# taz.de -- Volksbegehren stellt Plan vor: Enteignen hält länger | |
> Das Volksbegehren „Deutsche Wohnen und Co enteignen“ stellt Konzepte für | |
> die Umsetzung vor. Das soll Auftakt sein für stadtweite Diskussionen. | |
Bild: Gespenster gehen um auf dem Berliner Wohnungsmarkt – die Gespenster der… | |
BERLIN taz | Das Volksbegehren Deutsche Wohnen und Co enteignen will seine | |
interne Strategiedebatte für die ganze Stadt öffnen. In einem der taz | |
vorliegenden Konzept stellt [1][die Initiative] erstmals ausführlich | |
konkrete Überlegungen zur Umsetzung und möglichen Effekten von Enteignungen | |
vor. Die Überlegungen orientieren sich dabei auch an einem [2][Gutachten | |
des Bundestags], das Vergesellschaftungen auf Landesebene für | |
verfassungskonform erklärte: Als Vehikel für Enteignungen soll eine Anstalt | |
des öffentlichen Rechts dienen, die trotz Schuldenbremse die nötigen Kosten | |
stemmen könnte, um Immobilien-Konzerne zu entschädigen. | |
Am Freitag um 19 Uhr wollen Protagonist:innen der wohnungspolitischen | |
Kampagne das bisher interne Konzept im [3][Aquarium am Kottbusser Tor] | |
einer breiteren Öffentlichkeit vorstellen und zur Debatte stellen. Die | |
Broschüre „Vergesellschaftung und Gemeinwirtschaft – Lösungen für die | |
Berliner Wohnungskrise“ hat 36 Seiten und enthält neben konkreten Ansätzen | |
zur Umsetzung eines Enteignungsgesetzes Überlegungen, welche Vorteile die | |
Vergesellschaftung von Wohnraum aus Sicht der Kampagne bieten. | |
Mit dem Vorstoß ruft sich das nächste wohnungspolitische Groß- und | |
Mobilisierungsthema in Berlin in Erinnerung – nur einen Tag nachdem das | |
Abgeordnetenhaus den für fünf Jahre gültigen [4][Mietendeckel beschlossen] | |
hat. | |
Der sei zunächst mal eine Atempause für Berlins Wohnungsmarkt, aber nicht | |
nachhaltig genug, wie Ralf Hoffrogge vom Volksbegehren der taz sagt: „Der | |
Deckel gilt fünf Jahre, was wir bauen wollen, ist eine Stadt, die auch noch | |
für unsere Kinder und Enkel bezahlbar ist.“ Im Vergleich seien die im | |
Grundgesetz vorgesehenen Möglichkeiten der Vergesellschaftung eher noch | |
rechtssicherer als der Deckel: „Was wir vorschlagen, sind keine | |
Wolkenkuckucksheime, sondern machbare und sinnvolle Konzepte“, sagt | |
Hoffrogge. | |
Die Enteignungs-Volksinitiative will mit Vergesellschaftung von | |
Immobilienkonzernen mit über 3.000 Wohnungen für Entspannung auf Berlins | |
Wohnungsmarkt sorgen. Gegen Entschädigungen sollen damit große | |
Wohnungsbestände wieder in die öffentliche Hand überführt werden. Kosten | |
dafür würden sich wohl, je nach Schätzung, auf 7 bis 37 Milliarden Euro | |
belaufen. Das Volksbegehren hat mit über 77.000 Unterschriften die erste | |
Hürde zum Entscheid bereits genommen und liegt derzeit zur Rechtsprüfung in | |
der Innenverwaltung von Andreas Geisel (SPD). | |
Auf Nachfrage zum aktuellen Stand hieß es am Donnerstag, dass die Prüfung | |
der Verfassungskonformität weiter andauere. Das Grundgesetz sieht | |
Vergesellschaftungen vor – ob das in Berlin auch für Wohnraum möglich ist, | |
ist strittig. [5][Verschiedene Gutachten] bejahten diese Frage vor einigen | |
Monaten, andere kamen [6][zum gegenteiligen Schluss]. Ein anvisiertes | |
Abschlussdatum der Prüfungen konnte ein Sprecher der Behörde noch nicht | |
