# taz.de -- Berliner Clubs sollen Kulturgut werden: Jenseits von Bumm, Bumm, Bu… | |
> Clubs stehen verwaltungstechnisch auf der Stufe von Bordellen. | |
> Rot-Rot-Grün will sie als Kulturstätte anerkennen und so besser schützen. | |
Bild: Gefühlt schon eine Ewigkeit her: ClubgängerInnen im Januar in Berlin | |
BERLIN taz | Bumm, Bumm, Bumm. Auch nach 30 Jahren setzen viele Menschen | |
Techno noch immer gleich mit einer monotonen Dumpfheit. Das ist in etwa | |
genauso bieder und dumm(pf) wie Walter Ulbrichts berühmt gewordenes „je, | |
je, je“, das sich wiederum auf das wesentlich vielschichtere „Yeah, Yeah, | |
Yeah“ der Beatles bezog, dessen kulturelle und gesellschaftliche Bedeutung | |
der damalige DDR-Staatsratsvorsitzende in seiner Simplizität aber nicht | |
begriff. Und überhaupt sollte Kultur ja – in Abwandlung eines anderen | |
berühmten Bonmots – immer die der Andersdenkenden, hier vielleicht eher | |
Andersfühlenden sein. | |
30 Jahre also, nachdem Techno und damit vor allem die Clubs, die diese | |
elektronische Musik in vielen Weiterentwicklungen spielen, das Nachtleben | |
Berlins weltberühmt gemacht haben, will die rot-rot-grüne Koalition diese | |
kulturelle Leistung endlich politisch offiziell anerkennen: Clubs sollen | |
fortan Kulturstätten sein. | |
Sie stünden damit nicht mehr auf einer Stufe wie Bordelle oder Spielhallen, | |
die bisher ebenfalls als Vergnügungsstätten gelten. Das sieht ein Antrag | |
ans Abgeordnetenhaus vor, den die drei Regierungsfraktionen am Rande des | |
letzten Plenums vergangenen Donnerstag fertig gestellt haben und der, wenn | |
es gut läuft, noch bis Ende des Jahres beschlossen sein könnte. Begründet | |
wird der Plan unter anderem damit, dass die Berliner Clubkultur „ein global | |
bekanntes Aushängeschild und ein kultureller Motor der Musikszene“ sei. | |
Das ganze Vorhaben klingt so gar nicht nach Party und ekstatischem Tanzen, | |
sondern eher nach bürokratischer Aktenwälzerei. Aber tatsächlich liegen da | |
auch viele Probleme, mit denen Clubs seit Jahren in Berlin konfrontiert | |
sind und deren Folgen immer mal wieder als „Clubsterben“ beklagt werden. | |
Denn bei Genehmigungen gilt die Baunutzungsverordnung, und da haben „Clubs | |
und Live-Spielstätten“, sprich Konzerträume, in Wohngebieten etwa überhaupt | |
nur eine Chance auf eine Genehmigung, wenn sie als Kultur gelten, erläutert | |
der grüne Abgeordnete Georg Kössler, einer der Initiatoren des Antrags. Für | |
ihn wäre die Anerkennung ein „politisches Signal“ in dem Sinne, dass Clubs | |
geholfen werden soll, wenn sie Probleme mit Lärm, Nachbarn, neuen | |
EigentümerInnen etc. bekommen. | |
## Was übers Bumm, Bumm, Bumm hinaus geht | |
Dafür braucht es nach guter deutscher Tradition natürlich eine | |
Beschreibung, die über das Bumm, Bumm, Bumm hinaus geht. Schützenswert, so | |
formuliert es der Antrag, sollen Clubs und Konzertstätten sein, „wenn sie | |
einen regelmäßigen Spielbetrieb und ein anerkanntes künstlerisches Profil | |
aufweisen, das durch kuratiertes Programm, musikästhetischen Anspruch und | |
ein raumgestalterisches Konzept gekennzeichnet ist.“ Offen bleibt da nur | |
die Frage, wer feststellt, wann ein Profil „anerkannt“ ist. | |
Der Senat soll künftig dafür sorgen, dass alle Bezirke bei den | |
Genehmigungen von Clubs einheitlich vorgehen. Schließlich, so Kössler, gebe | |
es in Berliner Verwaltungen immer noch Menschen, die das Wort nicht kennen. | |
Zudem solle sie eine Clubkataster anlegen, also eine Liste aller Clubs, um | |
bei der städtebaulichen Entwicklung die Anliegen der Clubs „konfliktarm“ zu | |
berücksichtigen. Und Berlin soll eine Bundesratsinitiative starten mit dem | |
Ziel, die Baunutzungsverordnung zu reformieren und eine Anerkennung der | |
Clubs auch auf Bundesebene zu erreichen. Ähnliche Anträge haben [1][im | |
Bundestag bereits die Linken] und die Grünen gestellt. | |
Mit der aktuellen Coronakrise, die die Clubs härter trifft als alle anderen | |
kulturellen Einrichtungen, hat der Antrag nichts zu tun, berichtet der | |
grüne Abgeordnete. Ein Jahr lang habe die Abstimmung in der Koalition | |
gebraucht. Damals war vor allem [2][die Verdrängung durch stark steigende | |
Mieten] eine Gefahr. Kössler hofft, dass dank der kulturellen Anerkennung | |
Clubs künftig häufiger auf landeseigene Ersatzräume zurück greifen können. | |
Was Corona angeht, ist seine Prognose hart, aber klar: Bis nächstes Jahr | |
werden die Clubs [3][nicht öffnen können]. „Sie müssen deshalb von der | |
öffentlichen Hand finanziert werden, sonst machen sie ganz dicht.“ Der | |
Kampf für diese Gelder und wer sie dann genau erhält, dürfte schwieriger | |
werden als der für den rot-rot-grünen Antrag. | |
15 Jun 2020 | |
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## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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