Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Enteignungs-Volksbegehren in Berlin: Geiseldrama bald vorbei
> Das Enteignungs-Volksbegehren wird wohl zugelassen. Letzte Bedenken
> räumte der Senat im Gespräch mit der Volksinitiative aus.
Bild: Zulässiges Volksbegehren: Die Enteignung von großen privaten Wohnungsko…
Berlin taz | Die rechtlichen Prüfungen des Enteignungs-Volksbegehrens sind
fast abgeschlossen – und werden wohl für die Volksinitiative [1][„Deutsche
Wohnen & Co. enteignen“] positiv ausgehen: Ihr Anliegen,
Wohnungsunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen zu vergesellschaften und
in kommunale Wohnungsgesellschaften zu überführen, ist aus Sicht des Senats
offenbar rechtlich zulässig. Letzte Bedenken wurden am
Donnerstagsnachmittag in einem Gespräch zwischen Vertreter:innen des
Volksbegehrens, des Senat und Koalitionsparteien ausgeräumt. Anfang Juli
könnte die Prüfung abgeschlossen sein.
Von Senatsseite waren neben dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller
(SPD) auch Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) sowie Senatskanzleichef
Christian Gaebler (SPD) und Vertreter:innen aus den rot-rot-grünen Parteien
dabei.
Nina Stahr, die sich als Landesvorsitzende der Grünen an den Gesprächen
beteiligte, sagte der taz am Donnerstagnachmittag: „Wir sind einen guten
Schritt weitergekommen. Die Prüfung wird jetzt schnell abgeschlossen.
Anfang Juli wird es wahrscheinlich in den Senat kommen.“ Und Kalle Kunkel
vom Volksbegehren sagte der taz: „Wir sind sehr zufrieden mit dem Gespräch.
Es gibt keine Zweifel mehr, ob Enteignungen grundsätzlich möglich sind. Man
hat uns zugesagt, dass die Prüfungen nun schnell abgeschlossen werden.“
Die Mietaktivist:innen hatten sich bei ihrer Enteignungsforderung gegen
Mietenwahnsinn und renditeorientierte Wohnraumbewirtschaftung zu Lasten von
Mieter:innen stets auf den [2][Artikel 15 des Grundgesetzes] berufen.
Dieser ermöglicht grundsätzlich Vergesellschaftungen zum Wohle der
Gemeinschaft – bei einer Entschädigung.
Mit der rechtlichen Zulassung des Antrags auf ein Volksbegehren durch die
Innenverwaltung von Andreas Geisel (SPD) muss sich der Senat binnen vier
Monaten mit der Enteignungs-Frage befassen. Theoretisch könnte er das
direktdemokratische Anliegen dann bereits umsetzen.
Allerdings ist das unwahrscheinlich, weil Rot-Rot-Grün in der
Enteignungs-Frage uneins ist: Während die Linke das Volksbegehren vollends
und Grüne mit ein paar Abstrichen befürwortet, lehnt die SPD es ab –
entsprechende Beschlüsse hatten die Parteien im vergangenen Jahr getroffen.
## Nochmal 175.000 Unterschriften benötigt
Für Grünenchefin Nina Stahr ist allerdings noch nicht ausgemacht, dass das
Anliegen abgelehnt wird: „Mal sehen, ob der Senat das übernimmt oder nicht.
Wir halten die Ziele für richtig – würden aber auf qualitative Kriterien
gehen für die Vergesellschaftung – und halten sie nur als absolute Ultima
Ratio für gerechtfertigt. Etwa wenn Vermieter sich nicht an den
Mietendeckel halten, mit Leerstand spekulieren oder nicht sanieren.“
Und eigentlich hätte die Politik alle Beteiligten an einen Tisch holen
müssen, so Stahr: „Hätte Müller das zur Chefsache gemacht, wären wir jetzt
schon weiter und das Volksbegehren überflüssig – so sehr ich damit
übereinstimme, dass die Deutsche Wohnen kein fairer Vermieter ist.“
Wenn der Senat nicht enteignen will und auch das Abgeordnetenhaus keine
Gesetzesinitiative aus dem Anliegen schustert, kommt es zur nächsten Stufe
der Volksgesetzgebung – dem eigentlichen Volksbegehren. Dann haben die
Miet-Aktivist:innen vier Monate Zeit, rund 175.000 gültige Unterschriften
zu sammeln, das entspricht sieben Prozent der Wahlberechtigten.
Sollte die Initiative diese Unterschriften zusammen bekommen, ist das
Abgeordnetenhaus aufgefordert, das Anliegen der Volksinitiative unverändert
zu übernehmen. Folgt das Parlament dem nicht, kommt es zum Volksentscheid.
Bei zeitlicher Nähe werden Volksentscheide (wie etwa beim Volksentscheid
zum Tempelhofer Feld, der zeitgleich mit der Europawahl 2014 stattfand) mit
einer Wahl zusammengelegt. Der [3][vor wenigen Wochen vorgelegte Entwurf]
des überarbeiteten Abstimmungsgesetzes sieht vor, dass bis zu acht Monate
zwischen Abschluss der Prüfung der Unterschriften und einem Wahltermin
liegen dürfen.
