# taz.de -- Steuertransparenz in der EU: Härtere Regeln für Unternehmen | |
> Amazon, Google und Co. müssen ihre Steuerzahlungen in den 27 EU-Ländern | |
> nun offenlegen. Fünf Jahre wurde um diese Transparenz gerungen. | |
Bild: Gewinne großer Konzerne werden oft über Tochterfirmen in Steueroasen ei… | |
BRÜSSEL taz | Die EU spricht von einem Durchbruch: Nach fünf Jahre | |
andauernden, zähen Verhandlungen haben sich Vertreter der EU-Staaten und | |
des Europaparlaments [1][auf mehr Steuertransparenz für große Konzerne] | |
geeinigt. Die neuen Regeln sollen Firmen wie Amazon, Google oder Siemens | |
zwingen, ihre Steuerzahlungen in den 27 EU-Ländern offenzulegen. | |
Das sogenannte [2][„Country-by-Country Reporting“] gilt für multinationale | |
Konzerne mit mehr als 750 Millionen Euro Umsatz. Sie sollen ihre | |
Nettoumsätze, den Gewinn oder Verlust vor Steuern und die tatsächlich | |
gezahlten Ertragssteuern veröffentlichen. Auch die Zahl der Mitarbeiter und | |
die Tochterfirmen sollen offengelegt werden. | |
Bisher verstecken viele Multis ihre Geschäfte vor den europäischen | |
Steuerbehörden. Die Gewinne fallen in Tochterfirmen an, die in Steueroasen | |
angesiedelt werden, wo niedrige Sätze gelten. In den EU-Staaten hingegen | |
melden sie Verluste. Auch EU-Länder wie Luxemburg, Malta oder die | |
Niederlande sind an der Steuervermeidung beteiligt. | |
Auf diese Weise gingen den EU-Staaten jährlich mehr als 50 Milliarden Euro | |
verloren, erklärt der portugiesische Wirtschaftsminister Pedro Siza Vieira, | |
der derzeit den EU-Ratsvorsitz führt. „Es ist unsere Pflicht | |
sicherzustellen, dass alle Akteure ihren fairen Anteil zur wirtschaftlichen | |
Erholung beitragen.“ | |
## Portugal trickste | |
Um die Einigung zu erreichen, griff der portugiesische Vorsitz zu einem | |
Trick. Wie von der EU-Kommission vorgeschlagen, wird die neue Richtlinie | |
nicht als Steuergesetz präsentiert, sondern als Harmonisierung des | |
Gesellschaftsrechts für den Binnenmarkt. Somit reicht eine qualifizierte | |
Mehrheit der EU-Staaten für eine Beschluss. | |
Bisher scheiterten faire und transparente Steuergesetze in der EU | |
regelmäßig daran, dass dafür die Regel der Einstimmigkeit gilt. Denn | |
Steuerpolitik ist immer noch eine nationale Domäne. Dies machten sich | |
kleine EU-Staaten zunutze, um große Konzerne mit niedrigen Steuersätzen | |
anzulocken. Damit soll nun Schluss sein. | |
Der grüne Europaabgeordnete und Finanzexperte Sven Giegold sprach von einem | |
„Meilenstein für die Steuergerechtigkeit“. Länderbezogene Steuertranspare… | |
sei ein scharfes Schwert gegen Steuervermeidung. Wenn große Unternehmen | |
ihre Gewinne und gezahlten Steuern pro Geschäftsland offenlegen müssen, | |
werde Steuerdumping für alle sichtbar. | |
## Immer noch zu viele Schlupflöcher | |
Kritik kommt dagegen von Transparency International. Der Kompromiss | |
enthalte zu viele Schlupflöcher, kritisieren die unabhängigen | |
Transparenz-Experten. Große Konzerne könnten weiter Steuerdumping und | |
-vermeidung betreiben – wenn nicht in der EU, dann eben in Steueroasen | |
außerhalb Europas. Ähnlich äußerte sich [3][Oxfam]. | |
Allerdings gibt es auch internationale Bemühungen um mehr | |
Steuergerechtigkeit. So werben die USA im Industrieländerclub OECD für eine | |
globale Mindeststeuer für Konzerne. Der Steuersatz soll bei 15 Prozent | |
liegen, zunächst waren sogar 25 Prozent im Gespräch. Die meisten EU-Länder | |
unterstützen diesen Vorstoß. | |
Doch Irland stellt sich quer – es will an seinem Billigtarif von 12,5 | |
Prozent festhalten, von dem auch Amazon und Google profitieren. Die EU wird | |
also noch einige Überzeugungsarbeit leisten müssen, bevor es bei den | |
Unternehmenssteuern endlich gerechter zugeht. Die größten Sünder sitzen in | |
den eigenen europäischen Reihen. | |
2 Jun 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Unternehmensbesteuerung-in-der-EU/!5767670 | |
[2] /Nicht-mehr-ueber-EU-Landesgrenzen-hinaus/!5752249 | |
[3] /Pariser-Gericht-ruegt-Klimapolitik/!5749144 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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