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# taz.de -- Rechtsextreme Polizei-Chats in Osnabrück: Immer wieder Einzelfälle
> Die Polizeidirektion Osnabrück hat Probleme mit rechtsextremen Äußerungen
> einiger Beamter. Die strafrechtlichen Ermittlungen wurden eingestellt.
Bild: Einzelfälle oder strukturelles Problem? Die Frage stellt sich nicht nur …
Osnabrück taz | Seit Herbst 2020 krankt die Polizeidirektion Osnabrück an
[1][sechs Verdachtsfällen auf „rechtsextreme Gesinnung“] in den eigenen
Reihen. Vier aktive und ein ehemaliger Polizeibeamter gerieten ins Visier
der Ermittler, dazu ein aktiver Verwaltungsbeamter. Der Auslöser war eher
ein Zufall: Gegen einen der Polizisten lief ein Strafverfahren wegen des
Verrats von Dienstgeheimnissen.
Mobiltelefone und Speichermedien wurden sichergestellt, PCs und Tablets.
Man habe „über eine Million Inhalte“ bewertet, sagt Marco Ellermann,
Sprecher der Polizeidirektion Osnabrück, „überwiegend Bilder, aber auch
Videos, Audios und Textinhalte, sowohl strafrechtlich als auch
dienstrechtlich“. Die Funde waren keine Einzelfälle: „Am Ende blieben
mehrere Hundert Bilder und Videos mit verdächtigen Inhalten“, sagt
Ellermann.
„Verstörende und indiskutable Bilder“ seien gefunden worden, „die teilwe…
das Dritte Reich oder das Führerprinzip verherrlichen bzw.
verfassungsfeindliche Symbole darstellen und darüber hinaus auch teilweise
fremdenfeindliche Darstellungen zeigen“. Die Kommunikation reiche teils
Jahre zurück.
Juristisch also eine klare Sache? Nein. Mitte letzter Woche stand fest: Die
Staatsanwaltschaft Osnabrück sah darin kein strafrechtlich relevantes
Verhalten. Alle sechs Ermittlungen sind nun eingestellt. „Es lag offenbar
keine Verbreitung des Materials vor“, sagt Oberstaatsanwalt Alexander
Retemeyer, Sprecher der Staatsanwaltschaft. Er bezieht sich auf Paragraf 86
Strafgesetzbuch, der sich mit dem Verbreiten von Propagandamitteln und
Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen befasst.
Unter Strafe steht hier lediglich, Material zu verbreiten und der
Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Aber was heißt das genau: verbreiten? Die betroffenen Beamten hätten sich
die Bilder und Videos „über einen Messenger im Rahmen der
Eins-zu-eins-Kommunikation zugesandt“, sagt Polizeisprecher Ellermann. Eine
gemeinsame Chatgruppe, ein gemeinsames Netzwerk, habe es nicht gegeben.
Neben den strafrechtlichen Ermittlungen wurden auch die dienstrechtlichen
Verfahren gegen einen Verwaltungsbeamten und einen Pensionär eingestellt.
Einer der Polizisten ist aus seiner Suspendierung in den Dienst
zurückgekehrt.
## Unabhängige Melde- und Ermittlungsstelle gefordert
Ganz vorbei ist die Sache aber noch nicht. Gegen drei aktive Polizeibeamte
wird weiterhin dienstrechtlich ermittelt. „Ihnen wird vorgeworfen, unter
anderem gegen die Verfassungstreuepflicht verstoßen zu haben“, sagt
Ellermann. Mögliche Sanktionen reichen von der Kürzung der Bezüge bis zur
Entfernung aus dem Dienst. Man nehme das Thema „sehr ernst“, so Ellermann,
und habe „lückenlose Aufklärung“ betrieben: „Generell sind wir sehr akt…
um extremistischen Tendenzen in den eigenen Reihen vorzubeugen und
entsprechende Gesinnungsansätze frühzeitig zu erkennen.“
„Die Verfassungstreue ist ein unverzichtbarer Grundsatz“, sagt Michael
Maßmann, Präsident der Polizeidirektion Osnabrück. „Demokratiekompetenz ist
das Fundament unserer Arbeit.“ Man habe sich „ein genaues Bild verschafft“
und könne sagen, „dass es sich nicht um strukturelle Auffälligkeiten,
sondern um Einzelfälle handelt“.
Heidi Reichinnek, Osnabrücker Bundestagsabgeordnete der Linken, ist
skeptisch – und sagt gegenüber der taz sarkastisch: „[2][Einzelfälle!] Da…
muss man sich ja keine Sorgen machen. Gerade, da bei der niedersächsischen
Polizei gerne mal Waffen verloren gehen, ist das sehr beruhigend.“
Reichinnek fände es falsch, die Diskussion jetzt abzuschließen: „Wenn nicht
endlich Rechtsextremismus in der Polizei als strukturelles Problem erkannt
und bekämpft wird, kostet das Menschenleben!“ Sie fordert eine unabhängige
Melde- und Ermittlungsstelle.
Auch Volker Bajus, Osnabrücker Landtagsabgeordneter der Grünen, kritisiert
die Einstellung der Verfahren. „Das vorzeitige Ende der strafrechtlichen
Ermittlungen war schwer nachzuvollziehen. Warum das digitale Versenden
rechtsextremer und rassistischer Inhalte kein strafbares 'Verbreiten’ sein
soll, erschließt sich mir nicht.“ Gerade wer für sich das staatliche
Gewaltmonopol in Anspruch nehme, müsse auch „erster Verteidiger der
Demokratie“ sein. „Ich befürchte, dieser Fall zeigt, dass es an dieser
Sensibilität weiterhin mangelt“, sagt Bajus. „Polizeidirektion und
Innenministerium müssen nun zeigen, welche Konsequenzen sie aus den
Vorfällen ziehen.“
26 Oct 2021
## LINKS
[1] /Rechtsextremismus-bei-der-Polizei/!5769258
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## AUTOREN
Harff-Peter Schönherr
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