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# taz.de -- Ein Original vom Kotti: „Ich kenne das auch vom Kampfsport“
> Raplabel-Chef, Journalist, Aktivist, Kampfsportler, Fensterputzer und
> Industriekletterer: Marcus Staiger über sein Leben in einem krassen
> Interview.
Bild: Marcus Staiger beim Friseur M-Style am Kotti
Wir treffen uns am Kotti. Fürs Interview muss Marcus Staiger vor dem
Sozialpalast über der Adalbertstraße das Fotomodell geben. Er ist sich
nicht zu schade, einen Handstand vorzuführen. Währenddessen kommt zufällig
ein Bekannter vorbei und fragt, wie es ihm gehe. Alles gut! Und bei dir?
Wir setzen uns in der noch warmen Oktober-Sonne vor die Bäckerei Simitdchi,
trinken Çai. Dreimal im anderthalbstündigen Gespräch kommen Leute vorbei,
smalltalken mit Staiger und fragen, wie es ihm geht. Alles gut! Und dir?
taz: Herr Staiger, hier am Kotti kommen Sie offenbar keine fünf Meter weit,
ohne erkannt zu werden, oder?
Marcus Staiger: Doch, doch.
… aber irgendwie sind Sie schon ein Original vom Kotti. Sie standen schon
vor 16 Jahren da drüben auf einem Mülleimer und haben vor den Junkies eine
Promo-Rede für Ihr [1][Raplabel Royal Bunker] gehalten.
Ja, trotzdem erkennen mich hier nicht gleich alle. Hier gibt es ja Leute,
die wirklich in Gangs waren und hier ihr Leben lang gewohnt haben. Ich
wohne erst seit zehn Jahren in der direkten Umgebung. Mein Büro hatte ich
früher in der Falckensteinstraße im Wrangelkiez. Aber bei diesen ganzen
Gang-Geschichten – 36 Boys und wie sie alle hießen – war ich immer eher
Gast.
Als Labelchef in den nuller Jahren und als Host der legendären
Open-Mic-Session in der ehemaligen Kneipe Royalbunker waren Sie ein halber
Sozialarbeiter, haben Sie mal gesagt. Kannten Sie deswegen die ganzen Jungs
aus den Gangs?
Ich kenne Einzelne, die dabei waren.
Berlins damals bekanntesten Rapper Kool Savas etwa.
Ja, Savas war in einer Gang. Aber auch ein ehemaliger Boxtrainer von mir
war mal bei den 36 Boys und hatte hier um die Ecke einen Laden.
Als Sie später Chefredakteur von rap.de waren, wurden Sie nach einer
negativen Albumrezension vom Rapper Blokkmonsta niedergeschlagen, ebenso
haben Sie bis heute als linker Aktivist häufig Stress mit Polizisten. Wer
wollte Sie häufiger verprügeln: Nazis, Polizisten oder Rapper?
Rapper, glaube ich. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich bei Nazis auf dem
Schirm bin. Und bei Polizisten habe ich oft den Eindruck, es gibt eine
Hassliebe. Viele sind Rapfans und enttäuscht, dass ich auf der anderen
Seite stehe. Aber gegen die Polizei ist es kein fairer Kampf: Die wollen
sich prügeln und dich danach vor Gericht zerren. Und wenn sie dich mal in
den Klauen haben, ist meine Erfahrung, dass sie häufig dir persönlich
wehtun wollen. Bei der Luxemburg-Liebknecht-Demo wurde ich mal
festgenommen. Die haben mich zu Boden gebracht, sind auf mir gekniet und
dann: Gib ihm … Auf der anderen Seite denke ich, ja gut, das gehört zum
Spiel dazu. Finde ich auch nicht sonderlich schlimm, weil ich körperliche
Auseinandersetzungen durch Kampfsport gewohnt bin.
Haben Sie wegen der Rapper, die sich nach kritischen Kommentaren prügeln
wollten, oder wegen der Polizei mit Kampfsport angefangen?
Ich wurde in der Schulzeit in Kornwestheim in der Nähe von Ludwigsburg viel
verprügelt. Ich war richtig frech und deswegen gab es immer ein paar
Trottel, die mich scheiße fanden. Das war manchmal wie ein Spießrutenlauf,
weil ich den anderen richtig wehjntun konnte mit Worten.
