| # taz.de -- Der Berliner Mietendeckel-Macher: Keimzelle der Revolution | |
| > Am Donnerstag wurde der Mietendeckel beschlossen. Sein Erfinder sitzt in | |
| > einem Acht-Quadratmeter-Büro im Rathaus Pankow und denkt bereits weiter. | |
| Bild: Das Rathaus von Pankow | |
| Kurz vor der Verabschiedung des „Gesetz zur Mietenbegrenzung im | |
| Wohnungswesen in Berlin“ – kurz Mietendeckel – sitzt dessen Erfinder in | |
| seinem Büro im Seitengebäude des Rathauses Pankow: acht Quadratmeter klein, | |
| Aktenschränke und Schreibtisch aus Pressspan mit Fichtenfurnier, keinerlei | |
| persönliche Gegenstände. „Herr Weber“ steht auf dem Türschild zu diesem | |
| trostlosen Ort, „Hauptsachbearbeiter im Amt für Bürgerdienste und | |
| Wohnungsamt“. | |
| Peter Weber hat dieses Zimmer zur Keimzelle der Berliner Wohnungs- und | |
| Mietenpolitik gemacht. Nachdem er 15 Jahre als Anwalt für Mietrecht in | |
| Karlsruhe tätig war, zog er aus privaten Gründen nach Berlin und bewarb | |
| sich 2016 beim Senat für die Task Force zur Umsetzung des | |
| Zweckentfremdungsverbotes. Noch heute ist es seine hauptsächliche Aufgabe, | |
| Ferienwohnungen im Bezirk zu regulieren. Er sagt: „Manchmal habe ich das | |
| Gefühl, zum öffentlichen Dienst geboren zu sein.“ | |
| Anders als es so manches Klischee über die öffentliche Verwaltung besagt, | |
| geht es Weber dabei nicht ums Wegdelegieren oder bloße Verwalten. Was er | |
| will, ist ein handlungsfähiger Staat, der einen „außer Rand und Band | |
| geratenen Immobilienmarkt“ unter Kontrolle bringt. | |
| Der 52-Jährige, dessen sachsen-anhaltinischer Einschlag deutlich zu hören | |
| ist, wechselt ins Berlinerische und zitiert Stadtentwicklungssenatorin | |
| Katrin Lompscher (Linke), wie sie zuletzt noch im Oktober 2018 sagte: „Zum | |
| Mieten senken fehlt uns das Instrumentarium.“ Ihn habe das zunehmend „auf | |
| die Palme gebracht“, sagt er: „Dann muss man über das Instrumentarium eben | |
| nachdenken.“ | |
| ## „Aus wissenschaftlicher Neugier“ | |
| Aus dieser Motivation heraus schrieb Weber vor inzwischen anderthalb Jahren | |
| auch den juristischen Fachaufsatz, der zur Blaupause für den Mietendeckel | |
| wurde. „Mittel und Wege landeseigenen Mietpreisrechts in angespannten | |
| Wohnungsmärkten“, heißt das achtseitige Papier, in dem Weber darlegte, dass | |
| das Land Berlin selbst das Recht habe, Mieten zu regulieren. Die allgemeine | |
| Annahme bis dato: Diese Kompetenz habe nur der Bund. Den Text verfasste er | |
| zur Widerlegung dieser Annahme, „aus wissenschaftlicher Neugier“, nebenher | |
| als Freizeitbeschäftigung. Ein erst einmal für die Fachwelt bestimmter | |
| Beitrag, gewissermaßen aus dem wissenschaftlichen Elfenbeinturm, wie er es | |
| nennt. | |
| Dabei gibt sich der ganz in schwarz gekleidete Weber betont zurückhaltend. | |
| Er sei ein kleiner Angestellter, Besoldungsstufe E 10, jemand, „der im | |
| Grunde nichts zu melden hat“ und nicht den Weg in die Öffentlichkeit oder | |
| auf Podien sucht. Seine Anstöße aber, rechtliche Einschätzungen oder auch | |
| ausformulierte Gesetzestexte, weiß er zu lancieren. Mit den | |
| FachpolitikerInnen der Koalition ist er im steten Austausch, auch mit | |
| Lompscher ist er im Gespräch. Wie sie den Mietendeckel seither öffentlich | |
| vertritt und verteidigt, sei „zum Niederknien“, sagt er anerkennend. | |
| Es waren die SPD-Politiker Kilian Wegner, Julian Zado und Eva Högl, die | |
| Mitte Januar 2019 den Vorschlag für einen Mietendeckel – damals als bloßes | |
| Einfrieren der Mieten gedacht – in die Öffentlichkeit trugen. Was folgte, | |
| war die Entstehung eines Gesetzes, das wie keines zuvor in jedem Schritt | |
| öffentlich diskutiert wurde. War Katrin Lompscher am Anfang wenig | |
