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# taz.de -- Tricks gegen Mietendeckel: Die haben doch’n Schatten!
> Berliner Vermieter verschicken Schattenmieterhöhungen, die gezahlt werden
> sollen, wenn der Mietendeckel ausläuft. Senat hält das für unzulässig.
Bild: Noch nicht fertig, schon im Schatten: Neubau in Berlin
Eine Mieterhöhung? Jetzt? Diese Frage dürften sich einige Mieter*innen in
Berlin derzeit zu Rrecht stellen. Auch ohne in die Untiefen des
Mietendeckel-Gesetzes (MietenWoG) einzusteigen, scheint zumindest eine
Regelung doch klar und deutlich: Mieterhöhungen sind verboten. Das gilt
bereits seit dem Stichtag 18. Juni 2019 und hat zumindest bis zum
Jahresende 2021 Bestand. Ab da sieht das Gesetz die Möglichkeit von
geringfügigen Mietsteigerungen vor.
Doch auch das klare Verbot hält Vermieter*innen nicht davon ab,
Mieterhöhungen auszusprechen. In einem der taz vorliegendem Schreiben wird
die Einwilligung zu einer Mieterhöhung um 15 Prozent gefordert – der
Maximalbetrag, der bislang alle drei Jahre möglich war, solange sich die
Miete unter der ortsüblichen Vergleichsmiete des Mietendeckels bewegte.
Weil die Immobilienfirma das nun geltende Mietendeckelgesetz aber nicht
gänzlich ignorieren kann, teilt sie mit: „Die Eigentümerin stellt
ausdrücklich klar, dass sie die hiermit verlangte Miete während der Geltung
des MietenWoG nicht fordern wird.“
Im Klartext wird also die Zustimmung zu einer erhöhten Miete gefordert, die
aber erst ab dem Zeitpunkt fällig werden soll, wenn der Mietendeckel im
Februar 2025 regulär ausläuft oder zuvor vom Verfassungsgericht gekippt
wird.
Für letzteren Fall hat der Vermieter noch ein besonderes Sahnehäubchen für
das eigene Profitinteresse in petto: Werde das MietenWoG für ungültig
erklärt, werde er „die sich für die Vergangenheit ab dessen Inkrafttreten
ergebenden Differenzbeträge zwischen der nach dem MietenWoG zulässigen
Miete und der vertraglich vereinbarten Miete inklusive sämtlicher
Erhöhungen von Ihnen nachfordern“.
Bei der ausgesprochenen Erhöhung von 85 Euro pro Monat käme schnell eine
stattliche Summe zusammen. Erklärt etwa das Bundesverfassungsgericht den
Mietendeckel in zwei Jahren für ungültig, beliefen sich die Nachforderungen
auf mehr als 2.000 Euro. Kämen die Vermieter*innen damit durch und
verbreitet sich diese Strategie, stünden die Mieter*innen der Stadt vor
massiven finanziellen Problemen – ein soziales Erdbeben wäre die Folge.
Schattenmieterhöhungen in laufenden Verträgen sind die neueste Strategie
der Vermieter*innen, um den Sinn des Mietendeckels zu unterlaufen. Die
bisher gängigste Methode ist es, [1][Schattenmieten bei einem
Neuvertragsabschluss] zu vereinbaren. Neben der nach dem Mietendeckel
zulässigen Miete wird dabei dann noch eine zweite, oft weitaus höhere im
neuen Mietvertrag vereinbart, die nach Außerkrafttreten des Deckels gelten
soll. Vielfach behalten sich Vermieter*innen auch in diesen Fällen eine
Nachzahlung des Differenzbetrages vor.
Für beide Varianten gilt: Eine letztinstanzliche gerichtliche Klärung, ob
die Vermieter*innen so verfahren dürfen, fehlt.
Schattenmieterhöhungen in bestehenden Verträgen haben einige Amtsgerichte
bereits für zulässig erachtet. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
und Wohnen positioniert sich auf Anfrage der taz allerdings dagegen. Ihrer
Rechtsauffassung zufolge ist „die Vereinbarung jeder höheren als nach dem
MietenWoG zulässigen ‚Schattenmiete‘ nichtig und damit unzulässig“. Sie
schließt sich damit der Auffassung des Mietendeckel-Erfinders Peter Weber
aus dem Bezirksamt Pankow an.
Weber hatte bereits Ende Februar ein Mieterhöhungsverlangen von bisher 550
Euro auf 632,50 Euro monatlich untersagt und dabei ausdrücklich darauf
hingewiesen, dass er nicht verkenne, dass der Vermieter zunächst nicht die
sofortige Zahlung einer höheren Miete verlange, sondern nur die Zustimmung
zu einer Erhöhung. Jedoch argumentierte er, dass der Mietendeckel nicht nur
ein Verbot der Forderung und Entgegennahme einer unzulässigen Miete
formuliere, sondern auch deren Vereinbarung.
Weber und die Senatsverwaltung stützen sich dabei etwa auf den
Vorlagebeschluss des Berliner Landgerichts an das Bundesverfassungsgericht,
wonach die Verbotsnorm des MietenWoG der Vereinbarung einer Mieterhöhung im
Wege stehe. Von Mieterhöhungsverlangen betroffene Mieter*innen sollten
sich, so heißt es aus der Senatsverwaltung, sowohl an Mieterberatungen als
auch an das jeweilige Bezirksamt wenden.
## Schattenmieten in Neuverträgen
Umstritten ist auch die Vereinbarung von Schattenmieten in Neuverträgen.
Diese Vereinbarungen, „die ganz gezielt nur für die mögliche
Verfassungswidrigkeit des MietenWoG getroffen werden“, hält die
Senatsverwaltung für zulässig und beruft sich auf einen Hinweis des
Bundesverfassungsgerichts im Zuge der allgemeinen Prüfung des ersten –
abgewiesenen – [2][Eilantrags gegen den Mietendeckel]. Darin formulierten
die Richter, es sei „nicht erkennbar“, dass Vermieter*innen „daran
gehindert wären, sich für den Fall der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes
oder Teilen desselben bei Neuvermietungen eine höhere Miete versprechen zu
lassen“.
Eine Entscheidung in der Sache ist das gleichwohl nicht. Auch gibt es
Widerspruch gegen diese Auffassung sowohl von Peter Weber als auch vom
Berliner Mieterverein sowie der Juristin und Linken-Politikerin Halina
Wawzyniak.
Ganz grundsätzlich schreibt sie in einem [3][Beitrag]: „Was die
Immobilienlobby mit der Schattenmiete macht, ist, gezielt das
gesetzgeberische Ziel und damit die Gesetzgebungshoheit zu unterlaufen.“
Ebenso weist Wawzyniak darauf hin, dass, selbst wenn die Vereinbarung von
Schattenmieten abgesegnet werde, nichts zu den Nachzahlungswünschen der
Vermieter*innen gesagt oder gar entschieden sei.
9 Jul 2020
## LINKS
[1] /Berliner-Mietendeckel-und-die-Folgen/!5683193/
[2] /Mietendeckel-in-Berlin/!5671445/
[3] https://blog.wawzyniak.de/die-verheerende-logik-hinter-der-schattenmiete/
## AUTOREN
Erik Peter
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