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# taz.de -- Kulturschiff MS Stubnitz in Hamburg: Plötzlich ist Kultur zu laut
> Dem Kulturschiff MS Stubnitz in Hamburg droht wegen Lärmbeschwerden das
> Aus. Die Stadt muss endlich konkrete Hilfe anbieten, finden die
> Betreiber.
Bild: Kultur direkt vorm Balkon: die Stubnitz in der Hamburger Hafencity
Hamburg taz | Auf das Deck des [1][Kulturschiffs MS Stubnitz] scheint am
späten Nachmittag die pralle Sonne, einige Tische und Stühle stehen drauf,
der Boden hat jüngst frische grüne Farbe bekommen, sodass kaum noch
Roststellen zu erkennen sind. „Eigentlich können wir hier im Sommer auch
wunderbar kleine Veranstaltungen organisieren“, sagt Stefan Hangl. Doch an
Außenveranstaltungen ist auf dem Schiff längst nicht mehr zu denken. Das
noch größere Problem ist jedoch: Auch drinnen wird nun die Luft eng.
Die MS Stubnitz liegt seit acht Jahren an der Kaikante in der Hamburger
Hafencity, erhielt zahlreiche Preise für das subkulturell-orientierte
Kulturprogramm. Klar ist für Hangl jedoch nun: Lange geht das nicht mehr
gut. Seit im jüngsten Hamburger Stadtteil die ersten Bewohner:innen in
den angrenzenden Neubauten eingezogen sind, ist die Existenz des Schiffes
als Veranstaltungsort gefährdet.
„Wenn die Beschwerden über Lärmbelästigungen von einigen wenigen Nachbarn
anhalten, dann findet dieses Projekt vielleicht schon in kurzer Zeit sein
Ende“, sagt Hangl. „Wir können unsere Veranstaltungen kaum mehr normal
durchführen“, fügt Martin Salzwedel hinzu, der ebenso im Betreiberverein
der Stubnitz aktiv ist.
Seitdem Kulturveranstaltungen im Schiff wieder regelhaft stattfinden, kommt
abends regelmäßig die Polizei. „Wir haben ja im Rahmen unserer
Möglichkeiten bereits an dem Problem gearbeitet“, sagt Hangl. Auf dem Deck
finden keine Veranstaltungen mehr statt, über ein Sorgentelefon sind die
Veranstalter für Nachbar:innen bei akuten Beschwerden erreichbar, der
Bass wird bei Clubnächten und Konzerten im Inneren ohnehin schon herunter
gedreht.
## Ein neuer Liegeplatz an den Elbbrücken
„Das führte jedoch auch schon dazu, dass Partys dadurch abrupt endeten“,
sagt Salzwedel. Gesprächsangebote an die sich beschwerenden
Nachbar:innen seien nur mäßig angenommen worden, Klagen andererseits
bereits angedroht.
Ideen, wie der Konflikt zu lösen wäre, hat die Crew: Die klappernde und
laute Gangway, über die Besucher:innen aufs und vom Schiff kommen,
könnte ausgetauscht werden, damit wäre eine Quelle der großen
Lärmemissionen weg. „Dieser Lärm wurde uns von den Nachbar:innen als
eines der größten Probleme genannt“, sagt Salzwedel.
Und ganz am Ende der Hafencity, wo die Elbbrücken Hamburgs Norden und Süden
verbinden, wäre ein besserer Liegeplatz: Dort sollen Bürogebäude entstehen,
schlafende Nachbar:innen würden dort also nicht gestört. „Das besprechen
wir nun schon seit langer Zeit mit der Stadt“, sagt Hangl. Nur: Mehr als
warme Worte sind dabei bislang nicht herausgekommen.
„Die [2][MS Stubnitz hat sich zu einem wichtigen Veranstaltungsort
entwickelt], dessen Erhalt uns sehr am Herzen liegt“, sagt Enno Isermann
von der Kulturbehörde. Es sei für alle Beteiligten „sehr wichtig“, die
Zukunft der Stubnitz zu sichern. „Deshalb versuchen wir und andere
städtische Akteure derzeit mit großem Engagement, eine Lösung für einen
langfristigen Erhalt zu finden.“
## Warme Worte der Kulturbehörde helfen nicht
Über die warmen Worte freut sich die Stubnitz-Crew durchaus – nur helfe das
nicht weiter. „Wenn wir ein konkretes Versprechen für einen Umzug an die
Elbbrücken bekämen, würde das den Konflikt sicher entschärfen“, sagt
Salzwedel.
Auf die Frage, ob die Stadt nicht immerhin den Austausch der lärmenden
Gangway für geschätzte 25.000 bis 30.000 Euro unterstützen könne, antwortet
die Behörde ausweichend. Bei dem Interessenkonflikt zwischen
Veranstaltungsbetrieb und Lärmschutz gehe es „leider nicht nur“ um diesen
Punkt. Außerdem werde ein Umzug zu den Elbbrücken bereits geprüft.
Insgesamt sei es aber nun mal eine „schwierige Gemengelage“, so Isermann.
Dabei steht die Stubnitz exemplarisch für ein akutes Problem: Die
[3][Hamburger Musikclub-Szene] hat es nach den Coronalockdowns schwer in
mehrfacher Hinsicht: Die Zahl der Zuschauer:innen hat spürbar
abgenommen. Und es gibt durch die Ruhe, die die Menschen während der
Lockdowns erfahren haben, ein neues Lärmbewusstsein überall dort, wo Clubs,
Konzertstätten oder Gastronomie in der Nachbarschaft sind. Letzteres zeigte
sich kürzlich auch [4][auf St. Pauli, wo sich eine Initiative von
Anwohner:innen gegen den Lärm der Kneipen und Clubs gegründet hatte.]
Die Clubs fühlen sich von den zuständigen Behörden im Stich gelassen, auch
weil diese sich schließlich mit der kulturellen Vielfalt rühmen. Im Mai
hatte unter anderen das Hamburger Clubkombinat als Vertreterin der
kleineren Musikstätten und Clubs das Manifest „Wir brauchen Räume“
veröffentlicht.
Darin wird auf die nötige Bereitstellung von Flächen und Räumen zur freien
kulturellen Nutzung verwiesen: „In der verdichteten Stadt geraten Freiräume
für kreative Nutzungen zunehmend aus dem Blickfeld“, heißt es im Manifest.
Wo neue Siedlungen oder Stadtteile entstünden, werde durch Vorgaben
vielleicht progressive Verkehrspolitik mitgedacht – über die schon
bestehenden oder aber künftig begehrten Kulturräume werde dagegen kaum
nachgedacht.
11 Oct 2022
## LINKS
[1] /Gruender-uebers-Kulturschiff-Stubnitz/!5775760
[2] https://www.stubnitz.com/
[3] /Konzertschuppen-in-der-Pandemie/!5743786
[4] /Party-auf-St-Pauli/!5864072
## AUTOREN
André Zuschlag
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