| überzeugt, machte sie den Deckel bald zu ihrem Projekt. Aus dem Mietenstopp | |
| wurde mehr, beim Beschluss der Eckpunkte im Senat am 18. Juni stand fest, | |
| dass überhöhte Mieten auch gesenkt werden sollen. Später kam die Tabelle | |
| der Höchstmieten nach Baujahr dazu. | |
| Die panischen Stimmen aus der Immobilienbranche wurden immer lauter. | |
| Juristen lieferten sich eine Gutachtenschlacht über die Rechtmäßigkeit des | |
| Vorhabens. Aber den Dreiklang von Mieten einfrieren, Mietobergrenzen, die | |
| auch für Wiedervermietungen gelten, und Mietabsenkungsmöglichkeiten auch in | |
| bestehenden Verträgen konnten die Gegner nicht mehr verhindern. Am | |
| Donnerstag beschloss das Abgeordnetenhaus das Gesetz, das im Vergleich zum | |
| Senatsbeschluss von Mitte Oktober nur noch in Detailfragen nachgebessert | |
| wurde. | |
| Wenn man Peter Weber nach seiner Einschätzung des Ergebnisses fragt, erlebt | |
| man einen Mann, der hin- und hergerissen ist. Er sagt: „Ich hätte gern ein | |
| schönes Gesetz gehabt.“ Stattdessen gleiche es mit seinen „verwirrenden | |
| Ausnahmeregelungen und umständlichen Wiederholungen und Verweisungen einem | |
| Irrgarten“. Kritik an der verantwortlichen Senatsverwaltung möchte er nicht | |
| üben, aber es ist allgemein bekannt, dass die MitarbeiterInnen dort im Gros | |
| eher keine Freunde des Deckels oder einer generell mieterfreundlichen | |
| Politik sind. Weber ist dennoch überzeugt: „Das Gesetz wird seine Wirkung | |
| nicht verfehlen.“ Auf die Möglichkeiten des Senats bezugnehmend fügt er | |
| hinzu: „Das ändert eigentlich alles.“ Man könne so ein Gesetz „vorsicht… | |
| mutig oder verwegen“ formulieren – und mutig sei es geworden. | |
| Den angekündigten Klagen vor dem Berliner oder dem Bundesverfassungsgericht | |
| sieht Weber, der alle Rechtsgutachten dazu aus dem Effeff kennt, gelassen | |
| entgegen: „Das Ding wird im Kern so halten. Vor allem die Argumentation | |
| gegen die Landeskompetenz ist bemerkenswert oberflächlich und schwach | |
| geblieben.“ Weber denkt sogar schon weiter: „Das könnte auch der Einstieg | |
| in mehr sein.“ | |
| Kilian Wegner, einer der drei SPDler, die den Aufschlag zum Mietendeckel | |
| machten, gehörte Mitte Dezember zu den Experten, die im | |
| Stadtentwicklungsausschuss angehört wurden. Damals mahnte der Rechtsanwalt | |
| an, „Unklarheiten“ im Gesetz nachzubessern. Nun sagt er, dass dies der | |
| Koalition an einigen Stellen durchaus gelungen sei. So war in dem | |
| Senatsentwurf des Gesetzes etwa noch davon die Rede, dass die Höchstwerte | |
| für Mieten inklusive von „Zuschlägen für Mobiliar“ gelten sollen. | |
| „Vermieter hätten das leicht umgehen können“, sagt Wegner, etwa indem sie | |
| andere Arten von Zuschlägen erfinden, um so eine überhöhte Miete zu tarnen. | |
| Dieses Schlupfloch sei nun geschlossen worden, das Gesetz spricht nun von | |
| „Mieten inklusive aller Zuschläge“. Doch Wegner sieht die Gefahr, dass die | |
| Vermieter andere Umgehungsmöglichkeiten finden werden: „Die Motivation | |
| dafür ist hoch.“ | |
| Auch in Sachen Rechtssicherheit teilt er Webers Optimismus nicht in Gänze. | |
| Ihr ursprünglicher Vorschlag, die Mieten einzufrieren, sei der | |
| „risikoärmere Weg“ gewesen, sagt er. Dass sich die Koalition nun so weit | |
| vorgewagt habe, berge die Gefahr, dass das Gesetz vom | |
| Bundesverfassungsgericht aufgehoben werde, auch wenn er sagt: „Ich halte | |
| das für verfassungsgemäß.“ Bis zu einer Entscheidung, die im schlechten | |
| Fall erst nächstes Jahr zu erwarten ist, „wird es eine „Phase der | |
| Unsicherheit“ geben. | |
| 31 Jan 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Erik Peter | |
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