Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Bremer Klima-Enquete über Ernährung: Lecker und gerecht
> Umweltfreundlich essen – wie das geht, darüber hat die Bremer
> Klima-Enquete in ihrer 15.Sitzung diskutiert. Einig war man sich nicht.
Bild: Gemüse zu genießen beugt Erkältungen vor und schützt vor Klimawandel
Bremen taz | Kaum ein Aspekt der Klimadebatte wird so emotional diskutiert
wie Konsum. Schon im Januar stritten sich Mitglieder der Klima-Enquete
darüber, ob die Politik Menschen [1][bei ihrer Ernährung überhaupt
reinreden] dürfe. Als sich die Kommission am Freitag vergangener Woche
traf, stand das Thema erneut auf der Tagesordnung. Diesmal ging es darum,
wie – und vor allem wie pflanzlich – in öffentlichen Kantinen gegessen
werden sollte, damit der Sektor seinen Teil zur Eindämmung des Klimawandels
beitragen kann.
Die Enquete diskutierte dazu zunächst die Empfehlung der deutschen
Gesellschaft für Ernährung (DGE). [2][Die DGE-Standards] sollen
öffentlichen Einrichtungen als Orientierung dienen. In Bremens Kantinen
werden sie aktuell nicht konsequent umgesetzt.
## Diät für den Planeten
Der zweite und – aus Perspektive von Fleischliebhaber*innen – weitaus
strengere Vorschlag kommt von der EAT-Lancet-Kommission, die 2019 die
[3][„Planetary Health Diet“] (PHD) entwickelt hat. Maßgeblich mitgewirkt
hat Marco Springmann von der University of Oxford. „Ohne Veränderungen in
der Ernährungsweise ist es unmöglich, die ernährungsbedingten
Treibhausgasemissionen genügend zu reduzieren, um die planetaren Grenzen
entsprechend des Pariser Klimaabkommens einzuhalten“, sagte Springmann.
Der Sektor ist schließlich für gut ein Drittel der Treibhausgasemissionen
zuständig. Tierhaltung und Futtermittelanbau fressen Land, verbrauchen
Wasser, sorgen für Überdüngung. Schon jetzt schieße man damit über die
Grenzen der Erde hinaus, bis 2050 könnten die Auswirkungen noch einmal um
50 bis 90 Prozent zunehmen, sagte Springmann; das Bevölkerungswachstum
einberechnet.
Der Speiseplan der PHD sei nicht nur klimafreundlicher, sondern auch
gesünder. Wer sich so ernähre, habe weniger Risiko zu erkranken: Bisherige
wissenschaftliche Resultate zeigten, so Springmann, dass eine pflanzliche
Ernährung grundsätzlich besser sei. Obst und Gemüse müsste den größten Te…
der Ernährung ausmachen, auch Hülsenfrüchte sollte es jeden Tag geben.
Rotes Fleisch sei laut PHD-Plan einmal in der Woche vertretbar, Hähnchen
und Fisch je zweimal. Andere tierische Produkte dürften einmal täglich auf
den Tisch. Flexitarisch nennt Springmann diesen Mix. „Auch vegan oder
vegetarisch steht im Einklang mit den Empfehlungen.“
Analysen hätten ergeben, dass diese flexitarische Ernährung die
Treibhausgasemissionen global um 50 Prozent reduzieren würde. In
Deutschland müsste dafür der Konsum von rotem Fleisch bis 2030 um 90
Prozent gesenkt werden. Die vegane PHD-Variante reduzierten die Emissionen
sogar um 80 Prozent – „vor allem durch den Wegfall von Futterpflanzen“.