War das auch ein Grund, warum Sie nach Berlin gegangen sind? Auf der Flucht
aus der schwäbischen Provinz und vor der Enge der Familie?
Es gab große Zerwürfnisse. Ich bin wirklich sehr kleinbürgerlich
aufgewachsen. Mein Vater war Gipser und Berufsfeuerwehrmann und meine
Mutter Schreib- und Bürokraft. Aber das war nicht der Grund, warum ich
gegangen bin. Es war eher die Suche nach einer Herausforderung. Ich wollte
probieren, woanders Fuß zu fassen. Das Verhältnis zu meinen Eltern hat sich
durch meine späte Politisierung noch einmal verändert. Ich sehe sie jetzt
eher klassenanalytisch, sie kommen halt nicht raus aus ihrer Rolle, was mir
natürlich leidtut.
Sie zitieren in Ihren Rap-Podcast- und linken Youtube-Formaten immer wieder
Marx. Wie kam Ihre Politisierung zustande?
Ich war schon Schülersprecher und habe mich immer als politischer Mensch
verstanden. Royal Bunker war auch irgendwo ein politisches Projekt – auch
wenn es nie richtig ausformuliert war. Nach meinem Philospophie- und
VWL-Studium in den Neunzigern habe ich mich vor allem um 2013 herum
politisiert. Das Flüchtlingscamp auf dem Oranienplatz hat mich nicht
losgelassen. Da habe ich eine Reportage gemacht und hatte irgendwie den
Eindruck, es läuft gesellschaftlich alles nicht mehr so rund.
Was haben Sie dann gemacht?
Ich dachte: Man muss wieder theoretisch in Auseinandersetzungen gehen. Ich
habe angefangen, wieder wirklich schweres marxistisches Textmaterial zu
lesen, und bin immer wieder bei Texten vom [2][Verlag Gegenstandpunkt]
gelandet. Dadurch habe ich mich radikalisiert, aber nicht wegen des Gestus,
sondern weil man es radikal ändern muss. Die Grundpfeiler der
Produktionsweise sind nicht verbesserbar. Sie sind gefährlich,
unvernünftig, schlecht und müssen abgeschafft werden.
Wie sieht Ihre gesellschaftliche Utopie aus?
Echte Freiheit gibt es nur im Kollektiv. Wenn wir alleine sind, sind wir
den Kräften dieser Marktwirtschaft frei ausgeliefert, Zwängen unterworfen
und machen am Ende alle das Gleiche. Nur, wenn wir uns gemeinsam
organisieren, schaffen wir es, so viel Freiräume zu schaffen, dass wir uns
entfalten können.
Was hat Marx mit Ihrem Blick auf die Polizei gemacht?
Die Polizei ist für mich das, was Marx mit Lumpenproletariat beschrieben
hat. Das sind so Leute, die entweder Gangster, Polizisten oder
Securitykräfte werden. Die Wege dahin sind offen aus dem Subproletariat.
Ich kenne das auch vom Kampfsport. Dort treffen sich immer dieselben Typen:
Das sind Polizisten, ehemalige Soldaten, Sicherheitskräfte,
Fremdenlegionäre, Abenteurer, Türsteher, Antifas. Die Antifa-Türsteher sind
ja nicht grundverschieden von den Polizisten oder arabischen Gangstern, die
da rumhängen. Irgendwie ist das so ein bestimmter Schlag Mensch. Ich spüre
selbst mit Polizisten manchmal Klassensolidarität.
Echt?
Ich war mal bei Gericht. Da haben der Richter und der Staatsanwalt den
Polizisten angeschnauzt und rundgemacht. Da wäre ich am liebsten
eingeschritten: Warum schnauzen diese studierten Leute den armen Typen an,
der nur seinen Job gemacht hat? Ich würde mir manchmal wünschen, Polizisten
würden ihre Klassensituation erkennen und sagen: Ey, was wir hier machen,
ist totaler Quark. Wir schützen hier die Reichen und halten den Kopf hin
für die ganze Scheiße. Aber das kriegen die als Ordnungsfanatiker und
Rechtspositivisten natürlich nicht hin. Was mich aber immer wundert, ist,
dass sie alles so persönlich nehmen.
