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# taz.de -- Linke Caren Lay über Berlins Clubkultur: „Wir wollen Kulturschut…
> Die Linke hat im Bundestag einen Antrag gegen das Clubsterben gestellt.
> Ein Interview mit Caren Lay, die den Antrag initiiert hat.
Bild: Museumstaugliche Clubkultur: die Originaltür zum Technoclub Tresor im Hu…
taz: Frau Lay, immer mehr Clubs machen dicht. Seit 2010 haben bundesweit
350 Diskotheken und Clubs ihre Türen geschlossen. Woran liegt das?
Caren Lay: Ein Hauptfeind der Clubszene ist der Ausverkauf der Städte, also
die Tatsache, dass sogenannte Investoren immer mehr Geld mit Immobilien und
Grundstücken machen wollen. Da sind häufig Clubs sozusagen „im Weg“. Viele
Clubs waren auch als Zwischennutzung gedacht. Heute gelten diese Orte als
Filetgrundstücke, die man nun als Einkaufszentren und Luxuswohnungen
hochpreisig vermarkten kann. Das hat schon dazu geführt, dass viele Clubs
weichen mussten. Das Mediaspree-Projekt hier in Berlin ist ein gutes
Beispiel dafür.
Wie werden sie genau verdrängt?
Mietverträge werden nicht verlängert und Clubs haben wie andere kleine
Läden ganz schlechten mietrechtlichen Schutz vor Verdrängung. Auch
Lärmbeschwerden von Anwohnern, die immer näher an die Clubs herangerückt
sind, spielen eine Rolle. Es gibt wenig Geld, diesen Lärmschutzmaßnahmen zu
finanzieren, und auch rechtlich wenig Möglichkeit, in solchen Fällen die
Clubs zu schützen.
Auch Kitas und Bäckereien sind von Verdrängung bedroht. Ist das Clubsterben
also nicht bloß ein Symptom eines viel größeren Problems, nämlich eines
angespannten Immobilienmarkts, den wir als Ganzes in den Griff bekommen
müssten?
Natürlich wollen wir auch Kitas, kleine Läden und Mieter*innen vor
Verdrängung schützen. Aber hier geht es auch darum, Clubs als Teil unserer
Kulturlandschaft zu erhalten, wertzuschätzen und nicht zuzusehen, dass
diese Subkultur, die gerade in Berlin sehr blüht, komplett an die Wand
gefahren wird.
Das Thema scheint Ihnen eine Herzensangelegenheit zu sein.
Ich bin selbst ausgewiesene Freundin des Nachtlebens und will diese
kulturelle Vielfalt der Szene schützen. Dass Clubs außerdem noch ein
Wirtschaftsfaktor in einigen Städten sind, möchte ich mal erwähnt haben,
ist aber nicht der entscheidende Punkt. Sie sind Freiräume, in denen
Menschen experimentieren können und freier leben als in der
Mainstream-Gesellschaft. Insofern finde ich es gut, Clubs mit einem eigenen
Antrag zu würdigen. Das Clubsterben ist jetzt offizieller Bestandteil der
Politik des Deutschen Bundestages.
Was steht also in Ihrem Antrag?
Wir wollen im Mietrecht einen besseren Kündigungsschutz, der Clubs – wie
auch kleine Läden – besser vor Verdrängung schützt. Wir wollen auch, dass
es sogenannte Kulturschutzgebiete gibt, in denen beispielsweise die
Lärmschutzstandards nicht so sind wie in Wohnanlagen und es großzügigere
Regelungen gibt, damit die Clubs eben auch erhalten bleiben. Das
RAW-Gelände wäre ein gutes Beispiel für ein mögliches Kulturschutzgebiet in
Berlin. Wir wollen außerdem das „agent of change“-Prinzip einführen:
Investoren und neue Eigentümer sollen verpflichtet werden, selbst für
Lärmschutzmaßnahmen aufzukommen, wenn ihre Immobilien in der Nähe bereits
bestehender Clubs liegen.
Clubs werden bislang als Vergnügungsstätten wie Spielhallen und Sexkinos
und nicht als Kulturstätten behandelt. Auch das will der Antrag ändern.
Warum finden Sie den bisherigen Status von Clubs problematisch?
