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# taz.de -- Rassismus in Windhoek: Klima der Intoleranz
> An der deutschen Schule in Namibias Hauptstadt Windhoek kommt es immer
> wieder zu rassistischen Vorfällen. Die deutschsprachige Minderheit wehrt
> ab.
Bild: Von Windhoek nach Rostock geht es leichter als in eine diskriminierungsfr…
Berlin taz | Mitte 2015 gestand das Auswärtige Amt ein, dass die
Kriegsführung in der Kolonie Südwestafrika zwischen 1904 und 1908 in einem
Völkermord gipfelte. [1][Seither verhandeln die deutsche und namibische
Regierung, wie damit umgegangen werden soll.] Eine förmliche Entschuldigung
des deutschen Staates auf höchster Ebene scheint vereinbart. Der Umfang von
Kompensationsleistungen bleibt hingegen strittig.
Der [2][deutsche Kolonialismus] hatte irreversible materielle,
demografische und mentale Folgen. Seine Spuren zeigen sich in der
Ungleichverteilung des privaten Farmlands in überwiegend weißem und häufig
deutschstämmigem Besitz. In der städtischen Geschäftswelt spielen
Deutschstämmige weiterhin eine wichtige Rolle.
Zum deutschsprachigen Alltag gehört die werktags erscheinende Allgemeine
Zeitung, ein mehrstündiges tägliches Programm im staatlichen Rundfunk,
zahlreiche private Einrichtungen und kulturelle Aktivitäten.
Deutschsprachige Privatschulen und Unterrichtszweige an Regierungsschulen
dokumentieren den anhaltenden, wenn auch [3][schwindenden Einfluss dieser
Minderheit] im Lande.
Das Juwel deutschsprachiger Kulturpolitik ist die Deutsche Höhere
Privatschule (DHPS) in Namibias Hauptstadt Windhoek. Sie selbst beschreibt
in ihrem Leitbild ihren Anspruch und ihr Wirken so:
„Wir sind eine deutsch-namibische Begegnungsschule, die den Menschen
verschiedener ethnischer und sprachlicher Herkunft eine Grundlage zur
gemeinsamen und exzellenten Gestaltung ihrer Zukunft bietet. Soziale
Verantwortung, ethische Grundwerte, gegenseitiger Respekt und eine offene
Kommunikationsstruktur stehen dabei im Vordergrund.“
Während der Apartheid war die DHPS eine Überlebensnische
Bereits zu Apartheid-Zeiten trotz hoher Schulgebühren nur dank der
Unterstützung der westdeutschen Regierung funktionsfähig, bot die DHPS den
wenigen andersdenkenden und -fühlenden Jugendlichen eine Überlebensnische.
Von der im deutschen Schulverein als rechtlichem Träger vertretenen
Elternschaft wurden diese und die aus der BRD entsandten Lehrkräfte oft
misstrauisch beäugt.
Es gehörte nicht viel dazu, in einem Klima der Intoleranz eines repressiven
Minderheitsregimes von den meisten der „Südwester“ genannten Deutschen in
Namibia kritisiert oder ausgegrenzt zu werden. Die selbstgerechte
Herrenmenschenmentalität überlebte zumindest teilweise auch die
Unabhängigkeit Namibias 1990. [4][Auch heute noch werden im Schulalltag der
DHPS SchülerInnen diskriminiert.]
Der Umgang mit solchen Vorkommnissen bleibt heftig umstritten. Die
Allgemeine Zeitung spiegelt in Leserbriefen die Abwehrhaltung jener wider,
die sich einer öffentlichen Thematisierung widersetzen und den Rassismus
leugnen oder verharmlosen.
Als 2016 bekannt wurde, dass die Mutter eines Mädchens in der Primarstufe
deren Einladung an einen schwarzen Klassenkameraden zu ihrer
Geburtstagsfeier rückgängig machte, wurde dies als ihre legitime Sorge um
das Wohlergehen ihres Kindes gerechtfertigt.
Abwehrhaltung der deutschsprachigen Minderheit
Diejenigen, die den Vorfall publik machten, wurden als Unruhestifter und
Quertreiber geächtet. Immerhin führte dies zur Formierung einer
Arbeitsgruppe von VertreterInnen aller Gruppen. Doch erst im November 2019
wurde in einem moderierten Workshop deren Aufgabenstellung verbindlich
festgelegt.
