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# taz.de -- Vermieter und Mietendeckel: Die kreative Kraft des Kapitals...
> ... oder wie Vermieter das Mietendeckel-Gesetz umgehen und brechen. Vier
> Beispiele für eine schamlose Praxis.
Bild: Schöne Wohnung im Angebot
Der [1][Mietendeckel] ist ein eindeutig formuliertes Verbotsgesetz.
Mieterhöhung: verboten. Überhöhte Miete fordern: verboten. Zuschläge für
die Ausstattung abkassieren: verboten. Sich an das Gesetz zu halten,
verstehen einige Vermieter*innen allerdings als optional. Ganz
unterschiedliche Umgehungsstrategien haben sie entwickelt, um trotz der
klaren Vorgaben der Politik ihren Schnitt zu machen.
## Möblierung
Ein schöner Move des Mietendeckel-Gesetzes war es, die Miete
„einschließlich aller Zuschläge“ zu definieren. Besonders der
Geschäftemacherei mit möblierten Wohnungen wollte die Gesetzgeberin damit
einen Riegel vorschieben. Dass 2-Zimmer-Wohnungen wegen eines Billy-Regals
und eines schlichten 1,40er Bettgestells 2.000 Euro Miete kosten, sollte
der Vergangenheit angehören.
Aber das findige Kapital hat einen Weg gefunden, das Gesetz zu umgehen. Ein
Start-up zweier „mutiger“ und „ihre Stadt liebender“ Berliner*innen
verspricht „VermieterInnen von möbliertem Wohnraum in Berlin eine Lösung“…
indem es als Zwischenhändler auftritt. Das Start-up kauft
Eigentümer*innen ihre Möbel ab und zahlt ihnen eine monatliche Rate.
Die Mieter*innen wiederum zahlen neben der mietendeckelkonformen Miete an
ihre Vermieter*in einen monatlichen Beitrag für Möblierung, Ausstattung und
Serviceleistungen wie Reparaturen an das externe Unternehmen.
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung spricht auf Anfrage von einer
„zivilrechtlichen Vereinbarung, die wahrscheinlich nicht seitens des
MietenWoG (Mietendeckel-Gesetz) verfolgt werden kann“, jedenfalls, „wenn
die Vereinbarung unabhängig vom Mietvertrag geschlossen wird und auch keine
Voraussetzung für den Abschluss des Mietvertrages ist“. Dies zumindest
darf getrost angezweifelt werden. Auf Anfrage der taz heißt es von Gründer
Moritz Fröhlich: „Es wird darauf geachtet, dass beide Verträge
unterschrieben werden.“
Auch ein zweiter Aspekt ist erklärungsbedürftig. Denn nach einem Urteil des
Berliner Landgerichts dürfen für Möbel keine Fantasiewerte veranschlagt
werden, sondern nur 2 Prozent des Zeit- bzw. Nutzungswerts. Bei einem
Neuanschaffungspreis der Einrichtung von 5.000 Euro dürfen somit nur 100
Euro monatlich verlangt werden. In einer Musterrechnung allerdings zahlt
das Unternehmen den Vermieter*innen für eine 2-Zimmer-Wohnung in Prenzlauer
Berg fast 1.000 Euro monatlich und holt sich 500 Euro von den Mieter*innen.
Fröhlich sagt: „Im Kaufpreis der Möbel steckt mehr drin, etwa Bestellung
und Aufbau der Möbel oder Überlegungen, ob die Gardinen zum Teppich
passen.“
Einen Tipp für Mutige formuliert ein Twitter-User: „Ich würde sagen, dass
man in diesem Fall die Wohnung mit Möbeln mieten sollte und dann sofort die
Möbel kündigt. Der Mietvertrag besteht weiter und die Möbel kann die Firma
abholen.“
## Barzahlung
Die Umgehung des Mietendeckels mittels einer [2][Schattenmiete], also einer
vereinbarten Zweitmiete, die fällig wird, wenn der Mietendeckel nicht mehr
gilt (nach Wunsch der Vermieter*innen meist inklusive Rückzahlung für
vergangene Monate), ist inzwischen Standard. Doch es gibt auch
Vermieter*innen, die nicht so lange auf höhere Erträge warten wollen und
sich das Geld stattdessen sofort holen.
