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# taz.de -- Razzia nach Raub im Grünen Gewölbe: Prioritätsstufe: Araber
> 1.638 Polizist:innen machen in Berlin Razzien wegen ein paar geklauter
> Klunker. Mehr muss man über die Prioritäten der Exekutive nicht wissen.
Bild: Dit is Neukölln: 1.638 Polizist:innen, um 18 Wohnungen, Autos und Gara…
Polizei und Staatsanwaltschaft haben am Dienstagmorgen mal wieder klar
gezeigt, wo ihre Prioritäten liegen. Während bei Querdenken-Demos
regelmäßig die Straße für Neonazis und Verschwörungsideolog:innen
freigegeben wird und selbst [1][der Reichstag nur von drei Polizisten]
bewacht wird, kommen bei Razzien im sogenannten Clanmilieu an einem
Dienstagmorgen in Berlin mal eben 1.638 Polizist:innen aus acht
Bundesländern zum Einsatz. In Worten: eintausendsechshundertachtundreißig
Polizist:innen, um 18 Wohnungen, Autos und Garagen zu durchsuchen.
Antiterroreinheiten von SEK bis GSG 9 dürfen natürlich nicht fehlen.
Und das von Corona gebeutelte Neukölln wird halb abgesperrt,
Menschenansammlungen sind vorprogrammiert. In ganz Berlin soll es den Tag
lang zu Verkehrseinschränkungen kommen. Kreisende Hubschrauber weckten
Anwohner:innen.
Boulevardmedien, die ihre rassistischen Diskurse um das Thema „arabische
Großfamilie“ fortschreiben, berichten wie immer von vorderster Front und
mit internen Details: Von drei Festgenommenen aus dem „arabischstämmigen
Clan-Milieu“ wird geschrieben, vom Hauptverdächtigen Wissam R. – natürlich
mit Klarnamen und Bild.
Warum sollte man auf journalistische Sorgfaltspflicht achten, wenn selbst
Berlins [2][Innensenator Andreas Geisel (SPD)] bei „den Clans“
rechtsstaatliche Grundsätze wie die Unschuldsvermutung aufgibt und sich auf
Twitter so zitieren lässt: „Wir sind froh, dass die Aufklärung des
Kunstraubs geglückt ist.“ Aha, [3][mit der Festnahme von drei Personen ist
der Raub aus dem Dresdner Grünen Gewölbe also schon aufgeklärt.] Dann
können wir uns das Gerichtsverfahren ja gleich sparen. Danke, Herr Geisel.
Ach, aber ihr habt noch nicht einmal die Beute gefunden? Okay, cool.
## Richtige und falsche Deutsche
Hey, und wenn wir schon dabei sind: Können wir den Tatverdächtigen nicht
auch noch die deutsche Nationalität absprechen? Klar, dachte sich die
[4][Berliner Zeitung], als sie schrieb: „Drei Tatverdächtige mit deutschem
Pass verhaftet.“ Dieses rechte Framing ist ein Erfolg der AfD, die seit
Jahren von sogenannten Passdeutschen spricht und damit, ähnlich wie mit dem
Begriff „biodeutsch“ suggeriert, dass es richtige und falsche Deutsche
gebe.
Kurzum: Für die Clans packen wir notfalls auch die Stammbaumforschung und
den Ariernachweis wieder aus, wenn es nur unsere Vorurteile bestätigt und
eine Person den falschen Nachnamen trägt. Und kulten aber gleichzeitig
Hollywoodfilme mit George Clooney ab, bei denen die frechen Ganoven einen
genialen Coup landen.
Überhaupt: Wer vermisst schon die paar hässlichen feudalen Klunker, die
ohnehin seit Jahren besser eingeschmolzen worden wären, um in Dresden
wichtigere Bereiche wie etwa Demokratieförderung zu finanzieren?
Dass keine Missverständnisse aufkommen: Selbstverständlich muss gegen
organisierte Kriminalität ermittelt werden. Trotzdem wird man irgendwie den
Verdacht nicht los, dass die Ermittlungen gegen „arabische Clans“ drei
Nummern kleiner wären, wenn es sich um Familien mit dem Namen Schulz
handeln würde.
Klar klingt es nach Whataboutism, wenn man diesen unverhältnismäßig
wirkenden Großeinsatz mit fehlenden Ermittlungserfolgen gegen rechts
vergleicht, aber es geht um die strukturelle Verteilung von Ressourcen
innerhalb einer Exekutive. Also: Warum wird fast jede dritte Shishabar auf
der Neuköllner Sonnenallee regelmäßig von einer Hundertschaft
Polizist:innen gestürmt, um zusammen mit sich aufplusternden, meist
männlichen Lokalpolitikern lächerliche Mengen zollfreien Tabaks zu
konfiszieren?
Und warum braucht es erst Recherchekollektive und [5][Journalist:innen,
um rechte Netzwerke aufzudecken]? Was machen die umtriebigen
Staatsanwält:innen gegen derzeit um die [6][482 mit Haftbefehl gesuchten
und untergetauchten Rechtsextremist:innen]? Und warum ist die
[7][neonazistische Terrorserie in Neukölln] noch immer nicht aufgeklärt?
Für Ermittlungen gegen potenzielle Rechtsterrorist:innen gibt es natürlich
keine neuartigen DNA-Methoden aus den USA, mit denen man Spuren im
abgebrannten Auto sichern kann, wie sie Bildplus heute Morgen angepriesen
hat. Neonazis planen ja nur die Ermordung von vermeintlichen Nichtdeutschen
und politischen Gegner:innen.
17 Nov 2020
## LINKS
[1] /Debatte-nach-Corona-Protest-am-Reichstag/!5710761
[2] https://twitter.com/derInnensenator/status/1328625083418599424
[3] /Einbruch-im-Gruenen-Gewoelbe-in-Dresden/!5644411
[4] https://twitter.com/starcaztle/status/1328614560090173443
[5] /Schwerpunkt-Hannibals-Schattennetzwerk/!t5549502
[6] https://www.tagesspiegel.de/berlin/untergetauchte-neonazis-polizei-sucht-bu…
[7] /Rechter-Terror-in-Berlin-Neukoelln/!t5612550
## AUTOREN
Gareth Joswig
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