Als im Juni 2020 die Schulleiterin, SchülerInnen und Lehrkräfte außerhalb
des Schulgeländes niederknieten, führte dies zu süffisanten Belehrungen,
[5][nicht nur Black, sondern All Lives Matter]. Aus den Mündern jener,
denen mindestens hundert Jahre schwarzes Leben und menschliche Würde unter
der Apartheid scheißegal gewesen ist, mutet dies seltsam entrückt an.
Und es verdeutlicht, dass bilaterale Regierungsgespräche auf der Suche nach
Verständigung dem Rassismus und weißen Überlegenheitsdenken unter Teilen
der deutschsprachigen Minderheit kein Ende setzen können. Dies wird auch
von der Bevölkerungsmehrheit wahrgenommen und als Schlag ins Gesicht der
erklärten nationalen Versöhnungspolitik verstanden. Animositäten werden
dadurch nicht abgebaut, sondern verstärkt.
Anfang November dieses Jahres sorgte nun ein in der Öffentlichkeit
kolportierter [6][interner Bericht von Betroffenen für Aufregung.] Dieser
stellte fest, dass Schwarze von einigen MitschülerInnen weiterhin teilweise
gemieden, rassistisch erniedrigt und beleidigt werden.
Dass dies publik wurde, führte erneut zu Abwehrreaktionen von
Deutschsprachigen. Sie wiesen die Enthüllungen als Sabotage am friedlichen
Miteinander empört von sich. Solch friedliches Miteinander, so scheint es,
wird von ihnen, indem sie auf ihre verfassungsmäßig verbrieften
Minderheitsrechte pochen, aber als ein Nebeneinander missverstanden, in dem
[7][fortgesetzter Rassismus unter den Teppich gekehrt werden darf].
Einsichtigkeit ohne Folgen
Die Schule selbst reagierte differenzierter. Am 8. November 2020 gingen
DHPS-Schulleitung und Vorstand des deutschen Schulvereins in einer
gemeinsamen Erklärung auf die publik gemachten Vorfälle ein:
„Die DHPS als Institution ist entschieden gegen jede Form der
Diskriminierung. Darüber hinaus erkennen wir historische Vorurteile sowie
die daraus resultierende Ungleichheit an und empfinden ein tiefes Mitgefühl
für diejenigen, die dadurch körperliche oder emotionale Verletzungen
erlitten haben. (…) Wir sind nicht stolz darauf, dass es in der Schule und
in unserer Gesellschaft immer noch Diskriminierung gibt. Es stimmt uns
traurig, dass noch ein langer Weg vor uns liegt, bis wir ein wirklich
integratives Umfeld für alle unsere Schüler, Mitarbeiter und Eltern
beanspruchen können.“
Am 13. November hieß es in einer weiteren, abschließenden Erklärung: „Wir
sind uns durchaus darüber im Klaren, dass es in der namibischen
Gesellschaft und an Schulen bis heute Diskriminierung gibt. Daher genießt
dieses Thema in allen Leitungsebenen der DHPS eine große Bedeutung und wir
setzen tagtäglich alles daran, ein integratives Umfeld für die gesamte
Schulgemeinschaft zu schaffen.“
Dass es Rassismus auch an anderen Schulen des Landes gibt, ist dabei eine
allzu bequeme Ausrede. Die DHPS als erklärte Begegnungsschule bleibt
weiterhin mit einer Sisyphusarbeit konfrontiert. Sie hat gerade eine
schulpsychologische Beratungsstelle eingerichtet.
Zum aufgeführten thematischen Angebot gehört „Einsamkeit erklärt“ und
„Mittel gegen Unzufriedenheit“. Von [8][Diskriminierung und Rassismus] ist
keine Rede. Die Kinder und Jugendlichen, denen die DHPS eine
repressionsfreie Atmosphäre der Bearbeitung von Konflikten Raum bieten
möchte, laufen Gefahr, dabei weiterhin auf der Strecke zu bleiben.
20 Nov 2020
## LINKS
[1] /Genozid-an-Herero-und-Nama/!5702260
[2] /Deutscher-Kolonialismus/!t5394549
[3] /Genozid-an-Herero-und-Nama/!5702260
[4] https://www.namibian.com.na/96377/read/DHPS-hit-by-new-racism-claims
[5] /Die-neue-Buergerrechtsbewegung-in-den-USA/!5696434
[6] https://www.namibian.com.na/96412/read/Infighting-cripples-DHPS-racism-refo…
[7] /Das-Erbe-des-Kolonialismus/!5691178
[8] /Diskriminierung-in-Deutschland/!5687742
## AUTOREN
Henning Melber
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Reiseland Namibia
Deutscher Kolonialismus
Apartheid
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