| # taz.de -- Gerechte Verteilung von Wohnraum: Wohnung zum Tauschen gesucht | |
| > Soziale Spaltung, Wohnungsknappheit, Klimawandel: Es gibt Gründe, warum | |
| > Wohnraum gerechter verteilt werden muss. Kann Wohnungstausch | |
| > funktionieren? | |
| Bild: Begehrtes Objekt: Altbau in Hamburg | |
| Bremen taz | Wenn die Kinder aus dem Haus sind und vielleicht auch noch | |
| der*die Partner*in stirbt, wird es in einer großen Immobilie ganz | |
| schnell einsam. Und auch oft zu teuer – oder nicht altersgerecht, wenn sich | |
| viele Stockwerke nach oben erstrecken. Von dieser Weite träumen andere, die | |
| ihre Kinder in diesem Moment großziehen, dies bald tun wollen oder in einer | |
| Wohnform der Gemeinschaft leben möchten. Sie verzweifeln bisweilen bei der | |
| Suche, weil der passende Wohnraum in der Stadt oft besetzt ist. | |
| Das Problem der großzügigen Alters- und durchaus auch Single-Residenzen | |
| wurde inzwischen erkannt, auch in der Politik. Es ist nicht das einzige | |
| Problem auf dem Wohnungsmarkt: Ohnehin knapper Wohnraum und steigende | |
| Mieten sind ebenso problematisch. Aber es ist eines, auf die eine Antwort | |
| leicht scheint: Wohnungstauschbörsen sind eine naheliegende Lösung. Oft | |
| scheitert ein Tausch jedoch schon an der Vermittlung; trotz diverser | |
| Vorstöße konnte sich noch keine Börse wirklich etablieren. | |
| Das Wohnungstausch Potenzial hat, zeigt eine [1][Studie des Kölner | |
| Immobilien-Unternehmens Pantera] aus dem vergangenen Jahr: Demnach wäre | |
| über die Hälfte der Deutschen bereit, im Alter in eine kleinere Wohnung zu | |
| ziehen. In Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen ist die Bereitschaft dazu | |
| besonders hoch. Stress machen nur die Babyboomer, die gleichzeitig die | |
| nächste Rentner*innengeneration sind. Manche stehen eben auf | |
| Überfluss. | |
| Dank derer, die bereit sind, aus ihren großen Wohnungen auszuziehen, könnte | |
| bereits bestehender Wohnraum viel effizienter genutzt werden; mehr soziale | |
| Gerechtigkeit und weniger klimaschädliche Neubauten aus Beton wären | |
| gewonnen. Eine „sozialverträgliche Neuverteilung von Wohnraum“ haben in | |
| Bremen kürzlich die Landesverbände von [2][BUND und Paritätischem | |
| gefordert], denn Wohnpolitik ist eben gleichermaßen eine ökologische wie | |
| soziale Frage. | |
| ## Verbundenheit mit dem Quartier | |
| Als Maßnahmen schlugen die Verbände die Förderung von Untervermietung und | |
| Umzugshilfen vor. Ein „sehr sinnvolle und zugleich sehr anspruchsvolle | |
| Forderung“ sei dies, sagt Robert Bücking, wohnungspolitischer Sprecher der | |
| Bremer Grünen. Ein Problem sei, dass gerade ältere Menschen ungern umziehen | |
| und auf jeden Fall in ihrem Quartier bleiben wollen. Und da fehle es oft an | |
| entsprechend kleineren und vor allem bezahlbaren Wohneinheiten. | |
| Lock-in-Effekt heißt das, wenn Mieter*innen buchstäblich in ihre Wohnung | |
| festsitzen. | |
| Seit Jahren versuche man, Bewohner*innen von Altbremer Häusern dazu zu | |
| bringen, in ihrem Obergeschoss junge Menschen einziehen zu lassen, sagt | |
| Bücking – eventuell gegen Hilfe im Haushalt. „Das ist bisher nur bescheiden | |
| erfolgreich.“ Der Grünen-Politiker hatte zudem die Idee, aus Mitteln für | |
| den sozialen Wohnungsbau Einliegerwohnungen zu fördern. Raum würde dadurch | |
| nicht nur effizienter genutzt, auch die soziale Integration würde | |
| gefördert. „Das fiel unserer Behörde aber wahnsinnig schwer“, sagt Bücki… | |
