| # taz.de -- Zerwürfnis bei Hamburger Linken: Linksfraktion verliert Abgeordnet… | |
| > Der Politiker Mehmet Yildiz wird fraktionsloser Abgeordneter in der | |
| > Hamburgischen Bürgerschaft. Er wirft den Kollegen Rassismus und Mobbing | |
| > vor. | |
| Bild: War seit 2008 Mitglied der Linksfraktion: Mehmet Yildiz, hier 2015 in der… | |
| Hamburg taz | Schon um kurz vor acht ging am Donnerstag eine | |
| Pressemitteilung herum. Mehmet Yildiz gab seinen [1][„Austritt aus der | |
| Linksfraktion der Hamburger Bürgerschaft“] bekannt. Nach „jahrelangen | |
| Konflikten“ in der Fraktion, samt „Mobbing gegen mich und weitere | |
| Abgeordnete und Mitarbeiter“ habe er sich dazu entschlossen. Denn der | |
| Fraktionsvorstand und die Geschäftsführung agierten respektlos und | |
| beleidigend. Dabei legten sie eine Haltung der „White Supremacy“ an den | |
| Tag, eines Rassismus, gepaart mit bildungsbürgerlicher Überheblichkeit. | |
| Yildiz ist heute 44 Jahre alt und gelernter Elektriker. Er kam bereits 2008 | |
| in die Bürgerschaft und war jahrelang [2][Sprecher für Kinder- und | |
| Jugendpolitik], bevor er 2015 den Sport übernahm und die [3][Kampagne zur | |
| Verhinderung der Olympischen Spiele] in der Stadt anführte. Er war mit | |
| zwölf aus der Türkei geflohen und verbrachte seine Jugend in der | |
| Jugendhilfe, was später auch sein Verständnis für die Rechte von | |
| Heimkindern prägte. | |
| Doch er ist kein studierter Akademiker. „Mehmet hat nicht die Skills, die | |
| von der Fraktion erwartet werden, um bestimmte Dinge hier einzubringen, | |
| aber er hat eine tiefe Analyse der Gesellschaft“, sagt sein Mitarbeiter | |
| Martin Dolzer. In der Fraktion werde nicht versucht, mit ihm „auf | |
| Augenhöhe“ zu sprechen. | |
| Als die Pressemitteilung verschickt wurde, war bereits ein Bericht der | |
| Hamburger Morgenpost erschienen, der Yildiz als „Linken auf | |
| Querdenker-Kurs“ markierte. Denn Yildiz lud eine Woche zuvor in seinem | |
| Wahlkreis im Arbeiterstadtteil Billstedt zu einer Veranstaltung ein. | |
| Motto: „Wie kann eine solidarische Perspektive als Weg aus der Corona-Krise | |
| aussehen?“ Dort habe er auch „munter mit Akteuren aus der Querdenker- und | |
| Corona-Demoszene“ diskutiert. | |
| ## Konflikt um Pressemitteilungen | |
| Zudem hatte Yildiz die Aktion „Die Linke impft“ kritisiert, mit der | |
| Parteimitglieder auch in Billstedt auftraten. Denn jeder könne selbst zum | |
| Hausarzt. „Impfen ist nicht unsere Aufgabe.“ Außerdem hatte er im März 20… | |
| ein [4][umstrittenes Interview] mit Vermutungen zur Herkunft des | |
| Coronavirus gegeben und damit eine Außenseiterrolle in der Fraktion | |
| eingenommen. Yildiz sagt, er sei damals missverständlich übersetzt worden. | |
| Die beiden Fraktionschefinnen Cansu Özdemir und Sabine Boeddinghaus | |
| erklärten der Morgenpost: „Mehmet Yildiz spricht nur für sich.“ Das Blatt | |
| folgerte dann, dass der Konflikt eskalieren könnte. Die Frage sei, wie | |
| lange sich die Fraktion dessen Ausfälle „noch bieten lassen“ wolle. | |
| Der taz liegt ein längeres Papier vor, in dem Yildiz und sein Mitarbeiter | |
| Martin Dolzer „zum derzeitigen Konflikt“ in der Fraktion Stellung nehmen. | |
| Demnach verließen in den vergangenen Jahren eine Handvoll Mitarbeiter wegen | |
| Mobbings die Fraktion, darunter einer, der offensiv gegen die fragwürdige | |
| Finanzpolitik und die Elite der Banken habe vorgehen wollen. | |
| Yildiz selbst war seit 2020 Sprecher für Friedenspolitik. Er beklagt in dem | |
| Papier, dass unzählige Pressemitteilungen im Bereich Frieden, Europa, | |
| Justiz/Menschenrechte „unter Vorwänden blockiert“ worden seien. Und eine | |
| anfänglich beschlossene 15-Stunden-Stelle für Friedenspolitik sei in eine | |
