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# taz.de -- Fotografien von Fred Stein in Berlin: Who’s who der künstlerisch…
> Im Exil in Paris wurde aus dem angehenden Juristen Fred Stein ein
> Fotograf. Das Deutsche Historische Museum in Berlin zeigt seine Porträts.
Bild: Fred Stein: Ernst Johannsen, Bodo Uhse und Alfred Kantorowicz, Paris, 1935
Die Blondine im Hahnentrittjackett, die von ihrer Suppenschüssel aufblickt
und den Fotografen, der sie aufnimmt, direkt fixiert, sie ist eine
hinreißende Erscheinung. Und so, wie er sie mit ihrem ebenso neugierigen
wie ernsthaften Blick festgehalten hat, wundert es nicht, dass der Fotograf
für seine Porträts berühmt wurde.
Freilich nicht für die von etwa sechsjährigen kleinen Mädchen in Paris, wie
sie eines war, sondern von bekannten bis weltberühmten Erwachsenen.
Insofern hat Fred Stein, wie der Fotograf heißt, nur wenige hinreißende
Blondinen fotografiert, dafür aber reihenweise bedeutende Männer.
Das hing mit der Zeit zusammen. Alfred, Fred Stein, 1909 als Sohn eines
Rabbiners in Dresden geboren, studierte in Heidelberg Jura und war 1933
schon Referendar. Doch als Jude wurde er aus dem Staatsdienst entlassen
und, da er zudem Mitglied der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands
(SAP) war, entschlossen sich er und seine Frau, nach Paris zu emigrieren,
wo er seine juristische Ausbildung aber nicht fortsetzen konnte. Also
versuchte er sich als Fotograf.
Ein riskantes Unternehmen, denn die Konkurrenz war groß. Paris steckte
schon voller aus Deutschland emigrierter Fotografen wie [1][etwa Gisèle
Freund], die ebenfalls auf Porträts spezialisiert war, oder Joseph
Breitenbach, Gerda Taro, Robert Capa und Chim Seymour. Letztere scheinen
Fred Stein Fotoaufträge und Kontakte vermittelt zu haben, etwa zum
kommunistischen Magazin Regards. Weitere Veröffentlichungen von Fred Stein
finden sich in der illustrierten Wochenzeitung Le Journal Juif.
## Who’s who der intellektuellen Welt
Es versammelten sich aber auch viele aus Deutschland geflohene
Schriftsteller, Musiker, Schauspieler und Journalisten in Paris, die hier
ihre Exilverbände gründeten. Mitglieder aus dem Journalistenverband wie
[2][Arthur Koestler], Hans Marchwitza, [3][Alfred Kantorowicz] oder der
Schriftführer Hellmut von Gerlach ließen sich von Fred Stein porträtieren.
Der Internationale Schriftstellerkongress zur Verteidigung der Kultur 1935
in Paris bot ihm reichlich Gelegenheit, neben französischer Prominenz wie
Henri Barbusse und André Gide auch die Migranten Bertolt Brecht, Lion
Feuchtwanger, Ernst Bloch, Heinrich Mann zu porträtieren.
Diese Fotos zusammen mit denen aus dem Umfeld des Journalistenverbands
bildeten dann den Grundstock einer umfangreichen Sammlung von
Schriftsteller- und Migrantenporträts, die er nach seiner Emigration in die
USA dort systematisch zu einem Who’s who der intellektuellen, literarischen
und künstlerischen Welt erweiterte.
So interessant und fotografisch gelungen diese oft ikonisch gewordenen
Porträts sind und so aufwühlend die politische Geschichte ist, mit der man
sich anhand der Gesichter konfrontiert sieht und der in Vitrinen
ausgelegten Dokumente wie Briefe, amtliche Bescheinigungen, Flyer: Es
fallen unter den rund 160 ausgestellten Fotografien noch weitere visuell
faszinierende Momente auf.
Die Aufnahmen der Stockwerke hoch mit Plakaten beklebten Pariser Hauswand
genauso wie die mit chinesischen Wandzeitungen beklebten Hauswand in New
York oder das großartige Foto vom vielfach gespiegelten Kinoentree sind
sowohl einer wachen Beobachtung als auch einer schnellen, instinktiv
ästhetisch richtigen Reaktion geschuldet. Seit Freitag ist der wirklich
beachtliche Fotograf wiederzuentdecken.
23 Apr 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Brigitte Werneburg
## TAGS
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Fotogeschichte
Schwerpunkt Nationalsozialismus
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