# taz.de -- Demonstrationen in deutschen Städten: Entsetzen über russischen A… | |
> In Berlin und anderswo wurde für Russland demonstriert. Die | |
> Bundesregierung warnt vor Desinformation, ein Innenminister will härtere | |
> Auflagen. | |
Bild: Mehrere hundert Menschen beteiligen sich am Sonntag in Berlin an einem pr… | |
BERLIN taz | Christian F. sagt, „Krieg ist immer scheiße“. Aber der | |
Berliner Autohändler betont am Montag im Gespräch mit der taz ebenso: „Wir | |
brauchen auch wieder Ruhe hier.“ Es werde so viel „Propaganda“ über die | |
Kämpfe in der Ukraine geschrieben. Vor allem an den Schulen habe das nichts | |
zu suchen, findet der Deutschrusse, der vor vielen Jahren nach Deutschland | |
zog, hier bereits seinen Wehrdienst leistete. „Die Kinder hier sollen damit | |
nicht belastet werden, sondern ihre Kindheit leben.“ | |
Was genau aber die Propaganda sei, wie es den Kindern in der Ukraine gehe | |
und wie er zu den russischen Kriegsverbrechen steht, dazu schweigt | |
Christian F. „Warum soll ich etwas dazu sagen?“, sagt er nur. „Was habe i… | |
als deutscher Bürger damit zu tun?“ | |
Am Sonntag aber organisierte der KfZ-Spezialist einen Autokorso in Berlin. | |
„Keine Propaganda in der Schule, Schutz für russischsprechende Leute, keine | |
Diskriminierung“ lautete der Titel. Mit 30 Fahrzeugen habe er gerechnet, | |
sagt F. Am Ende wurden es laut Polizei rund 400, die drei Stunden lang mit | |
Russlandfahnen und hupend einmal quer durch die Hauptstadt fuhren – | |
Christian F. voran. Unter ihnen laut Augenzeugen viele Russischsprachige. | |
Die Resonanz habe ihn auch überrascht, sagt der Familienvater. „Aber das | |
beweist ja, dass es ein Problem gibt.“ | |
## Faeser: Krieg „nicht in Gesellschaft hineintragen“ | |
Für viele indes ist der Autokorso von Christian F. nun ein Problem. Seine | |
Protestfahrt, just an dem Tag, als die Gräuel von Butscha bekannt wurden, | |
löste bundesweit Entsetzen aus. „Um Himmels willen, wie konnten Sie diesen | |
Autokorso der Schande mitten in Berlin zulassen?“, fragte Ukraines | |
Botschafter Andrij Melnyk Berlins Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) | |
via Twitter. | |
Ein Sprecher von Kanzler Olaf Scholz appellierte am Montag, niemand sollte | |
der russischen Desinformationskampagne „mit ihren zynischen und | |
verharmlosenden Darstellungen Glauben schenken“. Ein Sprecher von | |
Innenministerin Nancy Faeser (SPD) mahnte, den Krieg „nicht in unsere | |
Gesellschaft hineinzutragen“. Wenn es rechtliche Möglichkeiten für die | |
Behörden gebe einzuschreiten, dann würden sie das tun. „Pro-russische | |
Demonstrationen, die geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören, | |
etwa weil sie zum Hass aufstacheln oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen | |
gegen die ukrainische Bevölkerung auffordern, könnten grundsätzlich | |
verboten werden“, so der Sprecher zur taz. Die Zuständigkeit hierfür liege | |
aber bei den Ländern. | |
Berlins Landespolitik mühte sich am Montag um Schadensbegrenzung. | |
Bürgermeisterin Giffey erklärte am Montag: „Ich verurteile jegliche | |
Äußerung, die den russischen Angriffskrieg verharmlost oder legitimiert, | |
auf das Schärfste.“ Sie verstehe den Ärger über den Autokorso. Für | |
Demonstrationen gelte aber die Versammlungsfreiheit, betonte die | |
