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# taz.de -- Rechtsextremismus bei der Polizei: Polizisten im Nazichat
> In der Polizeidirektion Osnabrück laufen derzeit sechs dienstrechtliche
> Ermittlungen wegen Verdachts auf rechtsextreme Gesinnung. Alles
> Einzelfälle?
Bild: Mitunter gleicher Gesinnung: Rechtsextremist und Polizist bei einem Aufma…
Osnabrück taz | Carsten Rose, der Direktor der Polizeiakademie
Niedersachsen, ist ein Optimist. Anlässlich des Bildungsprogramms
„Polizeischutz für die Demokratie“ der Polizei Niedersachsen, Ende 2019
gestartet als „Zeichen für unsere freiheitliche Demokratie, für den
Rechtsstaat und für eine offene und pluralistische Gesellschaft“, sagt er:
„Jede und jeder Einzelne in der Polizei“ stehe zu diesen Werten.
Dass das nicht stimmt, zeigt sich derzeit an der Polizeidirektion
Osnabrück: Wegen des Verdachts auf „rechtsextreme Gesinnung“ laufen gegen
vier aktive Polizeibeamte, einen aktiven Verwaltungsbeamten und einen
pensionierten Polizisten dienstrechtliche Ermittlungen. Sie laufen schon
seit Herbst 2020, und so viel ist auszuwerten, dass bis zu ihrem Ende noch
Wochen vergehen.
Bei Durchsuchungen Ende 2020 im Emsland und in der Grafschaft Bentheim
wurden bei ihnen mehr als 20 technische Geräte sichergestellt, darunter
Mobiltelefone, PCs und Tablets, sowohl private als auch dienstliche, zudem
Speichermedien. „Nach unseren Erkenntnissen waren teilweise mehrere Hundert
Bilder und Videos mit verdächtigen Inhalten unter den Betroffenen
verschickt worden“, sagt Marco Ellermann, Sprecher der Polizeidirektion
Osnabrück, auf taz-Anfrage. Darunter seien „verstörende und indiskutable
Bilder, die teilweise das Dritte Reich oder das Führerprinzip
verherrlichen“. Verfassungsfeindliche Symbole seien zu sehen,
Fremdenfeindliches. Messenger kamen zum Einsatz, hauptsächlich Whatsapp.
Drei der Polizisten sind vorläufig suspendiert, ein vierter bereits seit
März 2020, wegen eines anderen Vorwurfs, der Verwaltungsbeamte tut weiter
Dienst. Das Strafverfahren, wegen Volksverhetzung und der Verwendung von
Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, hat die Staatsanwaltschaft
Osnabrück zwar eingestellt – die Dateien fanden keine öffentliche
Verbreitung –, aber intern werde „auf Hochtouren“ weiterermittelt, sagt
Ellermann. Im äußersten Fall droht eine Beendigung des Dienstverhältnisses,
eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.
„Die Vorfälle müssen schnell und lückenlos aufgearbeitet werden“, sagt
Polizeipräsident Michael Maßmann. „Falls sich der Verdacht bestätigt,
werden wir konsequent und mit der notwendigen Härte handeln. Ich sage klipp
und klar: Beamte, die durch ihr Gedankengut und ihre Handlungen den
obersten Grundwerten unserer Demokratie widersprechen, haben in der Polizei
nichts verloren.“
Die sechs Fälle schaden dem Ruf der Direktion massiv. Sie tut viel zur
Stärkung der demokratischen Resilienz, nicht zuletzt durch die wegweisende
Arbeit ihrer Dialogbeauftragten Sabina Ide. Aber das ist offenbar nicht
genug. Man gehe „von Einzelfällen in der Polizeidirektion Osnabrück aus,
nicht von strukturellen Problemen“, sagt Ellermann. Er sagt es faktisch,
nicht abwiegelnd.
Einzelfälle? Mag sein, hier. Aber: „Dass es keine Einzelfälle sind, wenn
PolizistInnen rassistisches Gedankengut verbreiten und auch entsprechend
handeln, sollten langsam alle begriffen haben“, sagt Heidi Reichinnek,
Landesvorsitzende der Linken in Niedersachsen. „Umso unverständlicher ist
es, dass eine umfassende Studie zu Rassismus in der Polizei weiter auf sich
warten lässt. Demokratiefeindlichkeit lässt sich nicht aussitzen und kann
bei der Polizei tödlich sein!“
PolizistInnen in solchen Fällen gegen PolizistInnen ermitteln zu lassen, in
der Hoffnung auf Sachneutralität, findet Reichinnek problematisch. Sie
fordert eine unabhängige Meldestelle. „Die würde auch den vielen bei der
Polizei den Rücken stärken, die keine rassistischen Einstellungen haben. An
dieser Stelle schauen wir ganz klar auf Innenminister Pistorius, der ‚die
Antifa‘ verbieten will, aber sich hier entspannt zurücklehnt.“
„Da darf nichts unter den Tisch gekehrt werden“, sagt Filiz Polat,
Bundestagsabgeordnete aus Bramsche bei Osnabrück und Obfrau im
Innenausschuss für die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen. „Die Verbreitung
von rechtsextremen Inhalten, ob intern oder öffentlich, stellt eine ganz
klare Grenzüberschreitung dar und muss mit aller Härte und Konsequenz
verfolgt werden.“ Wer das Gewaltmonopol des Staates ausübe, müsse „mit
aller Festigkeit auf dem Boden des Grundgesetzes stehen“.
Wenn die Polizei ein Spiegelbild der Gesellschaft sei, gebe es auch in der
Polizei Fehlverhalten, so Polat. Folglich sei davon ausgehen, „dass es auch
in der Polizei einen gewissen Prozentsatz gibt, der rechtsextreme und
rassistische Einstellungen teilt.“
## 23 Verdachtsfälle von 2015 bis Mitte 2020
23 Verdachtsfälle „rechtslastigen Verhaltens“ rechnet Svenja Mischel,
Sprecherin des Niedersächsischen Innenministeriums, für 2015 bis Mitte 2020
vor. 21 Disziplinar- und arbeitsrechtliche Verfahren waren die Folge.
Manches führte zu Geldbußen, zu Verboten der Führung der Dienstgeschäfte,
zur Abmahnung, zur Kündigung, manches erhärtete sich nicht. In 14 der Fälle
kam es zudem zu Strafverfahren. Zwei endeten mit einer Geldstrafe, eines
mit einem Täter-Opfer-Ausgleich, die meisten der Verfahren wurden
eingestellt, mangels hinreichenden Tatverdachts.
Zu den sechs Osnabrücker Fällen hält sich das Ministerium bedeckt. Noch sei
keine abschließende Beurteilung möglich. Und dann zählt Mischel auf, was
Niedersachsens Polizei alles zur „Stärkung der Demokratiefähigkeit“ tut,
von der „Polizei Niedersachsen Strategie 2027“ bis zu Roses „Polizeischutz
für die Demokratie“.
Viele gute Programme, zum Schutz der Demokratie. Man gehe „mit aller
Konsequenz gegen jegliche Anzeichen rechtsextremer und rassistischer
Gesinnung vor“, sagt Boris Pistorius, Niedersachsens Innenminister. Aber
vielleicht braucht die Demokratie zuweilen Polizeischutz vor Polizisten?
4 May 2021
## AUTOREN
Harff-Peter Schönherr
## TAGS
Rechtsextremismus
Polizei Niedersachsen
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Niedersachsen
Boris Pistorius
Hannover
Polizei Niedersachsen
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Polizei Berlin
Rechtsextremismus
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