Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Atomkraft und Klimawandel: EU hält AKW für klimafreundlich
> Die EU-Kommission will laut Beschlussentwurf Investitionen in Atom- und
> Gaskraftwerke als grün einstufen. Ablehnung von den Grünen.
Bild: Fast schon pittoresque: Das Atomkraftwerk im französischen Civeaux
Brüssel dpa/afp/taz | Die EU-Kommission will Investitionen in Gas- und
Atomkraftwerke unter bestimmten Bedingungen als klimafreundlich einstufen.
Das geht aus einem Entwurf für einen Rechtsakt der Brüsseler Behörde
hervor, der am Neujahrstag kurz nach dem Versand an die EU-Mitgliedstaaten
öffentlich wurde.
Investitionen in neue Akw sollen demnach dann als grün klassifiziert werden
können, wenn die Anlagen neusten technischen Standards entsprechen und wenn
ein konkreter Plan für den Betrieb einer Entsorgungsanlage für hoch
radioaktive Abfälle ab spätestens 2050 vorgelegt wird. Zudem ist als eine
weitere Bedingung vorgesehen, dass die neuen kerntechnischen Anlagen bis
2045 eine Baugenehmigung erhalten, wie aus dem der Deutschen Presse-Agentur
vorliegenden Text hervorgeht.
Investitionen in neue Gaskraftwerke sollen übergangsweise unter strengen
Voraussetzungen ebenfalls als grün eingestuft werden können. Dabei soll zum
Beispiel relevant sein, wie viel Treibhausgase ausgestoßen werden. Für
Anlagen, die nach dem 31. Dezember 2030 genehmigt werden, wären dem
Vorschlag zufolge nur noch bis zu 100 Gramm sogenannte CO2-Äquivalente pro
Kilowattstunde Energie erlaubt – gerechnet auf den Lebenszyklus.
Die Einstufung von Wirtschaftstätigkeiten durch die EU-Kommission soll
Anleger in die Lage versetzen, ihre Investitionen auf nachhaltigere
Technologien und Unternehmen umzustellen und so wesentlich zur
Klimaneutralität Europas bis 2050 beitragen. Ob Gas und Atomkraft als Teil
der sogenannten Taxonomie als klimafreundlich gelten sollten, ist unter den
EU-Staaten jedoch stark umstritten.
Die Taxonomie ist eine Art Klassifizierung nachhaltiger
Wirtschaftsaktivitäten und kommt einer Einstufung als förderwürdig und
einer Empfehlung an Investoren gleich. Den entsprechenden Rechtsakt hatte
die EU-Kommission bereits im April vorgestellt. Die heikle Frage der
Bewertung von Gas- und Atomenergie ließ die Behörde damals jedoch aus. Es
sollten noch weitere Experten-Berichte und Bewertungen abgewartet werden.
„Es muss anerkannt werden, dass der fossile Gas- und der Kernenergiesektor
zur Dekarbonisierung der Wirtschaft der Union beitragen können“, heißt es
nun in dem Brüsseler Entwurfspapier. Die Kommission hat den Vorschlag noch
nicht offiziell vorgestellt. Der Entwurf wurde nach Angaben aus Brüsseler
und Berliner Kreisen am Silvesterabend kurz vor Mitternacht für einen
Konsultationsprozess an die Regierungen der 27 Mitgliedstaaten verschickt.
Dem Dokument zufolge soll der „Bau und sichere Betrieb neuer Kernkraftwerke
zur Strom- oder Wärmeerzeugung, auch zur Wasserstofferzeugung, unter
Einsatz der besten verfügbaren Technologien“ als taxononmiekonform, also
nachhaltig und klimafreundlich gelten. Weitere Vorgaben sind etwa für den
langfristigen Umgang mit radioaktiven Abfällen vorgesehen.
Vor allem [1][Frankreich drängt mit Nachdruck] auf eine Einstufung der
Atomkraft als nachhaltig. Auch [2][die Niederlande,] Polen und weitere
östliche Länder drängen die EU-Kommission, Atomstrom als klimafreundlich
anzuerkennen. Entschieden dagegen war mit Deutschland, Österreich und
Luxemburg bislang nur eine Minderheit der EU-Staaten.
[3][Kritiker:innen verweisen darauf, dass vor allem das Argument
Atomkraft sei kostengünstiger als regenerative Energiegewinnung, Unfug
ist].
Für die Förderwürdigkeit neuer Gasanlagen sind dem Entwurf zufolge
strengere Regeln vorgesehen. Etwa müssen die fraglichen neuen Anlagen stets
eine alte Anlage, die fossile Brennstoffe nutzt, ersetzen. Auch soll
nachgewiesen werden müssen, dass die geplante Energieproduktion nicht auch
mit einer erneuerbaren Energiequelle geleistet werden könnte.
Die vorherige Bundesregierung hatte mit Nachdruck auf der Bedeutung von
Erdgas als Übergangstechnologie hin zur Klimaneutralität bestanden. Die SPD
von Neu-Kanzler Olaf Scholz hält daran auch weiter fest. Aus den Reihen des
grünen Koalitionspartners kommt jedoch Kritik.