Inwiefern?
Ich sehe die Verhältnisse eher abstrakt: Wir gegen die und die Polizei
steht auf der anderen Seite. Aber die reagieren mit: Ey, du hast mich
beleidigt – das vergesse ich dir nie, der Staiger geht uns richtig auf den
Keks. Ich frage mich, was deren Lebensinhalt ist. Gegen den einzelnen
Menschen habe ich nichts und ich schreibe nirgendwo ACAB (All Cops Are
Bastards – Anm. d. Red.) hin, aber denke mir schon: Diese Leute haben sich
für diesen Beruf entschieden und könnten sich in ihrem Beruf anders
verhalten. Tun sie aber nicht. Also sind sie eigentlich schon auch scheiße,
sorry.
Sie engagieren sich derzeit auch beim Volksbegehren Deutsche Wohnen und Co
enteignen. Mietenpolitik ist seit Jahren das Mobilisierungsthema Nummer
eins für die Linke. Was bedeutet die Wohnfrage heute?
Für mich sind Mieten und Stadtpolitik Teil eines Themas, das über allem
steht: Demokratisierung von Gesellschaft. Wir sollten demokratisch über die
wirtschaftliche Produktionsweise entscheiden, ebenso wie wir uns überlegen
müssen, wie wir Wohnraum und Eigentum gestalten. Inwiefern ist Wohnen Teil
des wirtschaftlichen Produktionsprozesses und wie ändern wir das? Wohnraum
ist die Brotfrage des 21. Jahrhunderts. Bewegungen aufzubauen, die das
Potenzial haben, revolutionäre Fragen zu stellen – das macht das
Volksbegehren Deutsche Wohnen und Co enteignen. Und zwar in einer Breite,
die auch Wirkung hat.
Was lässt sich heute nicht mehr mit Marx erklären?
Die kapitalistische Verwertung von geistigem Eigentum. Es ist ein anderer
Prozess, eine Software zu schreiben, die millionenfach verkauft wird, als
Autos zu erfinden und zu bauen. Da muss man die marxsche Analyse weiter
denken. Aber auch das ist in seiner Theorie als die große Wissensmaschine
schon angelegt: Wie sieht die Welt aus, wenn in den Produkten nicht mehr so
viel händische und materielle Arbeit steckt, sondern Wissen? Insofern sind
Software und Paywalls eher feudalistisch, weil du Grenzen errichtest und
Wegezoll verlangst. Sie sind anders als die kapitalistische
Produktionsweise.
Sollte man Google, Amazon und Facebook zerschlagen?
Man muss sie enteignen und demokratisieren. Die bauen ja durchaus
interessante und nützliche Sachen. Es ist aber ein Riesenproblem, wenn das
alles in Privatbesitz ist. Ähnliches gibt es bei der Corona-Entwicklung:
Die Mischung aus Gesundheitsindustrie und Überwachung – dass vieles davon
in privater Hand ist, ist problematisch.
Wie schätzen Sie das revolutionäre Potential von Rap ein?
Rapper sind keine politischen Subjekte. Ich war früher hoffnungsvoller,
aber auch hier greift Marx’ Lumpenproletariat: Viele Rapper ergreifen
holterdiepolter die Chance, selbst bourgeois zu werden.
Also die klassische Aufstiegserzählung von der Straße ins Villenviertel.
Das ist das, was ich leider beim Rap beobachten kann. Es sind Leute, die
durchaus aus prekären Situationen starten, aber ihre Klasse verraten und
auf die andere Seite wechseln. Rap ist Klassenkampf ohne
Klassenbewusstsein. Deshalb würde ich auf Rapper nicht unbedingt zählen. Es
gibt natürlich auch gute Ansätze und es wird sich auch verbessern. Je
politischer die Gesellschaft wird, desto politischer wird Musik wieder. Rap
ist eben auch nur der Soundtrack zur Gesellschaft.
Sie versuchen mit Ihrem Podcast, diesen Prozess zu begleiten. Dort gibt es
häufig szeneinterne, antirassistische und antisexistische Kritik. Werden
Sie es schaffen, die Rapbubble zu radikalisieren?
