| # taz.de -- Liegestütze auf dem Berliner Holocaust-Mahnmal: Mehr Nachhilfe fü… | |
| > Im Vergleich zu rechtsextremen Chatgruppen sind Turnübungen eher ein | |
| > Miniskandal. Warum die Polizei die Kritik trotzdem ernst nehmen sollte. | |
| Bild: Zu unkritisch bei eigenem Fehlverhalten: die Berliner Polizei und das Hol… | |
| Schon als Kind wird einem beigebracht, wie man sich an gewissen Orten zu | |
| verhalten hat. In einer Kirche zieht man die Mütze ab, im Tempel oder | |
| Moschee die Schuhe aus. Und auf einem Denkmal, das an die Ermordung von | |
| sechs Millionen Jüdinnen:Juden erinnert, wird nicht gewitzelt oder | |
| herum gerannt – so jedenfalls der unausgesprochene Konsens. | |
| Auf der [1][Webseite] des „Denkmals für die ermordeten Juden Europas“, auch | |
| bekannt unter „Holocaust-Mahnmal“, werden Regeln und bevorzugtes Verhalten | |
| aufgelistet. Insbesondere nicht gestattet sind das Herumspringen von Stele | |
| zu Stele, Rauchen, Essen oder Genießen von alkoholischen Getränken und das | |
| Lärmen. Außerdem sind laute Gespräche und andere auffällige | |
| Verhaltensweisen nicht erwünscht. Wer also als Touri nichtsahnend auf der | |
| Denkmalfläche Fangen spielt und herumrennt, wird von patrouillierenden | |
| Polizeibeamt:innen gemaßregelt. Zurecht. | |
| Nun wurden allerdings Anfang der ersten Novemberwoche [2][Videoaufnahmen | |
| geleaked], auf denen insgesamt vier uniformierte Beamte zu sehen sind, die | |
| bei helllichtem Tag Liegestütze auf den Stelen ausführen. Dabei ist neben | |
| deren Sticheleien und Gegacker auch der vermeintlich ironisch gemeinte Satz | |
| „Sofort online gestellt“ zu hören, was impliziert, dass den Beamten die | |
| Geschmacklosigkeit ihrer Handlung durchaus bewusst ist. | |
| Jetzt könnte man den Vorfall mit einem Seufzer begnadigen und sich weitaus | |
| schlimmeren Polizei-Affären widmen wie der [3][Weitergabe von Privatdaten], | |
| [4][berlinweiten Stalking-Aktionen] oder der [5][Aufdeckung der X-ten | |
| rechtsextremen Chatgruppe]. Ein paar Liegestütze während der Dienstzeit | |
| wirken dagegen wie ein Witz und keiner Meldung wert, zumal die | |
| Mahnmal-Webseite Muskeltraining auf der Gedenkfläche nicht explizit | |
| verbietet. | |
| ## Einfühlungsvermögen inexistent | |
| Wenn man allerdings bedenkt, wie viel Kritik die Polizei in der | |
| Vergangenheit für ihren Umgang mit jüdischem Leben einstecken musste, ist | |
| das erneute Fehlverhalten der Polizei auf einem Denkmal, das an die | |
| Ermordung von Jüdinnen:Juden erinnert, ein trauriges Armutszeugnis. | |
| Am Tag des Attentats auf die Synagoge und dem „Kiezdöner“ in Halle im Jahr | |
| 2019 habe es laut Zeugenaussagen neben fehlendem Polizeischutz vor der | |
| Synagoge auch an [6][Empathie seitens der Polizei gemangelt]. Ferner hätten | |
| diese nicht gewusst, warum sich so viele Menschen am höchsten Feiertag, dem | |
| Jom Kippur, in der Synagoge aufgehalten haben, und ihnen die Mitnahme vom | |
| koscheren Essen untersagt. Ein Jahr später, Anfang Oktober 2020, wurde in | |
| Hamburg ein jüdischer Student vor einer Synagoge attackiert – die Polizei | |
