| # taz.de -- Clubsterben in Berlin: Alles am Fluss | |
| > Bei der Tagung „Stadt essen Kultur auf“ diskutiert die Kulturszene, wie | |
| > man Clubs vor Verdrängung schützen kann. Eine Kulturzone an der Spree | |
| > soll her. | |
| Bild: Links und rechts des Flusses wummern die Bässe. Die Spree nahe der Janno… | |
| An Ideen und Konzepten mangelt es ganz sicher nicht, wenn es darum geht, | |
| Berliner Clubs und Kulturstätten im Zentrum zukünftig [1][vor Verdrängung] | |
| zu schützen. Dies zeigte der Workshop „Stadt essen Kultur auf“, zu dem der | |
| ehemalige Kulturstaatssekretär Tim Renner (SPD) am Donnerstag und Freitag | |
| ins Radialsystem geladen hatte. | |
| Sein Ziel: Menschen mit sehr unterschiedlichem Blick auf die Szene | |
| zusammenbringen, Strategien entwickeln, damit nicht noch mehr Clubs | |
| schließen müssen, wie etwa das Rosi’s und der Farbfernseher, oder um ihre | |
| Existenz bangen müssen wie zuletzt die Griessmühle. | |
| Ein Thinktank von Leuten wie dem Clubcommission-Sprecher Lutz Leichsenring, | |
| Architektin und Stadtplanerin Ute Schneider, Musicboard-Chefin Katja | |
| Lucker, Autor Holm Friebe, Helge Rehders von der Senatsverwaltung für | |
| Kultur und Europa und viele weitere diskutierten Lösungsansätze, für Input | |
| sorgten unter anderem Vertreter von Visit Berlin, der Industrie- und | |
| Handelskammer, Clubbetreiber – sowie ein Kreuzberger Bezirkspolizist. | |
| Am Samstag stellten einige Beteiligte die Ergebnisse vor. Angedacht ist ein | |
| Kultur- und Kreativsektor, bei dem die Spree das alles verbindende Element | |
| ist. Renner erklärte, im Bereich von der Alten Münze bis zur Rummelsburger | |
| Bucht seien auf 3 Prozent Stadtfläche ganze 30 Prozent der Kulturstätten | |
| angesiedelt. In der Tat ist vor allem die Clubdichte dort enorm: Kater | |
| Blau, Holzmarkt, Radialsystem, Wilde Renate entlang des einen, KitKat, | |
| Tresor, Watergate, Festsaal Kreuzberg am entlang des anderen Ufers. | |
| Innerhalb dieses Bereichs soll ein „Plan rivière“ entwickelt werden. „Wir | |
| wollen Räume öffnen und die Stadt von der Spree aus denken“, sagte Holm | |
| Friebe. | |
| ## Spreerat und Fähre | |
| Zu dem Zweck soll unter anderem ein Spreerat gegründet werden, in dem | |
| Vertreter der beteiligten Bezirke Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg und | |
| Treptow-Köpenick sitzen und in dem die zuständigen Ressorts zusammengeführt | |
| werden. Einige Vorschläge sind schon sehr konkret: So soll eine Spreefähre | |
| die Infrastruktur verbessern und die Besucherströme lenken, „eingebunden in | |
| das BVG-System mit einem AB-Ticket“, so Friebe. | |
| Damit soll auch der „unglaubliche Druck auf der Warschauer Brücke“ genommen | |
| werden, den die Züricher Stadtplanerin Ute Schneider als Problem eruiert | |
| hat. Auch die Uferzonen will man – so möglich – begehbar machen. | |
| Der gesamte Bereich soll zu einer Art Kulturschutzgebiet erklärt werden: | |
| Bei kultureller Verdrängung ist Ersatz zu schaffen, bei Neubauprojekten | |
| sollen 10 Prozent der Nutzfläche für „Soziokultur“ (wie auch immer das | |
| genau definiert wird) Vorschrift werden. | |
| ## „Just go for it“ | |
| Die Ergebnisse von „Stadt essen Kultur auf“ hat man am Samstag bereits den | |
| zuständigen Staatssekretären und dem Bezirksstadtrat von | |
| Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt, vorgestellt, „die Reaktion war | |
| sehr positiv“, betonte Renner. Stadtplanerin Schneider glaubt, dass der | |
| Zeitpunkt zum Gegensteuern noch nicht verpasst sei: „Stadt ist ein | |
| Transformationsprozess, man kann ihn nicht aufhalten, man kann ihn aber | |
| steuern. Und Berlin ist sehr, sehr speziell im Vergleich zu allen anderen | |
| Metropolen, das Potenzial ist da. Ich würde sagen: Just go for it.“ | |
| In der Tat scheint der Schutz der Clubkultur nun auch endgültig in der | |
| Politik angekommen. So präsentierte die Opposition im Bundestag | |
| [2][vergangenen Woche den Vorschlag, Clubs fortan als Kulturorte | |
| anzuerkennen] und nicht wie bisher als Vergnügungsstätten zu führen. | |
| All die Handlungsempfehlungen an die Politik, die die Berliner | |
| Clubcommission in der [3][Studie zur Clubkultur 2019] ausgesprochen hat, | |
| scheinen tatsächlich nach und nach auf den Tisch zu kommen. Ein | |
| Kultur(schutz)sektor links und rechts der Spree könnte ein wichtiger | |
| Schritt zum Erhalt der Subkultur sein. | |
| 23 Feb 2020 | |
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| [3] https://www.clubcommission.de/clubkultur-studie/ | |
| ## AUTOREN | |
| Jens Uthoff | |
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