Ich glaube nicht, dass Rap eine pädagogische Aufgabe hat und Leute erziehen
soll. Mich freut aber, wenn gesellschaftliche Themen in die Rapcommunity
reinschwappen. Dennoch werden Leute von außen politisiert. Das war bei KIZ
auch so: Die sind nicht durch Rap politisch geworden, sondern haben
irgendwann angefangen, sich politisch zu interessieren, auf verschiedene
Veranstaltungen zu gehen und Texte zu lesen. Das spiegelt sich in ihrer
Musik wider.
Wie traurig sind Sie, dass Gangsta-Rapper Fler, mit dem Sie in Ihrem
kontroversen Talk-Format „Bunker-Talk“ gesprochen haben, sich jetzt beim
erklärten Feind und Corona-Querfront-Guru Ken Jebsen von Ken FM politisiert
hat?
Sehr, sehr traurig, weil er dort gesagt hat, dass Ken Jebsen ihn
politisiert hat und nicht ich. Da bin ich in meiner Eitelkeit gekränkt.
Klar könnte ich meine Gesellschaftsanalyse einfacher machen, damit sie
anschlussfähig ist. Aber das macht keinen Spaß und so funktioniert es auch
nicht. Wenn ich aber eine Gesellschaftsanalyse anbiete wie Ken Jebsen, wo
immer gewisse Kreise schuld sind, die auch noch moralisch verdorben sind,
passt Rap da ganz gut rein.
Ja, stimmt, das klingt eigentlich wie jeder dritte Kollegah-Track.
Mit einem Kumpel zusammen hatten wir neulich folgende These: In einer
Gesellschaft wie unserer, in der Money-Culture eine große Rolle spielt, ist
es verpönt, Reiche anzugreifen. Man führt in Deutschland ja auch keine
Neid-Debatte – man möchte ja selber reich sein. Trotzdem merken die, dass
nicht alles so geil läuft in dieser Gesellschaft, und deshalb fangen sie
an, die Reichen moralisch zu kritisieren. Und dafür taugt das Bild des
satanistischen Kinderschänders am besten – also, wenn man die Elite als
moralisch verdorben darstellt. Wobei man sich die Option offenhält, selbst
zur Elite zu gehören, aber dann natürlich alles besser zu machen. Die
Kritik lautet nicht: Das ist ein Ausbeutersystem, hier sind die Ausbeuter.
Sondern: Das System ist in Ordnung, aber die, die am Drücker sind, sind die
Teufel und die Bösen.
Ein weiteres Problemfeld im Hiphop sind Männlichkeitsdiskurse. Können Sie
als jahrzehntelanger Begleiter des Szene sagen, was spezifisch ist für
Sexismus im Rap?
Im Rap ist es ein besonders heißes Thema. Bei Rassismus sind sehr viele
Leute aus der Community sehr wachsam. Aber die Schlampen wegboxen ist oft
kein Ding. Bei Antifeminismus und Homophobie stimmen komischerweise Gruppen
überein, die sonst nicht viel miteinander zu tun haben: Nazis, Hooligans
und patriarchale Migranten können an diesem Punkt sehr gut miteinander.
Sexismus ist ein Gift, das man wie Rassismus bekämpfen muss.
Sexismus war aber für die Rapper Gzuz und Bonez aber zuletzt nicht
unbedingt karriereförderlich, oder?
Es hat ihnen aber auch nicht übertrieben geschadet. Wenn sie das N-Wort
gesagt hätten, wäre ganz anderer Alarm gewesen. Dann hätten die ganz
schnell klein beigeben müssen.
Frauen sind in der Szene unterrepräsentiert. Gefühlt hat sich die Situation
in den vergangenen Jahren durch neue Künstlerinnen allerdings etwas
verbessert, oder?
Also, zumindest gibt es nicht mehr diese ganz bescheuerte Diskussion von
wegen: Frauen haben im Rap nichts zu suchen. So etwas sagen wirklich nur
noch so hängen gebliebene Mittvierziger. Häufig heißt es trotzdem, es gibt
ja kaum Rapperinnen. Aber das stimmt einfach nicht. Wenn du dich aktiv
bemühst, dann findest du die auch. Trotzdem haben Frauen in der Musik- und
Unterhaltungsindustrie nach wie vor große Probleme. Wie ihr Image designt
wird. Wie sie als Künstlerinnen ganz anders bewertet werden als Männer.
