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# taz.de -- Razzia wegen Corona-Hilfe in Moschee: Großrazzia wegen 14.000 Euro
> In Berlin gab es eine Razzia in einer Moschee wegen angeblichen
> Subventionsbetrugs. Unverhältnismäßig, sagt Imam Sabri von der
> Dar-as-Salam-Gemeinde
Bild: Nach der Corona-Soforthilfe kamen 60 Polizist:innen in die Dar-as-Salam-M…
Berlin taz | Der Zentralrat der Muslime und die Berliner Moscheegemeinde
Dar-as-Salam hat eine Razzia in den Räumen der Moschee in der Neuköllner
Flughafenstraße als unverhältnismäßig kritisiert. Die Polizei hatte wegen
des Verdachts auf Subventionsbetrugs im Zusammenhang mit Coronahilfen am
26. November mit 60 Polizist:innen drei Adressen durchsucht und dabei
Beweise für eine mutmaßlich falsche Beantragung der Gelder gesucht –
darunter auch die Wohnung [1][des Imams Mohamed Taha Sabri]. Laut der
Gemeinde ging es dabei um 14.000 Euro – der Polizeieinsatz sei angesichts
dessen völlig unverhältnismäßig gewesen.
Imam Sabri hätten die Durchsuchungen fassungslos gemacht, heißt es in einer
[2][Mitteilung] vom Tag nach der Durchsuchung. Er habe angesichts des
Großaufgebots unter Schock gestanden und mittlerweile Rechtsmittel gegen
die Art der Durchsuchung eingelegt, bestätigte er der taz: „Eine solche
Erfahrung der Hilflosigkeit und Bestürzung, während schwerbewaffnete
Beamt*innen das eigene Heim durcheinanderbringen, wünsche ich niemandem.“
Gekommen sei die Polizei am frühen Donnerstagmorgen mit acht großen
Einsatzwagen und zwei Zivilfahrzeugen. Maskierte, schwerbewaffnete und
angsteinflößende Polizeikräfte hätten Stellung vor der Moschee bezogen.
„Anwohner*innen, Passant*innen und wir waren sehr verängstigt“, sagt Sabri.
Das kenne man sonst nur aus Kinofilmen.
Die Dar-as-Salam-Moschee in der Flughafenstraße wird betrieben von dem
Verein Neuköllner Begegnungsstätte (NBS). Die Moschee ist eines der größten
muslimischen Gebetshäuser Berlins. Zur Gemeinde mit bis zu 2.000 Gläubigen
gehören überwiegend Muslime palästinensischer Herkunft.
## Vom Verfassungsschutz beobachtet
Der Verfassungsschutz hatte den Verein 2015 und 2016 in seinen Berichten im
Abschnitt „legalistische Islamisten“ erwähnt, die Gewalt zur Durchsetzung
ihrer politischen Ziele ablehnten. Der Verein gilt als der
[3][Muslimbruderschaft] nahestehend. Gegen die Erwähnung im
Verfassungsschutz hatte er allerdings 2017 erfolgreich geklagt. Beobachtet
werde der Verein vom Verfassungsschutz allerdings weiterhin, wie
[4][Innensenator Andreas Geisel] (SPD) 2018 erklärte. Demgegenüber hatte
das Land Berlin Sabri für sein Engagement im interreligiösen Dialog 2015
den höchsten Verdienstorden des Landes verliehen.
Nach eigenen Angaben hat der Verein im März 14.000 Euro Corona-Soforthilfe
beantragt, nachdem es vom Senat öffentlich hieß, auch gemeinnützige Vereine
seien förderberechtigt. Die Soforthilfe sei gewährt und zweckgemäß für
Nebenkosten und Gehälter ausgegeben worden. Tatsächlich sei die Existenz
des Vereins während des ersten Lockdowns im Zuge ausgefallener
Gottesdienste und Spendengelder bedroht gewesen. Ein Subventionsbetrug
liege nicht vor.
