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# taz.de -- Polizei kritisiert neues Berliner Gesetz: Einsatz gegen Diskriminie…
> Das Antidiskriminierungsgesetz (LAGD) soll Minderheiten besser gegenüber
> Behörden und Ämtern schützen. CDU und Polizeigewerkschaft laufen Sturm.
Bild: „Racial profiling“ im Görli wird mit dem LADG schwieriger. Aber mach…
Berlin taz | Glaubt man der CDU, steht der Untergang des Abendlandes –
zumindest des Rechtsstaates – mal wieder unmittelbar bevor. Grund: Das
Landesantidiskriminierungsgesetz, kurz: LADG, das diesen Donnerstag im
Abgeordnetenhaus verabschiedet werden soll.
Das bundesweit einmalige Gesetz soll Menschen gegen Diskriminierung durch
Behörden und staatliche Institutionen schützen. Was Angehörige von
Minderheiten seit Jahren fordern, löst bei anderen reflexhafte
Abwehrreaktionen aus. Sogar Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU)
schaltete sich in die Berliner Debatte ein. Dem Tagesspiegel sagte er
vorige Woche, das Gesetz sei „im Grunde ein Wahnsinn“. Und: „Wir müssen
hinter der Polizei stehen und dürfen sie nicht unter Generalverdacht
stellen.“
Im Zentrum der Kritik steht die im Gesetz vorgesehene
„Beweiserleichterung“: Weil das Vorliegen einer Diskriminierung so gut wie
nie bewiesen werden kann, muss der Betroffene nur Indizien vorlegen, dass
sie „überwiegend wahrscheinlich“ ist. Die Behörde muss dann nachvollziehb…
darstellen, dass nicht diskriminiert wurde.
Gegner des Gesetzes behaupten, dies sei eine „Beweislastumkehr“, die die
Arbeit – etwa der Polizei – insgesamt gefährde. CDU-Fraktionschef Burkard
Dregger verstieg sich kürzlich im Inforadio zur Behauptung: „Das Schlimme
ist, wenn ein Angehöriger eines arabischen Clans auch wider besseren
Wissens seine Diskriminierung geltend macht, weil er sagt, die polizeiliche
Ermittlungsmaßnahme erfolgt ja nur, weil ich arabische Wurzeln habe, dann
muss sich der ermittelnde Polizeibeamte rechtfertigen.“
Auch die Polizeigewerkschaft GdP schlägt Alarm. Vorigen Freitag schickte
sie einen Offenen Brief an die Vertreter des Abgeordnetenhauses. Darin
erklärten die Vertreter der Landesverbände, dass sie sich im Fall eines
entsprechenden Beschlusses des Parlaments für die Nichtentsendung von
Unterstützungskräften bei so genannten „Großlagen“ nach Berlin einsetzen
würden. In den Tagen zuvor hatten mehrere Landesverbände die Befürchtung
geäußert, dass Beamte bei Einsätzen in Berlin künftig womöglich auf
Schadensersatz verklagt oder dienstrechtlich belangt werden könnten.
## Recht und Gesetz gelten schon jetzt
Befürworter des Gesetzes halten solche Behauptungen für Unsinn. „Entweder
versteht Herr Dregger einfache rechtliche Grundlagen nicht oder aber er
tätigt wissentlich falsche Äußerungen. Ich weiß nicht, was schlimmer ist“,
sagte Sebastian Walter, Sprecher für Antidiskriminierungs- und Queerpolitik
der Grünen-Fraktion und Vorkämpfer für das Gesetz im Parlament, der taz.