Besonders deutlich wird die allgegenwärtige Mysogynie in sozialen Medien.
Müsste man vor allem anderen nicht zuerst mal das Patriarchat zerstören?
Klar würde ich mir das wünschen, aber es ist leider sehr langlebig. In der
kurdischen Bewegung gilt es sogar als das zentrale
Unterdrückungsverhältnis, aus dem sich alle anderen abgeleitet haben.
Feudalismus, Sklaverei, Rassismus, Kapitalismus sind alles Produkte des
Patriarchats.
Im Frühjahr starten Sie und Mohamed Chahrour bei Radio Fritz einen
wöchentlichen Podcast über arabische Clans. Worum wird es da gehen?
Es ist wie ein True-Crime-Podcast mit viel Recherche. Wir haben viele
Interviews mit Protagonisten aus arabischen Großfamilien gemacht. Es wird
der Gegenentwurf zu den Erzählungen etwa von der B. Z. über „die Clans“.
Wir schauen auf Herkunft und Ankunft in Deutschland. Wie gestaltet sich das
Leben der Leute, die stigmatisiert werden und keinen Aufenthalt bekommen,
die von Amt zu Amt rennen und jedes Mal damit rechnen müssen, abgeschoben
zu werden? Wir betrachten differenziert Verbindungen zwischen Musik und
organisierter Kriminalität. Aber es gibt natürlich auch das große Interview
mit Arafat Abou-Chaker.
Oh, und wie war das?
Das Weltbild von solchen Leuten ist wahrscheinlich so ähnlich wie das von
großen Wirtschaftskapitänen oder einem CEO. Du weißt genau, die machen
Raubbau in Afrika und verschmutzen die Meere. Aber sie erzählen dir von
ihren sozialen Projekten.
Was sagt der Großfamilien-Patriarch?
Der sagt: Es war nicht immer alles gut, was ich gemacht habe. Aber ich habe
mich immer bemüht, ein guter Mensch zu sein. Und in seinem Universum ist
das wohl auch so.
Sie sind ein Wanderer zwischen den Welten: Labelchef, Journalist,
Kampfsportler, Politaktivist. Zudem arbeiten Sie als Industriekletterer und
putzen Fensterfassaden. Wie ist es mit Politik auf der Maloche?
Da gibt es immer ein Abtasten. Die Grenze ist häufig bei Flüchtlingspolitik
und Rassismus. Da gibt es häufig sachte Bemerkungen, und dann weiß man
schon: Okay, der tickt offenbar so. Ich versuche aber schon immer, Themen
auf eine klassenkämpferische Perspektive zu drehen. Ich mache zum Beispiel
Unterweisungen im Umgang mit persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz.
Ich sage immer: Arbeitsschutz ist Pflicht des Arbeitgebers und den müsst
ihr einfordern. Die Kollegen sagen, in der Praxis und unter Zeitdruck sieht
das ganz anders aus, und fühlen sich ihrem Arbeitgeber mit einer
regelrechten Nibelungentreue verpflichtet. Im Endeffekt ist es schon
Arbeitskampf, wenn du sagst: „Ey, pass auf, wenn du unten in der Grube
stirbst, weil kein Abstützmaterial da war, bist du am Ende tot und für
deine Arbeit gestorben.“
Und so bekommen Sie die?
Na ja, man kriegt die nicht unbedingt. Viele sind auch stolz darauf, ein
besonders harter Hund zu sein und mit Fieber arbeiten zu gehen. Witze
funktionieren häufig besser. Damit kriegt man die Jungs auf der Baustelle
ganz gut.
Erzählen Sie mal einen!
Okay: Der Chef kommt auf den Hof gefahren mit einem neuen Lamborghini.
Kommt der angestellte Arbeiter heraus und sagt: „Boah, geiles Auto!“ Sagt
der Chef: „Ja. Und wenn du dich selbst richtig reinhängst, richtig
knüppelst und Überstunden schuftest – dann habe ich nächstes Jahr einen
zweiten.“
15 Nov 2020
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=i09o4CedLGo
[2] https://de.gegenstandpunkt.com/
## AUTOREN
Gareth Joswig
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