| allgemeine Kampagnenstelle umgewandelt worden. Die Übergabe von rund 16.000 | |
| Unterschriften für die [5][Volksinitiative gegen Rüstungsexporte] sei erst | |
| nach drei Tagen auf der Homepage gewürdigt worden. Und bei besagter | |
| Anti-Olympia-Kampagne sei er daran gehindert worden, auf einem Podium zu | |
| sprechen, weil er angeblich nicht gut genug Deutsch spreche. | |
| Der Vorwurf der White Supremacy sei von einer Mitarbeiterin Dolzers erhoben | |
| worden, der bis 2020 selbst Abgeordneter war. Bei einer Veranstaltung zur | |
| Genitalverstümmelung sei mit Arroganz versucht worden, über die | |
| Vorstellungen der afrikanischen Community hinwegzugehen. | |
| Insgesamt, so die Kritik, sei die Arbeit der Fraktion zu sehr am | |
| „bürgerlichen Mainstream“ und an den Erwartungen der in Hamburg „ziemlich | |
| gleichgeschalteten öffentlich-rechtlichen und bürgerlichen Presse“ | |
| orientiert. Ziel sei eine Regierungsbeteiligung in Form von Rot-Rot-Grün in | |
| Hamburg. Zugleich zieht Yildiz die Parallele zur früheren Fraktionschefin | |
| Dora Heyenn, die 2015 die Fraktion verließ. Auch sie sei ausgegrenzt | |
| worden. | |
| Die [6][Linksfraktion wies die Vorwürfe zurück]. Yildiz vollziehe jetzt | |
| „den letzten Schritt“, denn seit Sommer 2020 habe dieser „die Kommunikati… | |
| mit der Fraktion abgebrochen und Gesprächsangebote abgelehnt“, sagt Sabine | |
| Boeddinghaus. Yildiz verbinde seien Austritt mit „einer Vielzahl von | |
| ehrabschneidenden Vorwürfen“, ergänzt Cansu Özdemir. | |
| ## Fraktion wirft Yildiz Querdenker-Nähe vor | |
| „Es gab keine Blockade“, sagt Fraktions-Pressesprecher Ralf Dorschel. | |
| Textentwürfe der beiden, die Tage nach dem Anlass kamen, habe man nicht als | |
| Pressemitteilung herausgegeben, weil sie „Schnee von gestern waren“. Und | |
| dass einem Mitarbeiter gekündigt wurde, habe mit dessen | |
| inhaltlich-politischer Arbeit „nichts zu tun“. Im Fall der Volksinitiative | |
| sei nicht nur Yildiz’ Pressemitteilung, sondern seien insgesamt 20 erst | |
| später auf der Website dokumentiert worden – wegen Arbeitsüberlastung. Auf | |
| Social Media habe man dies aber sofort gepostet. | |
| Bei der Veranstaltung zur Genitalverstümmelung habe es aus feministischer | |
| Sicht Kritik gegeben, die sei dann aber nach Überarbeitung des Konzepts | |
| „sehr erfolgreich und unter starker Beteiligung der Community“ gelaufen. | |
| Auch habe die Fraktion bei keiner Einladung zu einer | |
| Olympia-Podiumsdiskussion Yildiz’ Teilnahme verhindert. Dorschel: „Schon | |
| gar nicht aufgrund angeblicher Sprachprobleme.“ Der Abgeordnete sei damals | |
| länger krank gewesen. | |
| Die Fraktion wirft dem nun Abtrünnigen vielmehr vor, dass er sich neulich | |
| in Billstedt mit Akteuren der Querdenker gemein gemacht habe. Denn Rechte | |
| könnten keine Bündnispartner sein. Einer der dort auftrat, soll am | |
| Gedenktag der Opfer von Halle eine Schweigeminute für die Bombenopfer | |
| Dresdens im Zweiten Weltkrieg eingelegt haben. | |
| „Die Vorwürfe, es seien Querdenker auf dem Podium gewesen, sind | |
| undifferenziert und nicht richtig“, hält Martin Dolzer dagegen. Die | |
| Fraktion versuche so von Yildiz’ Kritik abzulenken. „Wenn Mobbing passiert, | |
| muss man eine Moderation ermöglichen.“ | |
| 25 Feb 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://mehmet-yildiz.de | |
| [2] /Linken-Abgeordneter-ueber-Jugendhilfe-Qualitaet/!5051819 | |
| [3] /Olympia-Referendum/!5256070 | |
| [4] /Linke-Verschwoerungstheorie-ueber-Corona/!5669065 | |
| [5] /Verbot-von-Ruestungsexporten/!5716175 | |
| [6] https://www.die-linke-hamburg.de/presse/pressemitteilungen/detail/news/zum-… | |
| ## AUTOREN | |
| Kaija Kutter | |
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