Nach Durchsuchungen in anderen islamischen Einrichtungen habe es allerdings
Bemühungen gegeben, den Sachverhalt aufzuklären: „Trotz expliziter
schriftlicher Rückfrage des Vereinsvorstands nach der Rechtmäßigkeit der
Förderung sowie dessen Ankündigung, im Falle eines Irrtums die sofortige
Rückzahlung zu veranlassen, fanden die Durchsuchungen statt“, heißt es in
der Mitteilung des Vereins.
Der Zentralrat der Muslime (ZdM) beklagt die wiederholte Durchsuchung
vornehmlich islamischer Vereine im Zusammenhang mit Coronahilfen.
Tatsächlich gab es bereits zwei Razzien in Kreuzberg: in der
[5][Mevlana-Moschee] (150 Beamte) sowie dem [6][islamischen Verein Furkan]
(90 Polizist:innen). Der Berliner ZdM-Landesverband protestierte gegen
„dieses wiederholte und völlig unverhältnismäßige Vorgehen“, heißt es …
einer Mitteilung des Vorsitzenden [7][Mohamad Hajjaj]. Er fordere den
Justizminister zur Unterbindung und den Senat zur Aufklärung auf. Das
Vertrauen in den Rechtsstaat sei schwer beschädigt worden.
Hinzu kämen die hohen Kosten eines Großaufgebots gegenüber 14.000 Euro, wie
Hajjaj der taz sagte, zumal nicht feststehe, ob die Gelder überhaupt
irrtümlich ausgezahlt worden seien. Vielen Moscheen seien durch die
Coronapandemie Spenden weggebrochen – ohne Kollekte in Gottesdiensten
fehlten in größeren Gemeinden schnell 8.000 Euro monatlich, so Hajjaj.
Zudem habe die Neuköllner Begegnungsstätte versucht, Unklarheiten
„einwandfrei auf dem Dienstweg zu klären.“ Der Vertrauens- und Rufschaden
müsse schnellstmöglich wieder hergestellt werden.
## „Islamophobische Motivlage“
Die Staatsanwaltschaft bearbeitet derzeit knapp 900 Verfahren wegen
mutmaßlichen [8][Corona-Subventionsbetrugs] und bestätigte, dass es im
Falle der Neuköllner Moschee um 14.000 Euro ging. Polizeilich seien 2.100
ähnliche Vorgänge erfasst. Für Risikobewertungen und Umfang von
Durchsuchungen sei allerdings die Polizei verantwortlich, wie
Oberstaatsanwalt Martin Steltner der taz sagte.
Laut jener waren 60 Polizeibeamt:innen an den Durchsuchungen beteiligt. Man
habe einkalkulieren müssen, „dass es zu Menschenansammlungen kommen könnte,
die eine Behinderung von polizeilichen Vollzugsmaßnahmen beabsichtigen und
aus der heraus es zu Provokationen sowie zu körperlichen Angriffen auf
Einsatzkräfte kommen könnte“, wie es auf taz-Anfrage heißt – zu denen es
allerdings nicht kam.
Für eine Provokation hält der Anwalt des Vereins, Johannes Eisenberg (der
auch die taz rechtlich vertritt), eher den überdimensionierten
Polizeieinsatz: „Die gesamte Art und Weise der Durchsuchung, aber auch die
Verdachtsschöpfung ist völlig unangemessen und unverhältnismäßig und trägt
das Stigma einer islamophobischen Motivlage.“ Es sei ein „harsches
Sonderrecht“ gegen eine Moscheegemeinde inszeniert worden.
2 Dec 2020
## LINKS
[1] /Imam-Mohamed-Taha-Sabri-im-Interview/!5555242
[2] https://www.nbs-ev.de/images/articles/presse/harsches-sonderrecht-wird-gege…
[3] /Muslimbruderschaft/!t5016388
[4] https://www.tagesspiegel.de/berlin/neukoellner-dar-as-salam-moschee-innense…
[5] https://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/45-000-euro-corona-sofort…
[6] https://www.bz-berlin.de/berlin/neukoelln/betrug-bei-corona-hilfen-razzia-i…
[7] http://zentralrat.de/32810.php
[8] https://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/verdacht-auf-corona-subve…
## AUTOREN
Gareth Joswig
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