## Wird am Ende ein Dax-Konzern enteignet?
Beim Enteignungsvolksbegehren scheint dies mit Blick auf die Wahl 2021
zumindest nicht ganz abwegig – möglicherweise könnte es aber auch bereits
zuvor zu einem Entscheid kommen. Bei einem Volksentscheid müssen bei einer
Wahlbeteiligung von wenigstens 25 Prozent der Wahlberechtigten und eine
Mehrheit der Abstimmenden dafür stimmen – dann könnte mit der Deutschen
Wohnen erstmals ein Dax-Konzern enteignet werden.
Fast ein Jahr lang wird die Prüfung am Ende gedauert haben. Am 14. Juni
2019 hatten die Volks-Initiative 70.000 Unterschriften für den Antrag auf
Zulassung des Volksbegehrens gesammelt und in der Innenverwaltung
abgegeben. 50.000 davon sind gültig.
Die lange Prüfzeit war auch ein Ärgernis für Volksbegehren – denn
direktdemokratische Anliegen können durchaus an Fahrt verlieren, wenn ewig
geprüft wird. Das Enteignungs-Volksbegehren hatte bereits geklagt und
nannte die lange Prüfung in der Innenverwaltung von Andreas Geisel (SPD)
„Geiseldrama“.
Rot-Rot-Grün will auch deswegen mit dem Abstimmungsgesetz auch die direkte
Demokratie reformieren – künftig soll die Prüfung eines Antrag auf
Zulassung eines Volksbegehrens nur noch fünf Monate dauern. Beschlossen
werden soll ein entsprechendes Gesetz nach der Sommerpause des Parlaments.
Das Volksbegehren Deutsche Wohnen und Co. enteignen hatte bereits geplant
zum Einjährigen der Antragsprüfung mit einer großen Geburtstagstorte bei
der Innenverwaltung vorbei zu schauen. Kunkel freut sich drauf – mit einer
Torte wolle man trotzdem vorbeikommen. Er sagt: „Nun gibt es sogar wirklich
was zu feiern.“
12 Jun 2020
## LINKS
[1] /Deutsche-Wohnen-und-Co-enteignen/!t5562213
[2] https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_15.html
[3] /Volksentscheide-in-Berlin/!5686729
## AUTOREN
Gareth Joswig
## TAGS
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Mietenwahnsinn
Deutsche Wohnen & Co enteignen
Deutsche Wohnen
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Andreas Geisel
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Mietenwahnsinn
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Die Linke Berlin
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
## ARTIKEL ZUM THEMA
Volksbegehren Deutsche Wohnen enteignen: Verwässerung kurz vor Schluss?
Das Vergesellschaftungs-Volksbegehren in Berlin steckt nach über einem Jahr
Prüfzeit immer noch in der Innenverwaltung fest. Schuld ist die SPD.
Volksinitiative streitet mit Senat: SPD drückt sich vorm Enteignen
Seit einem Jahr prüft SPD-Innensenator Geisel das Volksbegehren „Deutsche
Wohnen enteignen“. Seine Behörde erhebt nun doch noch konkrete Einwände.
Deutsche Wohnen und Co. Enteignen: Geiseldrama geht doch weiter
Die Innenverwaltung verhandelt am Freitag mit dem Enteignungs-Volksbegehren
über die Zulässigkeit des Anliegens. Mal wieder.
Senat zum Enteignung-Volksbegehren: „Diffuse Bedenken“
Eigentlich waren sich Deutsche Wohnen enteignen und der Senat einig. Doch
nun gibt es zum Unmut der Aktivisten erneut Gesprächsbedarf der Politik.
Protest gegen die Deutsche Wohnen: 23 Häuser sind eine Wand
Der Immobilienkonzern ist auf Shopping-Tour, die Mieter:innen wehren sich.
Die Deutsche Wohnen macht nun Zugeständnisse.
Housing Action Day: Der Wahnsinn geht weiter
Mieterinitiativen mobilisieren am Samstag zum Housing Action Day in zwölf
Städten. Die fordern, die Vermieter an den Krisenkosten zu beteiligen.
Enteignung von Immobilienkonzernen: Selbst die SPD kann noch Zukunft
Berlins SPD gibt ihre Blockadehaltung gegen stadtpolitischen Fortschritt
endlich auf. Eine kluge Entscheidung: Schließlich stehen bald Wahlen an.
Deutsche Wohnen investiert in Altbau: Ungedeckeltes Shoppingvergnügen
Mit der Aufnahme in den DAX steigt der Renditedruck der Deutsche Wohnen.
Angekaufte Altbauten könnten in Eigentum umgewandelt werden.
Volksentscheide in Berlin: Direkt geht anders
Rot-Rot-Grün feilscht zu lange um Verbesserungen bei der Direkten
Demokratie – und verliert so Glaubwürdigkeit bei Initiativen und
Zivilgesellschaft.
Berliner Linksfraktion in Klausur: Wie weiter nach dem Mietendeckel?
Enteignung wäre machbar: Die Linksfraktion diskutiert über die Koalition,
die Verkehrswende und die Vergesellschaftung von Immobilienkonzernen.
Volksbegehren stellt Plan vor: Enteignen hält länger
Das Volksbegehren „Deutsche Wohnen und Co enteignen“ stellt Konzepte für
die Umsetzung vor. Das soll Auftakt sein für stadtweite Diskussionen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.