Weil das in der Praxis ganz häufig dazu führt, dass Clubs einen ganz
schlechten Schutz vor Verdrängung haben. Wenn sie immerhin schon mal als
Kultureinrichtung in der Baunutzungsverordnung eingestuft wären, dann
hätten sie zumindest einen besseren Standortvorteil und einen besseren
Schutz, was kommunale Entscheidungen anbelangt. Es gibt aber nun auch das
sogenannte Berghain-Urteil, wo selbst ein Gericht zu der Erkenntnis
gekommen ist, dass Clubs mit den Einrichtungen der vermeintlichen
„Hochkultur“ gleichgestellt werden sollen. Man muss diese Trennung von
Hochkultur und Populärkultur in der Kulturpolitik überwinden.
Ein Antrag der Opposition wird ohne Unterstützung wahrscheinlich scheitern.
Gibt es Gespräche mit anderen Fraktionen?
Die Grünen haben nach uns selber einen Antrag gemacht, der eigentlich fast
die gleichen Maßnahmen beinhaltet – so funktioniert Politik. Insofern hat
sich da schon mal der Druck auf andere Fraktionen gelohnt. Ich hoffe, dass
jetzt sich auch die CDU und SPD unter Druck gesetzt fühlen und etwas
machen. In den nächsten Monaten stehen Entscheidungen an bezüglich einer
Baugesetzbuchnovelle und einer Mietrechtsnovelle. Darauf zielt der Antrag
in erster Linie. Ich will aber auch das Thema auf die Agenda setzen, dass
Clubkultur im Bundestag repräsentiert ist.
In der Zwischenzeit sind in Berlin mehrere renommierte Clubs wie das About
Blank, der Salon zur Wilden Renate und die Else von der Verlängerung der
A100-Stadtautobahn bedroht. Ihr Antrag würde das aber nicht aufhalten
können. Was kann man hier machen?
Das sind drei wunderbare Clubs, die erhalten werden sollten. Ihnen würde
helfen, wenn man die Autobahn nicht weiterbaut oder die zumindest so baut,
dass die Clubs nicht weichen müssten. Da ist auch das letzte Wort noch
nicht gesprochen. In den Zeiten von Klimaprotesten und Klimastreik ist es
nicht das richtige Signal, eine sinnlose Stadtautobahn weiterzubauen – es
ist völlig absurd. Auf Stadtebene haben wir als Linke zusammen mit den
Grünen in der Koalition durchgesetzt, dass wir die Pläne des Autobahnbaus
nicht weiter verfolgen. Aber im Bund, weil es eine Bundesautobahn ist,
wollen das SPD und CDU machen. Ich hoffe, dass jetzt die für Clubpolitik
zuständige Kolleg*innen der anderen Fraktionen vielleicht das zum Anlass
nehmen, diesen Bau zu stoppen.
Viele Berliner Clubs sind in einer rechtlichen Grauzone entstanden. In den
Nachwendezeiten in den Neunziger-und durchaus auch noch Nullerjahren haben
sich Clubbetreiber leerstehende Gebäude ohne viel Geld angeeignet und in
weltbekannte Technoläden verwandelt. Heutzutage sind die Hürden – vor allem
die finanziellen und bürokratischen – viel höher. Wie kann man die
Entstehung neuer Clubs fördern?
Das waren ganz besondere Bedingungen, die vor allem Berlin, aber auch
andere ostdeutsche Städte nach der Wende, geboten haben – und das wird so
schnell nicht wieder kommen. Clubs sind immer umgezogen, von einer Ruine in
die nächste. Das hat natürlich auch ein Teil der Spannung ausgemacht. Die
wilden Jahre sind vorbei. Das ist bedauernswert. In kleineren Städten gibt
es immer noch ungenutzte Güterhallen, Fabrikhallen oder Freiräume. Ich kann
nur ermutigen und sagen: einfach machen. Aber wir haben im Antrag explizit
geschrieben, dass Clubkultur auch in Innenstädten möglich sein muss. Es
entstehen auch neue Läden – das Mensch Meier zum Beispiel. Es gibt durchaus
Nachwuchs an neuen Clubs und linken Kollektiven, die Partyreihen und
Festivals machen. Insofern sollte man nicht der Techno-Kultur das
Totenglöckchen läuten. Kulturschutzgebiete würden aber die Entstehung neuer
Clubs erleichtern.
Nach einer langen Woche im Bundestag, wo gehen Sie dann am Wochenende gern
feiern?
Auch hier gilt: Die wilden Jahre sind vorbei. Ich gehe nur noch in Clubs,
die auch sonntags aufhaben und in denen ich nicht die Älteste bin. Aber da
hat Berlin ja zum Glück einiges zu bieten.
29 Nov 2019
## AUTOREN
Nicholas Potter
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