# taz.de -- Polizeibeauftragter für Berlin: Visier hoch! | |
> Endlich: Berlin bekommt einen Polizei- und Bürgerbeauftragten. Er soll | |
> der unabhängigste im ganzen Land sein, heißt es aus der Koalition. | |
Bild: PolizistInnen am 1. Mai in Berlin | |
BERLIN taz | Berlin bekommt einen unabhängigen Polizei- und | |
Bürgerbeauftragten. Darauf hat sich die rot-rot-grüne Regierungskoalition | |
geeinigt. Die innenpolitischen Sprecher von SPD, Linken und Grünen | |
bestätigten das am Mittwoch auf Nachfrage der taz. Bereits im Dezember soll | |
ein entsprechendes Gesetz ins Abgeordnetenhaus eingebracht werden, ein | |
Parlamentsbeschluss könnte im Frühjahr stehen. | |
Der oder die Beauftragte soll AnsprechpartnerIn für BürgerInnen und | |
BeamtInnen sein, die Missstände anzeigen wollen bei der Polizei oder | |
anderen staatlichen, zum Eingriff in Grundrechte befugten Behörden, etwa im | |
Bereich Psychiatrie oder Jugend. „Dieser Polizei- und Bürgerbeauftragte | |
wird bundesweit der unabhängigste sein“, sagte der innenpolitische Sprecher | |
der Grünen, Benedikt Lux, zur taz. | |
Anders als der Polizeibeauftragte in [1][Rheinland-Pfalz] oder der | |
Bürgerbeauftragte in Baden-Württemberg soll der Berliner Beauftragte auch | |
während laufender staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen aktiv werden | |
dürfen, etwa gegen einen Polizisten, der im Verdacht steht, | |
DemonstrantInnen geschlagen zu haben. „Ersuchen an den Senator oder die | |
Polizeipräsidentin, Befragungen von Verdächtigen und Zeugen, Stellung | |
beziehen – all das gehört zu seinen Rechten“, so Lux. | |
Akteneinsicht während eines laufenden Verfahrens wird er allerdings nur | |
nehmen können, wenn die Behördenleitung zustimmt. Bei einem Strafverfahren | |
wäre das der Justizsenator, bei einem Disziplinarverfahren der | |
Innensenator. | |
## Kein Grußonkel | |
Der Beauftragte soll unabhängig von der Polizei agieren können und wird | |
daher dem Parlament zugeordnet. Niklas Schrader, Innenpolitiker der | |
Linksfraktion, sagte der taz: „In dieser Kombination aus kompletter | |
Unabhängigkeit und Befugnissen gab es das noch nie.“ Der Polizeibeauftragte | |
solle „kein Grußonkel sein, sondern handfest ermitteln dürfen“. | |
Eine konkreten Personalvorschlag für den Posten gibt es noch nicht, sagte | |
Lux. Auch über die Ausstattung, etwa die Zahl der MitarbeiterInnen, sei | |
noch nicht gesprochen worden. Im laufenden Haushalt waren von der Koalition | |
bereits 200.000 Euro bereitgestellt worden. | |
BürgerrechtlerInnen etwa von [2][Amnesty International (pdf)] fordern seit | |
Langem die Einrichtung eines Polizeibeauftragten. Der UN-Menschenrechtsrat | |
hat eine unabhängige Kontrolle der Polizeiarbeit in Deutschland mehrfach | |
angemahnt. Immer wieder kommt es auch in Berlin zu Missständen im | |
Polizeiapparat oder Fällen von Polizeigewalt. | |
So hatten sich im Oktober DemonstrantInnen gegen eine Nazi-[3][Kundgebung | |
in der Rigaer Straße] über ein überhartes Vorgehen der PolizistInnen | |
beschwert. Dabei wurde etwa ein Mann mit gebrochenem Bein rücksichtslos | |
festgenommen und über den Boden geschleift. Viele Betroffene sehen von | |
Anzeigen gegen PolizistInnen ab, aus Angst vor einer Gegenanzeige wegen | |
Widerstands. | |
## Langes Gezerre | |
Obwohl die Einrichtung eines unabhängigen Polizeibeauftragten im | |
rot-rot-grünen Koalitionsvertrag von 2016 fest vereinbart ist, ging der | |
[4][Einigung ein langes Tauziehen] voraus. Die SPD machte ihre Zustimmung | |
von einer Verschärfung des Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz | |
(Asog) abhängig. Konkret geht es dabei um Dinge wie die Einführung der | |
elektronischen Fußfessel für Gefährder, den finalen Rettungsschuss für die | |
Polizei, die Telefonüberwachung zur Gefahrenabwehr. Wegen andauernder | |
Terrorgefahr müssten die Befugnisse der Polizei erweitert werden, so die | |
Begründung. | |
Ein Jahr steckte der Karren fest. Der Vorschlag, den unabhängigen | |
Polizeibeauftragten nun gesondert und vor den anderen Vorhaben durchs | |
Parlament zubringen, kam dem Vernehmen nach von der SPD-Fraktion und | |
Innensenator Andreas Geisel (SPD). | |
Aber nicht nur beim Polizeibeauftragten hat sich die Koalition geeinigt. | |
Auch beim Versammlungsgesetz und beim Abstimmungsgesetz, zwei weiteren | |
großen innenpolitischen Baustellen soll es nach taz-Informationen einen | |
Kompromiss geben. | |
Beim Abstimmungsgesetz geht es unter anderem um die Fristen im Vorfeld von | |
Volksentscheiden, beim Versammlungsgesetz etwa um die Frage der Vermummung | |
bei Demonstrationen. Allerdings drängt Innensenator Geisel laut | |
Koalitionskreisen auch auf einen Kompromiss beim Asog, bei dem die | |
Positionen vor allem von SPD und Linken noch weit auseinander liegen. So | |
lange beim Asog keine Einigung bestehe, werde auf Druck der SPD auch der | |
Kompromiss in den beiden anderen Feldern nicht umgesetzt, heißt es. | |
Der innenpolitische Sprecher der SPD, Frank Zimmermann, dementierte das | |
gegenüber der taz: „Es gibt kein Junktim, wir arbeiten die Punkte in der | |
vorgesehenen Reihenfolge ab.“ Das Asog sei als letztes dran. Wie aus | |
Senatskreisen verlautet, erwartet man von den Koalitionspartnern nun aber | |
auch ein gewisses Entgegenkommen. | |
Dazu sagte der Grüne Lux: „Ich bin vorsichtig optimistisch, im Fall des | |
Asog bald zu einer Einigung zu kommen, die die Bürgerrechte und Sicherheit | |
im Blick hat.“ Auch der Linkenpolitiker Niklas Schrader gab sich in Sachen | |
Einigung optimistisch – „Das gilt auch für das Asog.“ | |
Aktualisierte Fassung: 27.11.19, 17.25 Uhr | |
27 Nov 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Polizeibeauftragter-ueber-seine-Arbeit/!5311729 | |
[2] https://www.amnesty.de/sites/default/files/2019-03/Amnesty-Positionspapier-… | |
[3] /Boese-Polizisten/!5628520 | |
[4] /Unabhaengiger-Polizeibeauftragter/!5531514 | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
Plutonia Plarre | |
Bert Schulz | |
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