## Grüne: „Absolut falsch“
Bei der Ablehnung der Einstufung von Atomkraft als nachhaltig herrscht
hingegen weitgehend Einigkeit. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne)
lehnt das Vorhaben der EU-Kommission klar ab. „Ich halte es für absolut
falsch, dass die Europäische Kommission beabsichtigt, Atomkraft in die
EU-Taxonomie für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten aufzunehmen“, sagte
Lemke am Samstag den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Eine Energieform,
die zu „verheerenden Umweltkatastrophen“ führen könne und große Mengen an
gefährlichen hochradioaktiven Abfällen hinterlasse, „kann nicht nachhaltig
sein“.
Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) äußerte sich
ablehnend. „Die Vorschläge der EU-Kommission verwässern das gute Label für
Nachhaltigkeit“, sagte Habeck am Samstag der Deutschen Presse-Agentur in
Berlin. „Es hätte aus unserer Sicht diese Ergänzung der Taxonomie-Regeln
nicht gebraucht. Eine Zustimmung zu den neuen Vorschlägen der EU-Kommission
sehen wir nicht“, sagte der Wirtschafts- und Klimaschutzminister.
Der nun begonnene Konsultationsprozess mit den EU-Mitgliedstaaten soll rund
zwei Wochen dauern. Mitte Januar will die Kommission dann den finalen
Vorschlag vorstellen, der noch vom nun bekannt gewordenen Entwurf abweichen
kann. Anschließend haben der Rat der Mitgliedstaaten und das EU-Parlament
jeweils ein Veto-Recht.
Im EU-Parlament regt sich bereits Widerstand: „Der Vorschlag von
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist ein Schritt zurück“,
kritisiert der Grünen-Abgeordnete Rasmus Andresen. „Atom und fossiles Gas
sind nicht zukunftsfähig.“
1 Jan 2022
## LINKS
[1] /Renaissance-der-AKWs/!5822133
[2] /Niederlandes-angehende-Regierung/!5822513
[3] /Renaissance-der-AKWs/!5822133
## TAGS
EU-Politik
Schwerpunkt Atomkraft
Schwerpunkt Frankreich
Schwerpunkt Klimawandel
GNS
EU-Taxonomie
Schwerpunkt Atomkraft
IG
Kolumne Bobsens Späti
Schwerpunkt Frankreich
Anti-Atom-Bewegung
Schwerpunkt Atomkraft
EU-Politik
Schwerpunkt Atomkraft
Lesestück Meinung und Analyse
Anti-AKW-Proteste
Niederlande
## ARTIKEL ZUM THEMA
Brückenenergie und Erneuerbare: Einfach nur Glück gehabt
Die Erderwärmung ist eine Gefahr für unser Überleben – die atomare
Vernichtung nicht weniger. Lieber gleich komplett umsteigen, als auf AKWs
setzen.
Brückenenergie und Erderwärmung: Tabuthema Atomkraft
Die Klimakrise ist eine Überlebensfrage für die Menschheit. Dennoch werden
kaum Kohlekraftwerke abgeschaltet.
Angebliche Nachhaltigkeit von Atomkraft: Angst essen Atom auf
Fürs Klima ist Atomenergie besser als Kohle und Gas, okay. Zweifel an ihrer
neu entdeckten Nachhaltigkeit sind dennoch mehr als angebracht.
EU-Entwurf zur Taxonomie: Atomstrom als Religion à la Macron
Energiewende mal anders: Frankreichs Präsident setzt sich vehement für
Meiler ein. Die Bevölkerung ist erstaunlicherweise dafür.
Atompolitik der EU: Streit gehört dazu
EU-Befürworter:innen, die Atomkraft ablehnen, bringt die Idee einer
klimafreundlichen Atomenergie in ein Dilemma. Der Kampf muss weitergehen.
EU-Pläne zu nachhaltiger Energie: Grüne drängen auf Ampel-Veto
Die Grünen wollen auf Änderungen der EU-Pläne zur Einstufung der Atomkraft
dringen. Die AfD begrüßt Vorstoß der EU-Kommission.
EU-Einstufung von Atomkraft und Erdgas: Russisch-europäisches Roulette
Die EU-Kommission betreibt ein Glücksspiel. Berlin und Paris schieben sich
gegenseitig die Bälle zu. Paris setzt auf Kernenergie, Berlin auf Erdgas.
Kritik aus Berlin und Wien: Europa streitet um Atomkraft
Die EU-Kommission will Atomkraft und – mit Abstrichen – Erdgas als
klimafreundlich einstufen. Dagegen wehren sich Deutschland und Österreich.
Renaissance der AKWs?: Atomkraft? Nein danke!
Viele glauben, dass uns nur Atomkraft vor dem Klimakollaps retten kann. Das
ist Unfug. Atommeiler sind unsicher und zu teuer.
Brokdorf wird zum Jahresende abgeschaltet: Das Licht geht aus
425 Mahnwachen in 36 Jahren. Am Nikolaustag gab es die letzte. Die
Demonstranten feierten, dass das AKW Brokdorf nun vom Netz genommen wird.
Niederlandes angehende Regierung: Neue Koalition will mehr Atomkraft
Die neue Koalition in Den Haag gibt sich sozial, will mehr Klimaschutz,
mehr Mindestlohn, mehr Wohnungen. Bei der Energie macht sie eine heftige
Wende.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.