| Die vielen Kund*innen seien auf die ganze Stadt verteilt gewesen. Das sei | |
| schwer zu administrieren. | |
| Dass es so viele Akteur*innen auf dem Wohnungsmarkt gibt, stellt auch | |
| Projekte wie die Hamburger Tauschbörse des städtischen Wohnungsunternehmens | |
| Saga vor ein Hindernis: Denn wie finden sich zwei Parteien, die nichts | |
| voneinander wissen und deren Hausverwaltungen nicht miteinander sprechen? | |
| Eine Tauschbörse wie in Hamburg gebe es in Bremen nicht, sagt Bücking. Aber | |
| auch in Hamburg sei ihre Wirkung „bescheiden“. BUND und Paritätischer | |
| hätten mit ihrer Beobachtung, dass der Markt nicht anpassungsfähig genug | |
| ist, „total recht“. Bücking: „Nur Antworten darauf zu finden, ist ein ec… | |
| dickes Brett.“ | |
| Umzugshilfen befürwortet auch Falk Wagner, wohnungspolitischer Sprecher der | |
| Bremer SPD. Aber: „Neubau brauchen wir trotzdem.“ Und ein Stück weit sei | |
| die Entwicklung, dass Menschen mehr Raum bewohnen als früher, auch | |
| „sozialer Fortschritt“. Nur „exzessiv“ dürfe eine Wohnsituation nicht | |
| werden – das sei etwa bei Penthouses für Singles der Fall. | |
| ## Angst vor der Pflicht zum Wohnungstausch | |
| In einem Papier hatten die Bremer Grünen Mitte vergangenen Jahres | |
| vorgeschlagen, dass Bremer*innen nach dem Auszug ihrer Kinder [3][mit | |
| jungen Familien die Wohnung tauschen] könnten – und stießen damit sogar bei | |
| der SPD auf Widerstand. Es gab bei den Sozialdemokraten wohl die Angst, | |
| dass der Wohnungstausch verpflichtend werden könnte – dabei, so die | |
| Grünen-Fraktion, gehe es natürlich nur um freiwillige Umzüge. | |
| In dem Papier bezogen sich die Grünen auf eine Umfrage, nach der fast zwei | |
| Drittel der älteren Bremer*innen bereit seien, in kleinere Wohnungen | |
| umzuziehen – damit würden laut Erhebung 800.000 Quadratmeter Wohnraum frei. | |
| In Hamburg und auf Bundesebene waren die Grünen Ende 2019 mit einer | |
| ähnlichen Idee noch weiter gegangen und forderten ein Recht auf | |
| Wohnungstausch, sofern der Vermieter derselbe ist. Innerhalb einer | |
| Wohnungsgesellschaft sollten Wechsel ermöglicht werden – und zwar ohne | |
| steigende Kosten. | |
| Ein relevanter Punkt, denn schwierig zu etablieren ist das Tauschen nicht | |
| nur, weil sich Pärchen erst einmal finden müssen – sondern auch, weil | |
| Umzüge oft genutzt werden, um klammheimlich die Mieten zu erhöhen. In | |
| diesem Fall hat eine junge Familie von dem Deal wenig. Und auch die andere | |
| Partei leidet unter der Mietpreisentwicklung, wenn die neue Wohnung zwar | |
| kleiner, aber genauso teuer ist wie die jetzige | |
| So oder so muss ein bundesweiter Mietendeckel her, und Bauen sollten | |
| sowieso nur noch Genossenschaften, die den Vorteil haben, dass sie | |
| Mieter*innen mit unterschiedlichen Bedürfnissen vermitteln können. | |
| Noch scheitert die Idee eines Wohnungstausches am politischen Willen. Aber | |
| so lange die Probleme bleiben, dürfte der Druck auf | |
| Entscheidungsträger*innen eher wachsen. | |
| Mehr über Wohnungstausch und Wohnraumknappheit lesen Sie im aktuellen | |
| Wochenendschwerpunkt der taz nord oder [4][am E-Kiosk.] | |
| 4 Jun 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.pantera.de/koeln-pantera-veroeffentlicht-studie-neues-wohnen-20… | |
| [2] /Wohnpolitische-Debatte-in-Bremen/!5771363 | |
| [3] https://www.gruene-fraktion-bremen.de/positionspapiere/wohnungspolitik-in-z… | |
| [4] /Kiosk-fuer-die-Couch/!114771/ | |
| ## AUTOREN | |
| Alina Götz | |
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