So etwa im Fall von Henrike Schneider (Name geändert). Die Studentin zog
vor einem Monat in ein Zimmer in einer 3er-WG, das vom Vermieter einzeln
vermietet wird. Das Zimmer ist möbliert, was jedoch laut Gesetz keinen
Aufschlag auf die Miete rechtfertigt. 400 Euro will der Privatvermieter
monatlich dafür haben, in dem noch nicht unterschriebenen Vertrag soll
jedoch eine geringere Summe festgeschrieben werden – den Rest fordert er
monatlich in bar. „Wegen des Mietendeckels möchte er nicht auf Einnahmen
verzichten“, habe er zu Schneider gesagt. Als Garantie für die
Zusatzzahlung habe er von ihr gefordert, eine undatierte Kündigung zu
unterschreiben.
Manch ein Vermieter geht sogar noch weiter – wenn die entsprechend
solventen Mieter*innen mitmachen. Als Voraussetzung für die Unterzeichnung
eines Mietvertrags wird dann ein Aufschlag auf die eigentliche Miete in bar
verlangt, im Voraus für zwei Jahre.
## Nebenverträge
Jasmin K. hatte nach langer Suche eine Wohnung in der Neuköllner
Reuterstraße gefunden. Einen Hauptmietvertrag wie die Vormieter sollte sie
allerdings nicht bekommen. Stattdessen legte ihr der Vertreter der
Hausverwaltung einen Untermietvertrag vor, Hauptmieter sei sein Vater. K.
war irritiert, doch angesichts der akzeptablen Miete bereit, auf das
Angebot einzugehen.
Dann allerdings hieß es, sie müsse noch zwei zusätzliche Verträge für ein
Kellerabteil und einen Parkplatz unterschreiben, Mindestlaufzeit ein Jahr,
für 100 und 150 Euro im Monat. Auch andere Leser*innen berichteten der taz
von solchen Zusatzverträgen.
Bei der Besichtigung ließ sich K. weder Keller noch Parkplatz zeigen, in
einem späteren Telefonat fragte sie allerdings nach Details zu dem
Kellerraum. Der Hausverwalter habe daraufhin gesagt: „Das ist nur eine
reine Formalität.“ Heißt: Beides gibt es gar nicht. Gerechtfertigt habe er
sich mit der „blöden Situation für Vermieter und der Notwendigkeit, sich
finanziell abzusichern“. Nun wohnt K. in einer WG.
## Befristung
Eine renovierungsbedürftige Altbauwohnung in der Neuköllner Bendastraße,
drei Zimmer, 87 Quadratmeter, bei Immoscout für 957 Euro kalt – damit läge
sie 396 Euro über der erlaubten Mietendeckelmiete. Bei der Besichtigung
erzählt der Makler, dass er nur die Deckelmiete fordern könne – immerhin.
Dafür ist der Vertrag auf vier Jahre befristet, bis zum regulären Ende des
Mietendeckels.
Interessent Juri S. fragt sich, ob es dann überhaupt lohne, den
Fußbodenbelag auszutauschen, wenn er nach vier Jahre wieder ausziehen
müsse. Der Makler beruhigt: Es sei kein Problem. Wenn S. nach Ende des
Mietendeckels bereit sei, die höhere Miete zu zahlen, könne er dann auch
weiter in der Wohnung bleiben.
Die beiden einzigen regulären Gründe für eine befristete Vermietung – eine
absehbare spätere Selbstnutzung des Vermieters oder seiner Angehörigen und
ein Abriss bzw. eine wesentliche Instandsetzung – entfallen damit. Die
Befristung mit Verweis auf den Mietendeckel ist unzulässig. S. könnte
einziehen – und hätte einen gültigen, unbefristeten Mietvertrag. Hat er
nicht gemacht, denn die Straße war ihm zu laut. Inzwischen ist die Wohnung
nicht mehr zu haben.
8 Dec 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Erik Peter
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