| wies indes [7][Vorwürfe des mangelhaften Schutzes zurück]. | |
| Ein Vorfall von Fehlverhalten oder Rücksichtslosigkeit kann eventuell noch | |
| als Einzelfall bewertet und nachgesehen werden. Nicht aber, wenn der | |
| „Einzelfall“ zu Verletzungen oder gar Todesfällen führt. Das Verhalten der | |
| deutschen Polizei in den vergangenen Jahren erzeugt nicht den Eindruck von | |
| missglückten Einzelfällen, sondern eher das einer allgemeinen | |
| Gleichgültigkeit gegenüber jüdischem Leben. | |
| Und auch, wenn es sich bei den paar Liegestützen um kein dramatisches | |
| Ereignis handelt – der Vorfall hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack. | |
| Einerseits, weil Vorgesetzte von dem Vorfall gewusst und nicht reagiert | |
| haben sollen. Andererseits, weil es innerhalb der Polizei Berlin einen | |
| [8][Antisemitismusbeauftragten] gibt, der dafür sorgen soll, dass sich die | |
| Beamten [9][kritisch mit sich selbst] auseinandersetzen und für das | |
| jüdische Leben sensibilisiert werden sollen. Neben Nachholbedarf in | |
| politischer Bildung, wie es die Polizeigewerkschaft fordert, sollte den | |
| Herren auch dringend Respekt beigebracht werden. | |
| 6 Nov 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.stiftung-denkmal.de/denkmaeler/denkmal-fuer-die-ermordeten-jude… | |
| [2] /Liegestuetze-der-Polizei-am-Mahnmal/!5809015 | |
| [3] /Polizei-gibt-persoenliche-Daten-weiter/!5799055 | |
| [4] https://ze.tt/polizei-sucht-auf-instagram-nach-einer-frau-in-die-sich-ein-k… | |
| [5] /Rechtsextreme-Polizei-Chats-in-Osnabrueck/!5810336 | |
| [6] /Verhalten-der-Polizei-bei-Halle-Anschlag/!5787440 | |
| [7] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-10/hamburger-synagoge-angriff-… | |
| [8] https://www.berlin.de/polizei/aufgaben/antisemitismusbeauftragte-r/ | |
| [9] https://www.berlin.de/polizei/aufgaben/praevention/juedisches-leben-und-pol… | |
| ## AUTOREN | |
| Shoko Bethke | |
| ## TAGS | |
| Polizei Berlin | |
| Holocaust-Mahnmal | |
| Polizei Hamburg | |
| Polizei Berlin | |
| Polizeigewalt | |
| Polizei Niedersachsen | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Hamburger Prozess um „Schülerlotsen“: Zu Recht beleidigt? | |
| Weil er einen Polizisten als „Schülerlotsen“ bezeichnet hatte, ist Ale | |
| Dumbsky wegen Beleidigung angeklagt. Am Dienstag hat der Prozess begonnen. | |
| Liegestütze der Polizei am Mahnmal: Weder Fotospot noch Trainingsplatz | |
| Wenn sich Touris am Holocaust-Mahnmal unverschämt verhalten, greift meist | |
| die Polizei ein. Bei eigenen Kolleg:innen ist sie weniger kritisch. | |
| Zeuge von Polizeimaßnahme vor Gericht: Besser gar nicht hinschauen | |
| Werner P. wollte Polizeigewalt bezeugen – jetzt ist der Hamburger wegen | |
| Verleumdung angeklagt. Einmischung in Polizeiaktionen wird so | |
| kriminalisiert. | |
| Rechtsextreme Polizei-Chats in Osnabrück: Immer wieder Einzelfälle | |
| Die Polizeidirektion Osnabrück hat Probleme mit rechtsextremen Äußerungen | |
| einiger Beamter. Die strafrechtlichen Ermittlungen wurden eingestellt. |