schlachtbetrieb Tönnies rekrutiert in Polen ukrainische Geflüchtete
> als Arbeitskräfte. Nur gegen Arbeitsvertrag gibt es Transport und
> Unterkunft.
Bild: Am Bahnhof der polnischen Kleinstadt Przemysl kommen jeden Tag tausende M…
Bremen taz | Einen Shitstorm in den Sozialen Medien erfährt gerade
Deutschlands größter Schweine-Schlachtbetrieb, [1][die Tönnies-Holding].
Dieses Mal geht es nicht um [2][ausbeuterische Arbeitsverhältnisse,
mangelnden Coronaschutz] für Mitarbeiter:innen oder die
Massentierhaltung in Zulieferbetrieben. Sondern um etwas, was der Konzern
als großzügiges Hilfsangebot für ukrainische Geflüchtete auffasst – und
andere als Arbeits-Prostitution.
Worum geht's? Seit zehn Tagen, so bestätigt es auch Konzernsprecher Fabian
Reinkemeier der taz, sind drei Mitarbeiter:innen des Konzerns im
polnischen Przemyśl, einer Stadt an der ukrainischen Grenze nahe Lwiw. Dort
befinden sich zwei Aufnahmezentren für Geflüchtete, sie können sich dort
registrieren und weiterreisen. Die Tönnies-Mitarbeiter:innen, so
Reinkemeier, wollten von dort Menschen mitnehmen, die bereit sind, für das
[3][Unternehmen in Deutschland] zu arbeiten. Konkret geht es um Arbeit als
Produktionshelfer:innen in der „Convenience Herstellung“, also der
Weiterverarbeitung von Fleisch, am Standort Rheda-Wiedenbrück in
Nordrhein-Westfalen. So steht es in dem Tönnies-Schreiben, das [4][auf
Twitter kursiert] und der taz als Foto vorliegt.
## Miete wird vom Gehalt abgezogen
Dort sind auf Deutsch auch die Arbeitsbedingungen erklärt: Elf Euro brutto
pro Stunde plus steuerfreie Zuschläge, Weihnachts- und Urlaubsgeld, 24 Tage
Urlaub. Und: Eine Unterkunft wird gestellt, die Miete von 254 Euro pro
Person wird vom Gehalt abgezogen. Es seien Dienstwohnungen, Angehörige wie
Kinder könnten dort nicht mitwohnen, sagt Reinkemeier. In der Regel würden
vier bis sechs Personen auf rund 100 Quadratmetern leben. „Wir streben an,
dass sich höchstens zwei Personen ein Schlafzimmer teilen.“
Die Aufregung in den Sozialen Medien entzündet sich nun daran, dass Tönnies
den Transport von Geflüchteten nach Deutschland an die Bedingung knüpft,
dass sie dort einen Arbeitsvertrag unterschreiben. 72 Leute sollten
zunächst mitgenommen werden – so erzählt es Patrick Walkowiak, ein Student.
Er hat mit Freund:innen zu Beginn des Krieges eine Hilfsorganisation
gegründet, um Geflüchtete nach Deutschland zu bringen.
Seit Samstag ist er im Aufnahmezentrum in Przemyśl und versucht dort zu
helfen, was angesichts der Vielzahl von Helfenden nicht so einfach sei, wie
er sagt. Immerhin spreche er als einer der wenigen Helfer:innen
polnisch. Dabei sei der Transport nach Deutschland das geringere Problem –
diese Erfahrung haben schon andere gemacht, die spontan an der Grenze
helfen wollten.
## Keine Alten und Kinder, nur Arbeitskräfte
Das größte Problem, sagt Walkowiak, sei, in Deutschland eine Unterkunft zu
finden. „Deshalb dachte ich auch erst, ich habe den Jackpot geknackt, als
ich von dem Angebot hörte, Arbeit und Unterkunft für so viele Menschen.“
Gehört hatte er davon von Mitarbeiter:innen des Aufnahmelagers, die
skeptisch gewesen wären und ihn zu einem Gespräch mit zwei Frauen – die
ebenfalls polnisch sprachen – und einem Mann hinzugebeten hätten. Im
Gespräch habe sich herausgestellt, dass diese für Tönnies arbeiteten und
sie keine Alten und Kinder mitnehmen würden, nur potentielle Arbeitskräfte
ohne Familie.
„Mich hat das so wütend gemacht“, sagt Walkowiak, „die nutzen die Not der
Leute aus“. Es sei bekannt, dass Tönnies [5][ausländische
Mitarbeiter:innen nicht gut behandle]. Etwa 80 Prozent der
Arbeitnehmer:innen in der Produktion haben nach Einschätzung des
Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) keine deutsche Staatsangehörigkeit, die
Fluktuation ist hoch. Das Schreiben von Tönnies hatte Walkowiak
fotografiert und Freund:innen aus der linken Szene geschickt, die es dann
auf Twitter teilten. Unter anderem verbreitet es das Bündnis „Gemeinsam
gegen die Tierindustrie“.
Wütend ist auch der Tönnies-Sprecher Fabian Reinkemeier. „Ich bin
schockiert, dass ein paar Schwachmaten mit dem Leid der Menschen gegen uns
Politik machen“, sagt er. Schließlich würde Tönnies „eine
Zukunftsperspektive“ bieten. Etwa ein Dutzend Personen aus der Ukraine
hätten sie bereits an zwei Standorten angestellt, allerdings seien diese
auf anderen Wegen nach Deutschland gekommen. Dabei müssten „nicht alle am
Band stehen“, wie er sagt, sie suchten auch ITler und BWLer, eine
Lebensmitteltechnologin hätten sie bereits angestellt. Und dass die
Geflüchteten „sehr dankbar“ seien.
„Wir hatten mehrere Interessentinnen, die gerne für uns gearbeitet hätten�…
sagt Reinkemeier. Dann aber seien die drei Mitarbeiter:innen von einer
Gruppe deutscher Freiwilliger angegriffen und verjagt worden. „Wir wissen
jetzt nicht, ob wir dort weiter machen können.“
Kurz nach dem Gespräch mit Reinkemeier meldet sich der Geschäftsführer der
Tönnies-Tochter „Zur Mühle“, Axel Knau. Auch er ist wütend. „Das sind
mündige Menschen, die für sich selbst entscheiden können und nicht
bevormundet werden wollen“, sagt er. Manche wollten jetzt einfach arbeiten,
um unabhängig zu bleiben und vielleicht ihre Familie zu unterstützen. „Die
wissen,was sie sie tun.“
Das bezweifelt allerdings Dominique John, Leiter des DGB-Beratungsnetzwerks
Faire Mobilität. „Für die Geflüchteten geht es zuerst darum, sich und ihre
Angehörigen in Sicherheit zu bringen.“ Die Unternehmen würden „die Not als
Gelegenheit sehen und die schwache Situation der Menschen ausnutzen“.
31 Mar 2022
## LINKS
[1] /Schalke-04-und-sein-russischer-Sponsor/!5835068
[2] /Corona-Ausbruch-in-Fleischfabrik/!5747125
[3] /Kriegsfluechtlinge-auf-dem-Arbeitsmarkt/!5840826
[4] https://twitter.com/GGTierindustrie/status/1508805575483830282
[5] /Ausbeutung-in-der-Fleischindustrie/!5791699
## AUTOREN
Eiken Bruhn
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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Geflüchtete Frauen
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