Die bloße Behauptung, man werde diskriminiert, reiche selbstverständlich
nicht aus, ebenso wenig adressiere der Gesetzentwurf “einzelne Dienstkräfte
des Landes, noch nimmt er sie in persönliche Haftung wegen einer
tatsächlichen oder vermeintlichen Diskriminierung.“ Und Niklas Schrader,
der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, meint auf taz-Anfrage nur
lapidar: „Die Polizei muss nach Recht und Gesetz handeln und das als
Behörde, nicht als einzelne Dienstkraft, belegen können. Das sollte ihr
auch jetzt schon möglich sein.“
Lino Agbalaka vom Vorstand des [1][Migrationsrates], eine von vielen
zivilgesellschaftlichen Organisationen, die seit Jahren für das Gesetz
gekämpft und an seiner Formulierung mitgearbeitet haben, erinnert die
Debatte an die Diskussionen um das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz
(AGG). Dieses verbietet seit 2006 Diskriminierungen – etwa aufgrund der
„Rasse“ oder Herkunft – im privatrechtlichen Bereich, zum Beispiel bei der
Wohnungssuche. Auch beim AGG gibt es die erleichterte Beweisführung. Vor
dessen Einführung habe es ebenfalls viele Stimmen gegeben, die vor
„Missbrauch“ und einer „Klageflut“ gewarnt hätten, sagt Agbalaka. „D…
beim AGG auch nicht eingetreten.“
Dennoch hat das Trommelfeuer von rechts etwas bewirkt. [2][Ursprünglich
sollte das Gesetz Ende 2019 verabschiedet worden] – doch dann gab es auf
Seiten der SPD erneuten Diskussionsbedarf. So wurde „nachgebessert“:
Betroffene müssen nun darstellen, dass eine Diskriminierung nicht nur
„wahrscheinlich“ sondern „überwiegend wahrscheinlich“ ist. Für Walter…
das „Rechtsklauberei“, wie er sagt. Aber so seien „die Bedenken
aufgegriffen worden, dass zu schnell geklagt werden könnte“.
Die am Gesetzgebungsprozess beteiligten Organisationen sind dennoch
großenteils zufrieden. Das LADG werde eine „wichtige Schutzlücke“ für
Bereiche schließen, die bislang weder vom AGG erfasst werden noch vom
Gleichstellungsgesetz, das sich auf die Geschlechter bezieht, hofft
Agbalaka. Besonders wichtig ist nach seiner Ansicht die Möglichkeit des
Verbandsklagerechts: Sie erlaubt es Antidiskriminierungsorganisationen,
Betroffene bei ihrer Klage zu vertreten. Dies wird von Experten auch für
das AGG gefordert. „Eine solche Möglichkeit ist zentral, weil viele Leute
nicht die Möglichkeiten und Ressourcen haben, um ihr Recht alleine
durchzusetzen“, sagt er.
## Verbände können für Betroffene klagen
Auch Zeynep Çetin vom Verein Inssan, den viele Betroffene mit Beschwerden
über Diskriminierungen in Schulen, durch Jobcenter oder die
Ausländerbehörde aufsuchen, wie sie sagt, lobt den Passus. „Mit der
Möglichkeit der Verbandsklage können wir Betroffene besser unterstützen, um
ihnen die Last einer langjährigen Klage zu nehmen und strukturelle
Diskriminierung rechtlich bearbeiten können.“
Beide begrüßen zudem, dass Führungskräfte der Verwaltung per Gesetz zu
Fortbildungen im Bereich Diversity/Antidiskriminierung verpflichtet werden.
“Sie sind mit dafür verantwortlich, dass die diskriminierenden Strukturen
in ihrem Wirkungskreis abgebaut werden“, so Çetin.
Allerdings konnten die Verbände nicht alle Forderungen durchsetzen. So
hatten Inssan und Migrationsrat eine behördenunabhängige Beschwerdestelle
gewünscht, “die echte Eingriffsrechte hat, etwa auf Akteneinsicht“, wie
Agbalaka erklärt. Stattdessen gibt es eine “Ombudsstelle“, bei der sich
Betroffene beschweren können. Sie hat jedoch keine Handhabe, die
kritisierte Verwaltung zu einer Stellungnahme oder einem Gespräch zu
zwingen – und so den Streit vielleicht außergerichtlich zu schlichten. “Das
ist für mich die größte Schwäche des Gesetzes“; sagt Agbalaka, “da dies…
niedrigschwellige Zugang so nicht effektiv ist“.
3 Jun 2020
## LINKS
[1] http://www.migrationsrat.de/ladg/
[2] /Antidiskriminierungsgesetz-fuer-Berlin/!5645811/
## AUTOREN
Susanne Memarnia
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Dirk Behrendt
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