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# taz.de -- Corona in Berlin und die Clubs: Auch Clubszene nicht immun
> Immer mehr Clubs werden aus der Innenstadt verdrängt: eine Diskussion zum
> Thema dreht sich dann aber um das Coronavirus. Rettungsfonds gefordert.
Bild: Da war noch alles easy: Konzertabend im Club Gretchen
Berlin taz | Es sind finstere Zeiten für Berlins Kulturbetrieb – und auch
die Clubszene ist dagegen nicht immun. Denn Clubsterben hat nun eine
weitere akute Ursache: das Coronavirus. Dessen Ausbreitung wurde angesichts
der aktuellen Lage zum neuen Schwerpunkt bei einer Podiumsdiskussion zum
Thema Clubsterben am Mittwochabend. Caren Lay und Simone Barrientos von der
Linksfraktion im Bundestag hatten in den Kreuzberger Club Gretchen
eingeladen, doch die Veranstaltung musste hinter geschlossenen Türen
stattfinden. Das Podium und die taz waren noch da, nur das Publikum fehlte.
Stattdessen wurde die Diskussion auf Facebook live übertragen. Sicher ist
sicher.
Anwesend waren vier Schlüsselfiguren der Clubszene: Pamela Schobeß,
Vorsitzende der Clubcommission und Betreiberin des Clubs Gretchen, Jakob
Turtur, Betreiber des ehemaligen Clubs Johnny Knüppel, Michaela Krüger,
Pressesprecherin der Griessmuehle, und Sascha Disselkamp, Vorstandsmitglied
der Clubcommission und Betreiber des Sage Clubs, wo auch der KitKatClub zu
Hause ist.
Die Diskussion sollte über Bass und Baunutzungsverordnung gehen, über Rave
und Repression, über die Verdrängung von Clubs aus dem innerstädtischen
Raum, über die Einführung von Kulturschutzgebieten. Über die Anerkennung
von Clubs als Kulturstätten statt bislang als Vergnügungsstätten wie
Bordellen und Sexkinos. Über die Lage in der neulich geschlossenen und
vorübergehend im Exil weiter agierenden Griessmuehle. Über die Zukunft des
gefährdeten Sage Clubs. Eigentlich.
Doch nun stellt auch das neuartige Coronavirus eine Existenzbedrohung für
Berlins Clubszene dar. Knapp die Hälfte der bis Dienstagmorgen 48
bestätigten Covid-19-Infizierten in Berlin hatte sich vermutlich in Clubs
angesteckt: In McFit-Chef Rainer Schallers Club am Alexanderplatz The Reed
oder dem Loungeclub Trompete am Lützowplatz.
## Berghain macht dicht
Damit ist die Clubszene nun in den Fokus gerückt. Mittlerweile führen
einige Clubs Kontaktlisten beim Einlass, um alle Gäste im Fall eines
Ausbruchs zu benachrichtigen. Die Clubcommission hat eine Taskforce
gebildet, am Montag fand ein Krisentreffen mit 50 Clubbetreibern statt. Die
Clubcommission empfiehlt zudem, die Gästeauslastung auf 70 Prozent zu
reduzieren. Aber Gäste bleiben den Clubs von alleine fern.
Seit Mittwoch sind Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Gäste verboten, doch
Berliner Amtsärzte fordern, dass grundsätzlich alle Sport- und
Kulturveranstaltungen jeglicher Größe nicht mehr stattfinden sollen. Das
Berghain, das mit einer Kapazität von 1.500 Menschen zu den größten Clubs
der Stadt zählt, kündigte am Mittwoch an, dass alle Veranstaltungen bis zum
20. April ausfallen. Ein großer Schritt, den sich allerdings nicht jeder
Club leisten kann.
„Wenn wir vier Wochen nicht offen haben, bedeutet das einfach die
Insolvenz. Wirtschaftlich ist es ein Desaster“, sagte Pamela Schobeß im
leeren Club. Im Gretchen gebe es schon Besucher*innenrückgänge und
abgesagte Veranstaltungen. Einige internationale DJs können oder wollen
nicht anreisen. „Wir sind in einem Dilemma, weil wir natürlich die Gefahren
sehen. Aber auf der anderen Seite hat fast niemand von uns die Rücklagen,
um vier Wochen zu überleben. Mit einem Schlag wird eine gesamte Branche
wegbrechen.“
Für Schobeß stehen Clubs inhaltlich mit Opern und Theatern gleich, weil sie
auch ein Kulturprogramm kuratieren. Ein wichtiger Unterschied zu solchen
staatlich finanzierten Institutionen aber: „Wir sind so bekloppt, dass wir
Geld selbst erwirtschaften, um ein Kulturprogramm auf die Beine zu stellen.
Das ist ohnehin etwas Schwieriges. Wir machen das aus Leidenschaft und für
die Musik.“ Von dem Geld bleibe aber nicht viel übrig. Das führe auch dazu,
dass viele Clubs die extremen Mietsteigerungen der letzten Jahre schlicht
nicht tragen können.
## „Total unter Druck“
Caren Lay von der Linksfraktion fordert dringend eine finanzielle
Unterstützung: „Damit Clubs, die ohnehin schon total unter Druck stehen,
jetzt nicht auch noch das Genick gebrochen wird“. Das gelte auch für
sämtliche Kultureinrichtungen, so Lay weiter, aber natürlich auch für
Leute, die keinen festen Arbeitsvertrag haben. Viele in der Clubszene
arbeiten unter sehr prekären Bedingungen, an der Garderobe, am Einlass,
aber auch hinter dem DJ-Pult.
Die Clubcommission fordert nun ein Rettungsfonds vom Senat. Bei einer
Zwangsschließung von vier Wochen werde ein Rettungspaket in Höhe von
mindestens 10 Millionen Euro benötigt, heißt es. Am Ende hat die
Coronakrise vom eigentlichen Thema des Abends gar nicht abgelenkt. Vielmehr
ist die Situation sinnbildlich dafür, wie prekär und fragil die Clubszene
doch ist. Wer Theatern hilft, muss auch Clubs helfen. Denn sie gehören zur
Identität der Stadt.
12 Mar 2020
## AUTOREN
Nicholas Potter
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Clubszene
Verdrängung
Clubsterben
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Schwerpunkt Coronavirus
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Clubsterben
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