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# taz.de -- Expertin über Ernährungsaufklärung: „Gut, wenn Eltern Regeln v…
> Wie viel Wahrheit über Massentierhaltung verträgt ein Kind? Wo hört
> Vorleben auf und fängt Bevormunden an? Eine Kinder- und
> Jugendpsychotherapeutin erklärt.
Bild: Essen mit Gesicht: irgendwie netter vegetarisch
taz am wochenende: Frau Kalali, was sage ich, wenn mich mein dreijähriges
Kind fragt, woher Fleisch kommt?
Islim Kalali: Die Wahrheit.
Kann ich meinem Kind erzählen, dass sich oft neun Masthühner einen
Quadratmeter teilen müssen und nicht einmal das Sonnenlicht sehen, bevor
sie getötet und zu Nuggets verarbeitet werden?
Solche Details würde ich keinem dreijährigen Kind zumuten. Wie viel
Wahrheit ein Kind verträgt, hängt von seiner Reife ab, das kann man
pauschal nicht beantworten. Wenn Eltern mit ihrem Kind über dieses Thema
sprechen, sollten sie besonders auf seine Mimik achten. Schaut es neugierig
und stellt Nachfragen, kann man ruhig mehr erzählen. Wirkt es hingegen
schockiert, sollte man es nicht mit weiteren Informationen belasten. Dass
das Fleisch von Tieren kommt und wir Menschen sie dafür töten, sollten
Eltern ihren Kindern aber definitiv sagen. Und auch, ob es sich um
Schweine-, Hühner-, Rinder- oder Kalbfleisch handelt.
Wenn mein Kind also weiterbohrt und wissen will, wie ein Huhn getötet wird,
dann erzähle ich ihm das?
Ja. Mit den Details zur Schlachtung würde ich aber nur so weit gehen, wie
das Kind auch fragt.
Angenommen, ich ernähre mich und mein Kind vegan. Wo verläuft der Grat
zwischen Vorleben und Bevormunden?
Es ist eine Aufgabe von Eltern, ihre Kinder zu bevormunden. Eine
antiautoritäre Erziehung ist desaströs für Kinder. Sie brauchen Regeln und
Strukturen, sie geben ihnen Sicherheit. Deshalb ist es sogar gut, wenn
Eltern Regeln für die Ernährung vorgeben – denn nicht alle Kinder essen
automatisch das, was sie brauchen. Manche würden sonst vielleicht nur Pizza
und Pommes essen.
Ab welchem Alter sollte ich mein Kind selbst entscheiden lassen, ob es
weiter mit mir vegan essen möchte oder auch tierische Produkte?
Vielleicht ab Grundschulalter, aber auch das kann man nicht pauschal sagen.
Was man sagen kann, ist, dass viele Eltern ihren Kindern zu früh zu viele
Entscheidungen überlassen – und sie damit überfordern.
Und wenn das Kind klar äußert, dass es gerne Bratwurst oder Käse probieren
möchte?
Das hängt von den Eltern ab. Wer nicht will, dass sein Kind tierische
Produkte isst, der muss ihm die Bratwurst auch nicht erlauben. Wenn Eltern
ihr Kind aber frei entscheiden lassen wollen, ob es vegan isst oder nicht,
dann sollten sie auch tierische Produkte im Haus haben. Auf keinen Fall
dürfen sie den Konsum von Fleisch, Eiern und Milch grundsätzlich
verteufeln. Denn sonst hat das Kind keine wirklich freie Wahl – und bekommt
Schuldgefühle, falls es doch mal bei Freund*innen Pizza mit Käse oder
Vollmilchschokolade isst.
Wie kann ich meinem Kind die Schuldgefühle nehmen?
Indem Sie ihm sagen, dass vegane Ernährung nicht die einzig richtige
Ernährungsweise ist. Isst das Kind in Ihrer Gegenwart etwas Tierisches,
hilft es, wenn Sie es aufmunternd anblicken, ihm zulächeln oder sagen: „Das
ist in Ordnung.“
Wie reagiere ich, wenn mein Kind anderen Kindern Schuldgefühle macht, indem
es ihnen sagt: „Für die Wurst auf eurem Butterbrot mussten Schweine
sterben?“
Dann sollten Sie ihrem Kind verdeutlichen, dass es nicht belehren soll. Zum
Beispiel, indem Sie sagen: „Andere Eltern haben andere Ansichten und
erziehen ihre Kinder anders. Es ist nicht deine Aufgabe, mit ihnen über die
Nutzung von Tieren zu sprechen, sondern die der Eltern.“
Es gibt sehr wenige vegane Kitas, einige normale Kitas bieten auf Wunsch
ein veganes Gericht an. Eltern, die ihr Kind vegan ernähren, müssen ihm
also Mittagessen mitgeben. Hat es negative Auswirkungen auf das Kind, wenn
es nicht das Gleiche isst wie alle anderen?
Es kann das Kind in eine besondere Situation bringen, die das Kind
vielleicht sogar mag. Meistens ist es ja aber gar nicht so, dass alle
Kinder das Gleiche essen. Manche Kinder haben eine Nussallergie, andere
eine Glutenunverträglichkeit, wieder andere eine Laktoseintoleranz. Von
daher ist es nichts Außergewöhnliches mehr, ein anderes Mittagessen zu
haben. Wichtig ist, dass die Eltern oder Erzieher*innen für eine vegane
Alternative sorgen, wenn es zum Beispiel einen Geburtstagskuchen oder einen
Schokonikolaus gibt.
29 Jun 2021
## AUTOREN
Rieke Wiemann
## TAGS
Massentierhaltung
Ernährung
Kinder
Veganismus
Vechta
IG
Grüne Bremen
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