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# taz.de -- Volksinitiative streitet mit Senat: SPD drückt sich vorm Enteignen
> Seit einem Jahr prüft SPD-Innensenator Geisel das Volksbegehren „Deutsche
> Wohnen enteignen“. Seine Behörde erhebt nun doch noch konkrete Einwände.
Bild: 70.000 dürfen kein Gesetz fordern: Innenverwaltung zweifelt Rechtmäßig…
Berlin taz | Es dürfte gekracht haben hinter den Kulissen: Bei den
Verhandlungen zwischen der Innenverwaltung und Vertreter:innen des
Volksbegehrens „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ am Freitagvormittag hat
die von Andreas Geisel (SPD) geführte Behörde die Rechtmäßigkeit des
Beschlusstextes der Initiative in Frage gestellt. Das berichtete Kalle
Kunkel, der für das Volksbegehren verhandelte, der taz nach dem
mehrstündigen Gespräch mit Fachjurist:innen.
Kunkel sagte: „Das ist juristisches Harakiri.“ Der Verwaltung habe die
„eigenwillige Auffassung“, dass eine Volksinitiative eine Regierung in
einem Beschluss nicht dazu auffordern dürfe, ein Gesetz zu erlassen, so
Kunkel.
Man sehe sich als demokratischer Beschlussvolksentscheid aber dazu
legitimiert, alle Entscheidungen zu treffen, die auch ein Parlament treffen
darf, erklärte Kunkel. In dieser Kompetenz dürfe man selbstredend auch den
Senat dazu auffordern, ein Gesetz zu erlassen. Das täten ja auch
Oppositionsparteien sämtlicher Parlamente in Anträgen schließlich auch.
So habe die nun von der Innenverwaltung präsentierte Rechtsauffassung
„politischen Sprengstoff weit über den Volksentscheid hinaus“, ist die
Initiative überzeugt. Um die Rechtmäßigkeit des Volksbegehren zur
Vergesellschaftung großer Wohnkonzerne in Zweifel zu ziehen, stelle die
Senatsinnenverwaltung mit ihrer Rechtsauffassung die gängige
Verfassungspraxis seit 71 Jahren in Frage, heißt es in einer eilig
verschickten Pressemitteilung nach dem Gespräch.
Der jüngste Vorstoß der Verwaltung steht im Gegensatz zu einem Treffen der
Initiative mit Vertreter:innen von Rot-Rot-Grün vor zwei Wochen: Damals
wurde der Anschein erweckt, die Initiative könne mit der Sammlung von
Unterschriften für das eigentliche Volksbegehren [1][bald starten].
Das Volksbegehren Deutsche Wohnen und Co. enteignen will nach jahrelangen
Mietsteigerungen und Verdrängungsprozessen in Berlin renditeorientierten
Wohnkonzernen zu Laibe rücken. Der Besitz von großen Wohnungsunternehmen
wie der Deutsche Wohnen soll gegen eine Entschädigung in kommunalen Besitz
übergehen. 70.000 gesammelte Unterschriften hatte die Volksinitiative vor
gut einem Jahr für dieses Anliegen gesammelt, gebraucht hätte sie für die
erste Hürde der Volksgesetzgebung nur 20.000.
## Drei Änderungen
Seither prüft Geisels Innenverwaltung die rechtliche Zulässigkeit des
Antrags. Mit ihrer nun verdeutlichten Rechtsauffassung stellen sich die
Jurist:innen aus der SPD-Verwaltung auch gegen Teile der rot-rot-grünen
Koalition. Namentlich Linke und Grüne hatten ihrerseit die Rechtmäßigkeit
des Volksbegehrens betont und das Anliegen unterstützt.
Dissens gibt es wohl vor allem um einen Satz aus dem Beschlusstext. Dieser
lautet: „Daher wird der Senat von Berlin zur Erarbeitung eines Gesetzes zur
Überführung von Immobilien sowie Grund und Boden in Gemeineigentum zum
Zwecke der Vergesellschaftung nach Art. 15 Grundgesetz aufgefordert.“
Möglich ist etwa, dass die Jurist:innen vorgeschlagen haben, das Wort
Gesetz durch Maßnahmen zu ersetzen – was einer deutlichen Verwässerung
gleich kommen würde.
Martin Pallgen, Pressesprecher der Innenverwaltung, sagte am Freitag nichts
über den konkreten Inhalt der Forderungen. Pallgen erklärte zu dem Gespräch
lediglich: „Wir haben auf Arbeitsebene über Formulierungsvorschläge
gesprochen und auch konkret drei Änderungsvorschläge gemacht.“ Diese würde
die Initiative nun intern besprechen und das Ergebnis der Verwaltung
mitteilen. Dann müsse man weitersehen.
## Rechtswissenschaftler und Gutachen widersprechen
Die Vertreter:innen der Volksbegehrens vermuten hinter den neuen
Vorschlägen den politisch motivierten Versuch der SPD, den Prozess weiter
zu verschleppen. „Wir fordern den Senat auf, endlich den Weg freizumachen
und von dieser waghalsigen juristischen Argumentation abzurücken“, sagte
Kunkel.
Über die von den Jurist:innen unterbreiteten Änderungsvorschläge zu
Formulierungen im Beschlusstext werde man natürlich trotzdem weiter auf dem
nächsten Plenum beraten. Allerdings scheint es für die von der
Innenverwaltung vorgeschlagene Änderungen wenig Verhandlungsspielraum
innerhalb des Volksbegehrens geben – der Mitteilung der Initiative hängt
ein [2][wissenschaftliches Gutachten des Bundestages] an, das die
Argumentation der Volks-Ini unterstützt.
Beistand für Ihre demokratietheoretische Auffassung bekommt die Initiative
auch von dem Rechtswissenschaftler Ulrich Battis. Ihn hatte der Senat etwa
auch bauftragt, ein Gutachten zum Mietendeckel zu erstellen. Auf die Frage
der taz, ob der entscheidende Satz im Beschlusstext zulässig wäre, sagt
Battis: „Das Satz ist absolut korrekt.“ Es sei hinreichend konkret, den
Senat zur Erarbeitung eines Gesetzes aufzufordern.
„Ich halte das für ein politisches Argument. Die Politik will mehr
Spielraum. Dabei ist das, was das Begehren will, doch klar formuliert: ein
Sozialisierungsgesetz“, sagt Battis. Wenn man das Wort Gesetz im
Beschlusstext etwa durch Maßnahmen ersetze, könne die Opposition sagen:
Geeignete Maßnahmen wäre auch Neubau. „Das aber will das Volksbegehren
nicht: Die wollen Sozialisierung von Wohnraum, wie es nach Art. 15
Grundgesetz möglich ist“, sagt er. Das Volksbegehren sei ohne
Einschränkungen zulässig, offen bliebe für ihn natürlich die Finanzierung
einer möglichen Vergesellschaftung.
Wie genau die konkreten Änderungsvorschläge der Innenverwaltung sind, will
auch Kunkel nicht verraten. Aber dadurch, dass Geisels Behörde nun endlich
Position bezogen hätte, komme man nun auch etwas voran. So hätten die
Gespräche sogar etwas Gutes, so Kunkel: „Endlich hat die Innenverwaltung
mal die Hosen runtergelassen.“
26 Jun 2020
## LINKS
[1] /Enteignungs-Volksbegehren-in-Berlin/!5689316
[2] https://www.bundestag.de/resource/blob/696516/667d4809054b626fabac61875b8bd…
## AUTOREN
Gareth Joswig
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