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# taz.de -- CTM-Festival 2020: Die Londonisierung Berlins
> Der Senat fördert nun CTM, die Festival-Plattform für elektronische Musik
> und Club-Kultur – und lässt die Clubs sterben.
Bild: Im Glanz der Clubmusik: Auch Squarepusher war Gast beim CTM-Festival
Zweihundert Künstler:innen auf über hundert Events: Vergangenen Sonntag
endete das CTM-Festival, das Berlin jährlich für zehn Tage zur weltweiten
Hauptstadt elektronischer Musik macht. Nicht nur einer der Termine, die
jährlich rund drei Millionen Club-Touristen in die Stadt spülen, sondern
auch der zentrale Ort, um [1][elektronische Musik und Club-Kultur
international] zu diskutieren. Dieser Austausch ist wichtig, das weiß
mittlerweile auch der Berliner Kultursenator, der das Fortbestehen des CTM
nun mit einer jährlichen Grundsicherung von 650.000 Euro über die nächsten
vier Jahre absichert.
Doch während man sich in Berlin gern mit Aushängeschildern elektronischer
Musik wie dem CTM oder dem Atonal-Festival schmückt, erodiert der Nährboden
für Club-Kultur: die Clubs selbst. Denn neben dem CTM-Closing gab es diesen
Sonntag ein zweites: die Abschiedsparty der Grießmühle. Vor wenigen Wochen
erfuhren die Betreiber des Techno-Clubs, dass der neue Vermieter, der
Immobilieninvestor Siag Property II GmbH, den Mietvertrag nicht verlängern
wird, um das Club-Areal ohne Vorbelastung verkaufen zu können. Die
[2][Grießmühle darf zwar für die nächsten zwei Monate weitermachen,]
allerdings in Ausweichlocations. Hier konnte die Politik nicht helfen. Es
war die Clubszene selbst, die sich solidarisch zeigte: Zwei
Veranstaltungsorte leihen der Grießmühle ihre Räumlichkeiten. Ob es sich
bei der Übergangslösung nur um eine lebensverlängernde Maßnahme handelt
oder der Club tatsächlich eine neue Heimstatt finden wird, ist bisher
offen. Auch dem KitKat, Berlins bekanntestem Fetisch-Club, droht in den
kommenden Monaten die Schließung. Und wieder ist es das profitgeleitete
Interesse eines Investors, das einen Club bedroht.
Man kann Berlin nicht vorwerfen, das Clubsterben nicht ernst zu nehmen.
Aber die Hilflosigkeit der Politik im Kampf gegen die subkulturelle
Verödung ist selbst verschuldet. Denn sie stellt Clubs rechtlich nicht mit
Konzertsälen, Opern, Theatern und Programmkinos gleich, sondern mit
Bordellen und Spielotheken. Und an solche „Vergnügungsstätten“ stellt der
Staat höhere Ansprüche, etwa bei Bau- und Lärmschutz.
Doch selbst mit einer Gleichstellung von Clubs mit Theatern, wie sie
mittlerweile sogar die Landesfraktion der CDU fordert, bleibt das
einzigartige kulturelle Erbe Berlins bedroht. Ein geplantes Fachgespräch im
Bundestag wird diesen Trend nicht stoppen können, weder in Berlin noch
anderswo in der Republik.
Denn wenn millionenschwere Investoren und mittelständische Clubbetreiber um
das gleiche Fleckchen Land in einer zugebauten Metropole kämpfen, ist klar,
wer gewinnt. Es droht die Londonisierung Berlins: Während Bürogebäude und
Luxuswohnungen die letzten Freiräume der Stadt versiegeln, wird Sub- und
Clubkultur immer weiter an den Stadtrand gedrängt.
Früher feierte man direkt in Mitte, heute fährt man dazu an die
Rummelsburger Bucht und morgen vielleicht nach Marzahn oder Frankfurt
(Oder). Subventionen und baurechtliche Erleichterungen allein werden das
nicht verhindern können. Das einzig wirksame Mittel: ein Bestandsschutz für
Veranstaltungsorte innerhalb des S-Bahn-Rings. Etwas Ähnliches fordern
Linke und Grüne bereits auf Bundesebene.
8 Feb 2020
## LINKS
[1] /Abschluss-der-CTM-2020-in-Berlin/!5657958
[2] /Kampf-um-Club-Griessmuehle-in-Berlin/!5655903
## AUTOREN
Patrick Wagner
## TAGS
CTM Festival Berlin
Clubkultur
Berliner Nachtleben
Clubmusik
Clubsterben
Musik
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