## DGE-Standards wären global eine Verschlechterung
Die DGE-Standards hingegen, so Springmanns Kritik, würden nur halb so viel
einsparen wie die flexitarische Ernährung der PHD. In Deutschland würde das
die Situation zwar verbessern, aber: „Wenn sich alle so ernähren würden,
wie die DGE es empfiehlt, würden wir die planetaren Grenzen noch stärker
überschreiten, als es jetzt aussieht.“
Sigrid Grönert, sozialpolitische Sprecherin der CDU, fragte dennoch: „Wenn
wir es überhaupt schaffen würden, die DGE-Standards in Kantinen umzusetzen,
wäre das doch ein riesiger Erfolg. Ist es wirklich klug und umsetzbar,
diesen Part zu überspringen?“
Angesichts der globalen Verantwortung sei es „doch recht merkwürdig“,
entgegnete Springmann, „eine Empfehlung auszusprechen, mit der wir über
unsere Ressourcen hinaus leben würden“. So gebe man die Verantwortung
einfach an andere ab. „Und wenn man Empfehlungen macht, sollten die dem
letzten wissenschaftlichen Stand entsprechen.“
Die Politik habe schließlich die Aufgabe, ein Umfeld zu schaffen, in dem es
möglich ist, sich gesund und nachhaltig zu ernähren. „Das ist gerade nicht
so.“ Kosten für Klima und Gesundheit seien nicht abgebildet. „In der
Wirtschaft hieße das: Der Konsument ist nicht genug informiert, um eine
rationale Handlungsentscheidung zu treffen.“ Der Markt versage aktuell, was
man am Klimawandel und dem hohen Anstieg ernährungsbedingter Krankheiten
sehe.
Grönert überzeugte das nicht. „Ich glaube, dass wir im Rahmen der Enquete
nicht gucken sollten, was der ganzen Welt an Standards gut tun würde.“
Länder, in denen es wenig Autos gebe, müssten sich ja auch nicht Tausende
anschaffen, „weil hier alle E-Auto fahren wollen“. Wenn es nach ihr ginge,
könnte Bremen innerhalb von fünf Jahren auf DGE umstellen, und dann
„schrittweise darauf aufbauen“.
## Angst vor Verboten
Philipp Bruck, klima- und tierpolitischer Sprecher der Grünen, reicht das
bei Weitem nicht. „Sollte man in der Gemeinschaftsverpflegung nicht
versuchen auszugleichen, was die Menschen außerhalb davon konsumieren?“
Sonja Pannenbecker von der Verbraucherzentrale ist „radikal“ gegen eine
rein pflanzliche Ernährung, Damit könne man nicht sicherstellen, dass
Kinder ausreichend versorgt würden. Springmann widerspricht: Auch für
Kinder und Jugendliche sei rein pflanzliches Essen das gesündeste.
Auch Magnus Buhlert, in der FDP-Fraktion unter anderem für Klimapolitik
zuständig, machte sich Gedanken um die Nährstoffversorgung der Kinder. Und
um Verbote: „Das ist nicht demokratisch.“ Die Frage sei, was in einer
Demokratie der richtige Weg ist, Menschen dazu zu bringen, ihr Verhalten zu
ändern. Menschen, „die nur sich gefährden“. Nach einer kurzen Pause fügte
er hinzu: „und das Klima“.
17 Jul 2021
## LINKS
[1] /Debatte-in-Bremer-Klima-Enquete/!5741678
[2] https://www.dge.de/gv/dge-qualitaetsstandards/?L=0
[3] https://www.bzfe.de/nachhaltiger-konsum/lagern-kochen-essen-teilen/planetar…
## AUTOREN
Alina Götz
## TAGS
Vegetarismus
Bremen
Schwerpunkt Klimawandel
Ernährung
Enquete-Kommission
Vegetarismus
Schwerpunkt Klimawandel
Wasserstoff
Grüne Bremen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Vegetarische Kantine beim Autobauer: VW ohne Currywurst ist wie …
Der Autokonzern verbannt das Fastfood aus der Kantine seines
Markenhochhauses. Dabei ist das „Volkswagen Originalteil“ auch außerhalb
beliebt.
Klimaprogramm der EU: Die zwölf Gebote
Das könnte den Alltag der EU-Bürger umkrempeln: Zwölf Gesetze und etliche
Neuerungen sollen den Klimawandel bekämpfen. Reicht das?
Stahlwerk-Umbau in Richtung Klimaschutz: Lange Leitungen
Damit das Bremer Stahlwerk von Arcelor Mittal klimafreundlicher produzieren
kann, braucht es jede Menge neuer Infrastruktur für Strom und Wasserstoff.
Debatte in Bremer Klima-Enquete: Privat oder politisch?
Ob die Politik den Konsument*innen vorauseilen muss und ob Essen eigentlich
Privatsache ist, beschäftigte am Freitag die Bremer Klima-Enquete.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.