nennen. | |
In der Broschüre erläutert die Initiative zunächst ihren Begriff von | |
Vergesellschaftung als Überführung von privatem in öffentliches Eigentum | |
und gemeinwohlorientierte und demokratische Bewirtschaftung. Auf den | |
übrigen Seiten führt das Papier dann aus, was das mit Blick auf Wohnraum | |
bedeuten soll: eben keine Renditeorientierung, dafür stabile, leistbare | |
Mieten und Instandhaltungen – Punkte, bei denen viele große | |
Wohnungsunternehmen Mieter:innen frustrierten. Es geht um die Vorteile | |
einer Gemeinwirtschaft im Immobiliensektor: „Als Vermieterin könnte die | |
Stadt Räume sichern und neu öffnen, die gerade wegspekuliert werden“, heißt | |
es mit Blick auf Verdrängungen von Gewerbemietern, Ateliers oder | |
Jugendzentren. | |
## Nächste Großdemo angekündigt | |
Enteignung von Wohnraum soll laut Konzept zugleich ökonomisch nachhaltig | |
sein. Die Vergesellschaftung sichere Arbeitsplätze und bessere | |
Arbeitsbedingungen („Hausmeister statt Callcenter“). Klagen von | |
Wirtschaftsverbänden und Handelskammern über ausbleibende Aufträge seien | |
irreführend, weil in landeseigenen Gebäuden der Instandhaltungsstau | |
beseitigt werde und zu zahlreichen Aufträgen für Handwerk und Baugewerbe | |
sorgen werde. | |
Zudem seien bei ausbleibenden Mieterhöhungen „enorme Einsparungen bei | |
Transferleistungen zu erwarten“. Das Land unterstütze viele Mieter:innen | |
durch Wohngeld und Hartz-IV-Transferleistungen, würden deren Mieten weniger | |
erhöht, sei viel einzusparen. Verbleibende Überschüsse gingen nicht an | |
Aktionäre, sondern in eine „Anstalt des öffentlichen Rechts“, in welche d… | |
Enteignungs-Initiative den Wohnraum überführen wolle. | |
Die zu schaffende Anstalt des öffentlichen Rechts soll dabei demokratisch | |
sein. Entscheidungen sollen Mieter:innen, Senat, Beschäftigte und | |
Stadtgesellschaft gleichermaßen treffen. Für Beteiligung sollen Siedlungs- | |
und Gebietsmieterräte sorgen. Ein demokratischer Prozess würde mit einem | |
Vergesellschaftungsgesetz erst richtig losgehen: Berliner:innen „könnten | |
als gemeinsame Eigentümerinnen entscheiden, was mit ihrer Stadt passiert.“ | |
Zur nächsten „Mietenwahnsinn“-Großdemo mobilisiert das „Bündnis gegen | |
Verdrängung und Mietenwahnsinn“ derweil schon: Am 28. März sollen wieder | |
Tausende Menschen gegen den Mietenwahnsinn auf die Straße gehen. Auch im | |
Demo-Aufruf heißt es, man befürworte die Einführung eines Mietendeckels. | |
Die weiter bestehenden Renditeerwartungen von Vermietern führten aber | |
weiter zu Umwandlungen in Eigentumswohnungen, Hausverkäufen und | |
Eigenbedarfsklagen. Das Bündnis will mit der Kundgebung darauf hinweisen, | |
dass der Deckel „akute Verdrängungsprozesse in Berlin nicht aufhält“. | |
30 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Deutsche-Wohnen-und-Co-enteignen/!t5562213 | |
[2] /Enteignung-von-Wohnungskonzernen/!5620766 | |
[3] http://www.dwenteignen.de/2020/01/veranstaltung-nach-dem-deckel-ist-vor-der… | |
[4] /Berlin-beschliesst-Mietendeckel/!5660961 | |
[5] https://www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/wohnraum/vergesellschaftung/ | |
[6] /Enteignung-von-Wohnungsunternehmen/!5581723 | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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