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# taz.de -- Genozid an Herero und Nama: Zeit für angemessene Reparationen
> Deutschland will die Opfer des kolonialen Völkermordes in Namibia mit 10
> Millionen Euro entschädigen. „Nicht annehmbar“, findet Namibia.
Bild: Kommt genauso wenig vom hohen Ross runter, wie dieser koloniale Reiter: D…
Der 11. August 1904 nimmt [1][in der deutschen Kolonialgeschichte] einen
besonderen Platz ein: Es ist das Datum der „Schlacht von Waterberg“, nach
kaiserlich-deutscher Geschichtsschreibung die Entscheidungsschlacht der
deutschen „Schutztruppen“ in „Deutsch-Südwestafrika“ gegen Aufständis…
des Herero-Volkes.
Neuerer Forschung zufolge hat es eine einzelne große Schlacht an dem
markanten Tafelberg bei Namibias Hauptstadt Windhoek so nicht gegeben, aber
das Datum markiert dennoch den Beginn des deutschen Völkermords an den
Herero und Nama, die nach ihren militärischen Niederlagen weitgehend
ausgerottet wurden. Um die Interpretation dieser Ereignisse, um ihre
korrekte Bezeichnung und ihre Folgen wird bis heute gestritten. Seit fünf
Jahren verhandeln deutsche und namibische Delegationen darüber.
Just am 11. August 2020 hat Namibias Präsident Hage Geingob nun eine
Breitseite gegen die deutsche Haltung bei diesen Verhandlungen losgelassen.
Der Titel seiner Stellungnahme – „Präsident Hage G. Geingob äußert
Zufriedenheit über Fortschritte nach Unterrichtung über die Verhandlungen
über Völkermord, Entschuldigung und Reparationen zwischen Namibia und
Deutschland“ – verrät Sinn für Ironie, denn die Zufriedenheit beschränkt
sich auf die Arbeit der eigenen Seite.
Was Deutschland angeht, habe dieses zwar eine „politische und moralische
Verantwortung“ anerkannt und sich zu einer „bedingungslosen Entschuldigung�…
bereit erklärt. Aber: „Deutschland weigert sich, den Begriff
‚[2][Reparationen‘] zu akzeptieren“, es spreche nur von „Heilung der
Wunden“. Und: „Das gegenwärtige Reparationsangebot der deutschen Regierung
bleibt ein offenes Thema und ist für die namibische Regierung nicht
annehmbar.“
## Rhetorische Fortschritte
Worin das Angebot im Einzelnen besteht, ist unbekannt, doch Berichten
zufolge hat die Bundesregierung Namibia 10 Millionen Euro angeboten. Das
entspricht dem aktuellen Hauptgewinn im Lotto oder der Gage von Heidi Klum
bei „Germany’s Next Topmodel“. 2004, als die einstige deutsche
Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul beim 100-Jahres-Gedenken
am Waterberg als erste deutsche Ministerin von „Völkermord“ sprach – was
die damalige rot-grüne Bundesregierung aber nicht anerkannte – war noch von
einem „Versöhnungsfonds“ in Höhe von 20 Millionen Euro die Rede gewesen.
Seitdem hat es zwar in der Rhetorik Fortschritte gegeben – das Wort
Völkermord findet sich sogar auf der entsprechenden Seite des Auswärtigen
Amtes. Eine daraus erwachsende Verpflichtung sieht Deutschland aber nach
wie vor nicht und betrachtet seine Verantwortung nur „politisch und
moralisch“, also folgenlos, keineswegs aber juristisch, also mit
einklagbaren Konsequenzen.
Namibias Regierung hat sich darauf eingelassen, was wiederum die
organisierten [3][Verbände von Herero und Nama] ärgert. Die sind auch nicht
an den [4][deutsch-namibischen Verhandlungen] beteiligt, die seit 2015
unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Ein Grund für Geingobs
Vorstoß jetzt war wohl, dass den Führungen von Herero und Nama der Kragen
geplatzt ist. Vergangene Woche warfen sie der Regierung in einer Erklärung
vor, die Verhandlungen mit Deutschland als „Spiel“ zu betrachten und
sagten, die Geingob-Regierung habe „weder die Fähigkeit noch den Willen, in
unserem Namen zu verhandeln“.
Für die Herero- und Nama-Führer muss erst Deutschland seine Schuld
anerkennen. Dann kann man über Konsequenzen reden, nämlich „Reparationen
für den Verlust von Leben, Land, Herden und Lebensgrundlagen“. Deutschland
hingegen ist zwar zu einer Entschuldigung bereit – aber erst als Abschluss
der Verhandlungen, also wenn es keine offenen Forderungen mehr gibt. „Es
ist Ziel der Bundesregierung, auf der Grundlage gemeinsamer Sprache um
Vergebung für das Geschehene zu bitten“, lautet die offizielle
Sprachregelung.
Das ist Konsens in Berlin, wo bis heute am Columbiadamm ein Denkmal für die
deutschen Soldaten steht, die in „Südwestafrika“ den „Heldentod“ starb…
samt Zusatz für das Afrikakorps der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg. Die
„Opfer des Kolonialkrieges“ sind am sogenannten „Hererostein“ auf eine …
hinzugefügte schwarze Steinplatte im Boden reduziert, ihren Mördern zu
Füßen.
12 Aug 2020
## LINKS
[1] /Studie-zur-deutschen-Kolonialgeschichte/!5341801
[2] https://www.youtube.com/watch?v=DYiPwzvHhBw&list=PLh9k12uREKY3iTDOq1fsp…
[3] /Deutsche-Kolonialverbrechen-in-Namibia/!5532220
[4] /Deutsche-Kolonialgeschichte-vor-Gericht/!5390064
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Deutscher Kolonialismus
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Genozid
Völkermord
Namibia
Schwerpunkt Völkermord an den Herero und Nama
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Schwerpunkt Rassismus
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