# taz.de -- Debatte in Bremer Klima-Enquete: Privat oder politisch? | |
> Ob die Politik den Konsument*innen vorauseilen muss und ob Essen | |
> eigentlich Privatsache ist, beschäftigte am Freitag die Bremer | |
> Klima-Enquete. | |
Bild: Beim Düngen ist die EU gefragt. Doch Bremen hat anderswo reichlich Spiel | |
BREMEN taz | Viele Menschen wollen zwar mehr Geld für artgerechte | |
Tierhaltung ausgeben oder fair gehandelte Produkte kaufen – aber die | |
wenigsten tun es. Der Bereich des privaten Konsums ist zwar für den | |
Klimaschutz zahlenmäßig nicht so relevant [1][wie etwa die | |
Stahlproduktion]. Aber immerhin sorgt er für knapp 60 Prozent des | |
Bruttoinlandsprodukts. [2][Die Klima-Enquete] misst ihm so viel Bedeutung | |
zu, dass sie sich in ihrer [3][ersten Sitzung im neuen Jahr] damit | |
befasste. | |
Das Thema ist kompliziert: Es geht nicht bloß um Emissionen, sondern auch | |
um Tierwohl, Gesundheit und Arbeitsbedingungen entlang der | |
Wertschöpfungsketten. Aber wo es um [4][Gewohnheiten, Status, Lebensstil] | |
oder Kultur geht, reichen pragmatische Kosten-Nutzen-Abwägungen nicht. | |
Allen voran das Thema Ernährung ruft emotionale und politische | |
Grundsatzdebatten hervor. So auch am Freitag. | |
Darüber freute sich Enquete-Experte Felix Matthes vom Öko-Institut gar | |
nicht. Eine „holzschnittartige Diskussion“ hätten sich einige geliefert. | |
Dabei sei es wichtiger, zu überlegen, was Konsument*innen leisten könnten | |
und auch müssten – „jenseits moralischer Fragen“. Und auch, wie ein Mix | |
politischer Instrumente aussehen könnte, mit der das Konsumverhalten der | |
Menschen verändert werden kann. | |
Ein Ausgangspunkt der Debatte war der Vortrag von Umweltwissenschaftler | |
Michael Kopatz vom Wuppertal Institut, der an das Problem anschloss, dass | |
wir Menschen ja wollen, aber irgendwie nicht machen. Man sei „individuell | |
überfordert“, sagte Kopatz. Jetzt müsse die Politik Rahmenbedingungen | |
schaffen, die Menschen dazu ermächtigen, sich nachhaltiger zu verhalten. | |
Aktuell „motivieren unsere Strukturen zur Verschwendung“. | |
„Veggie Day?! Einfach machen“, steht auf einer von Kopatz’ Vortragsfolien, | |
„am besten, ohne groß drüber zu reden“, ergänzt er. Vieles lasse sich ü… | |
Anreize regeln: pünktliche Busse auf separaten Spuren, breite Radwege, | |
autofreier Sonntag, Grünflächen. Und für vieles gelte: einfach sein lassen, | |
wie etwa den Bau von Logistikzentren, Parkplätzen, Auto- oder Landebahnen. | |
Bremen dürfe „unter keinen Umständen den Flughafen ausbauen oder | |
unterstützen, wenn er sich wirtschaftlich nicht trägt.“ | |
Zudem sollten die Bauämter bereits bestehende Regeln zu Sanierungen besser | |
kontrollieren und sanktionieren. Und bei jeder neuen Baufläche müsse man | |
sich fragen, wie man die Bedarfe derjenigen decken kann, die sich | |
verkleinern wollen. | |
„Auf wie vielen Quadratmetern wohnen Sie eigentlich?“, fragte der | |
Abgeordnete Jens Eckhoff (CDU) Kopatz nach seinem Vortrag und fügte hinzu: | |
„Ein Großteil der Ansätze werde nicht dazu führen, dass sich die Situation | |
verbessert, sondern eher verschlechtert.“ Man erreiche die Menschen nicht, | |
wenn man „permanent den moralischen Zeigefinger“ hebe, ihnen vorschreibe, | |
auf wie vielen Quadratmetern sie zu wohnen haben oder wie oft sie Fleisch | |
essen dürfen. | |
„Ich muss mich wohl völlig falsch ausgedrückt haben“, entgegnete Kopatz, … | |
habe nie von Verboten gesprochen. Es gehe nur um Anreize im Rahmen der | |
Marktwirtschaft. Das sei doch politischer Alltag. So wie die CO2-Steuer, | |
die auch von der CDU auf Bundesebene mit auf den Weg gebracht wurde. „Ich | |
spreche mit sehr vielen CDU-Politikern, wir sind in vielen Punkten einer | |
Meinung“, sagt er. | |
„Dann sollten Sie an der einen oder anderen Stelle an Ihrem Vortrag | |
arbeiten“, so Eckhoff, „es liegt wohl nicht an meiner minderbemittelten | |
Aufnahmefähigkeit, dass ich da nicht das CDU-Grundsatzprogramm erkenne.“ | |
Sigrid Grönert, Eckhoffs Fraktionskollegin, sprang ihm bei: „Es ist doch | |
nicht so, dass wenn wir Flug- und Autobahn nicht bauen, weniger Leute | |
fliegen oder fahren.“ | |
Beim Straßenbau, entgegnete Kopatz, sei es schon bewiesen, dass der Verkehr | |
mit jeder existierenden Strecke zunehme. Für Bremen sei dies besonders für | |
Strecken für Pendler*innen relevant. | |
Als der Abgeordnete Philipp Bruck (Grüne) am Ende der Sitzung vorschlug, | |
bei der Gemeinschaftsverpflegung im Land auf vegane Ernährung zu setzen – | |
es gehe dabei „in der Regel nur um eine Mahlzeit am Tag, es müssten nicht | |
alle Veganer werden“ –, mahnte Grönert an, „da nicht zu streng vorzugehe… | |
Viele Referent*innen zitierten am Freitag Empfehlungen, nach denen der | |
Fleischkonsum drastisch reduziert und mehr Obst und Gemüse konsumiert | |
werden müsste, vor allem biologisch und regional angebaut. Der Abgeordnete | |
Magnus Buhlert (FDP) betonte in einem seiner Statements, dass Essen dennoch | |
„hochgradig privat“ sei. Bruck widersprach dem deutlich: „Es gibt kaum | |
einen Bereich, der so hohe externe Kosten hat. Es wäre absurd zu sagen, da | |
greifen wir politisch nicht ein.“ | |
Eine der für [5][die Enquete] wichtigsten Fragen war am Freitag, was Bremen | |
eigentlich selbst tun kann. Subventionen für die Landwirtschaft werden auf | |
EU-Ebene verteilt, Steuerpolitik ist meist Bundesangelegenheit. Was bleibt? | |
Verkehrspolitik, Wirtschaftsförderung, Gemeinschaftsverpflegung sind | |
Stellschrauben, die am Freitag immer wieder auftauchten. Wie genau das | |
Querschnittsthema Konsum von der Enquete angegangen wird, muss wohl noch | |
ausdiskutiert werden. | |
18 Jan 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Konversion-des-Bremer-Stahlwerks/!5711339 | |
[2] /Bremer-Enquete-Kommission-Klimaschutz/!5683750 | |
[3] https://sd.bremische-buergerschaft.de/tops/?__=UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZRcQY1NK… | |
[4] /Studie-zu-klimafreundlichem-Verhalten/!5635459 | |
[5] https://www.bremische-buergerschaft.de/index.php?id=enquete-klimaschutz | |
## AUTOREN | |
Alina Götz | |
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