Sozialdemokratin. Sie stehe jedoch „in gutem Kontakt“ zu Botschafter | |
Melnyk. „Berlin steht an der Seite der Ukraine.“ | |
## Ermittlungen zu Auto mit „Z“ | |
Auch Innensenatorin Iris Spranger, ebenfalls SPD, betonte: „Das Recht auf | |
[1][freie Meinungsäußerung] ist ein sehr hohes Gut.“ Bei einem Protest, der | |
friedlich bleibe, gebe es keine Grundlage einzuschreiten. Übergriffe oder | |
die [2][öffentliche Billigung des russischen Angriffskrieges] aber werde | |
man „nicht tolerieren“. „Deswegen ahnden wir konsequent die Verwendung des | |
weißen Z als zustimmendes Symbol für den Angriffskrieg.“ | |
Tatsächlich sprach die Polizei bei dem Autokorso von einem friedlichen | |
Verlauf. Nur ein Fahrzeug sei mit einem „Z“-Zeichen aufgefallen, dazu werde | |
nun ermittelt. Auf einem weiteren Fahrzeug habe ein Papier mit einem | |
Judenstern geklebt. Hierzu werde ein Verfahren wegen Verdachts der | |
Volksverhetzung eingeleitet. Ein Verbot des Korsos sei aber nicht möglich | |
gewesen, sagte auch ein Polizeisprecher der taz. „Unter demokratischen, | |
rechtsstaatlichen Gesichtspunkten gab es keine Möglichkeit, die Versammlung | |
zu verbieten.“ | |
Berlin ist jedoch kein Einzelfall. Am Wochenende fand auch in Bad Kreuznach | |
eine prorussische Demonstration statt. Zuvor gab es Autokorsos auch im | |
pfälzischen Donnersbergkreis und von Köln nach Bonn, hier mit Hunderten | |
Fahrzeugen. Das Bundesinnenministerium spricht von einer „Vielzahl“ an | |
prorussischen Protesten derzeit bundesweit. Auch auf „Querdenken“-Demos | |
wurden zuletzt Russlandfahnen geschwenkt. | |
Unter den Innenmininster:innen regt sich Unmut über die | |
Pro-Russland-Aufzüge. Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) nannte die | |
Szenen aus Berlin „unerträglich“: „Es kann nicht sein, dass Putins | |
Kriegsverbrechen auf deutschen Straßen verherrlicht werden. Wir können | |
solche Korsos wohl nicht verbieten, aber wir müssen alle Möglichkeiten des | |
Versammlungsrechts nutzen, um das einzugrenzen.“ Es brauche „strikte | |
Auflagen“, so Maier zur taz. „Solche Aktionen können auch am Stadtrand | |
stattfinden, ohne Hupen und mit Teilnehmerobergrenzen. Dann ist das | |
Versammlungsrecht gewahrt, die Wirkung aber eine ganz andere.“ | |
„Auch Niedersachsens SPD-Innenminister Boris Pistorius forderte ein | |
striktes Vorgehen, sobald es auf prorussischen Demonstrationen zu Verstößen | |
kommt. Wer Sympathien für den Angriffskrieg zeige, müsse strafrechtliche | |
Konsequenzen spüren, bis hin zur Versammlungsauflösung, sagte Pistorius. | |
„Da muss man von Anfang an klare Kante zeigen.“ | |
Die russische Botschaft in Berlin teilte am Montag jedenfalls bereitwillig | |
auf Twitter einen Videoausschnitt des Berliner Korsos und sprach von „5.000 | |
Autos bundesweit“. Anmelder Christian F. sagt, er habe mit der Botschaft | |
oder russischen Politik nichts zu tun. Er habe den Korso privat über Social | |
Media beworben. Dann habe sich die Sache verselbständigt. Noch mal wolle er | |
so etwas vorerst nicht organisieren, weil es ihm zu viel Ärger bringe. Vor | |
allem wegen der „Medienpropaganda“. | |
Mitarbeit: Plutonia Plarre | |
4 Apr 2022 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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