# taz.de -- Sicherheitspolitik Berlin: Linken und Grünen droht Geiselhaft | |
> Vermummungsverbot, finaler Rettungsschuss, Polizeibeauftragter: | |
> Rot-Rot-Grün ringt um einen Konsens in der Sicherheitspolitik. Denn die | |
> SPD hat Extrawünsche. | |
Bild: Gemeinsames Sicherheitskonzept von Rot-Rot-Grün? Einfacher gesagt als ge… | |
Diese Verhandlungen werden mit Sicherheit nicht einfach: Am Donnerstag | |
treffen sich die Innenpolitiker der rot-rot-grünen Koalition mit | |
Innensenator Andreas Geisel und seinem Staatssekretär Torsten Akmann (beide | |
SPD). Das Gipfeltreffen wurde anberaumt, um Kernpunkte des | |
Koalitionsvertrags umzusetzen. Aber die Sozialdemokraten verfolgen nach | |
Informationen der taz noch ein anderes Ziel: Sie wollen das Allgemeine | |
Sicherheits- und Ordnungsgesetz (Asog), das die Befugnisse der Polizei | |
regelt, verschärfen. Streit bahnt sich auch wegen der Videoüberwachung an: | |
Geisel lässt zurzeit einen Gesetzentwurf für mehr Videoüberwachung | |
ausarbeiten. Für Linke und Grüne sind das alles harte Brocken. | |
Nach außen hin geben sich die drei Koalitionspartner gelassen. Von einem | |
wechselseitigen „Geben und Nehmen“ ist offiziell die Rede. Oder, wie es der | |
innenpolitische Sprecher der SPD, Frank Zimmermann, formuliert: „Es wird | |
eine Gesamtbetrachtung der Ergebnisse geben.“ | |
Zu Detailfragen möchte sich Zimmermann im Vorfeld ebenso wenig äußern wie | |
die innenpolitischen Sprecher von Grünen und Linkspartei. Es gebe | |
„Zündstoff“, bestätigt zwar Benedikt Lux (Grüne). Er ergänzt aber schne… | |
„Ich gehe davon aus, dass wir zu einer für alle Seiten befriedigenden | |
Einigung kommen.“ Und auch Hakan Taş (Linke), sonst gern für steile | |
Forderungen zu haben, glaubt, dass man sich trotz komplizierter Gespräche | |
einigen wird. Auf wessen Kosten? „Ich gehe davon aus, dass die SPD die | |
Kurve kriegt“, so Taş. | |
Ganz oben auf der Tagesordnung steht die Einführung eines unabhängigen | |
Bürger- und Polizeibeauftragten. Er oder sie soll sowohl Ansprechpartner | |
für Bürger sein als auch für Polizisten, die Missstände in ihrer Behörde | |
sehen. Der Gesetzentwurf steht weitestgehend, erfuhr die taz. Ein paar | |
wichtige Fragen seien aber noch zu klären, zum Beispiel, ob die Person ein | |
Einsichtsrecht in Ermittlungsakten erhält. Wird man sich am Donnerstag | |
einig, kann der Entwurf ins Parlament. | |
Auch auf der Tagesordnung: das im Koalitionsvertrag vereinbarte und bereits | |
dort detailliert beschriebene neue Abstimmungsgesetz, das Volksbegehren und | |
Volksentscheide regelt. Es soll dahin gehend geändert werden, dass | |
Abstimmungen künftig möglichst parallel zu Wahlen stattfinden, um die | |
Beteiligung zu erhöhen und damit weniger Entscheide aus formalen Gründen am | |
Quorum scheitern zu lassen. „Eigentlich müsste das ganz schnell gehen“, | |
verlautete aus Koalitionskreisen. „Inhaltlich ist da nicht viel zu | |
verhandeln.“ | |
Offener Streit droht indes über das Asog. Die SPD will den finalen | |
Rettungsschuss im Polizeigesetz verankern. Sie will die elektronische | |
Fußfessel für Gefährder und die Telefonüberwachung zur Gefahrenabwehr in | |
das Gesetz aufnehmen. Nichts davon steht im Koalitionsvertrag, der | |
allerdings auch einige Wochen vor dem Terroranschlag am Breitscheidplatz | |
beschlossen wurde. Das Attentat vom 19. Dezember 2016, bei dem es 12 | |
Todesopfer gab, habe, so wird die SPD nicht müde zu betonen, die | |
Sicherheitslage wenn nicht grundlegend, so doch gründlich geändert. | |
Auch eine Ausweitung der Videoüberwachung, wie sie Geisel plant, hatte | |
Rot-Rot-Grün nicht vereinbart. Anlass für die gewünschte Verschärfung ist | |
ein Volksbegehren, das unter anderem von Ex-Justizsenator Thomas Heilmann | |
(CDU) und Ex-Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) initiiert worden | |
war. Derzeit liegt es beim Berliner Verfassungsgericht, weil selbst Geisel | |
Zweifel an der Rechtmäßigkeit hat. Aber der Innensenator geht davon aus, | |
dass spätestens in einem zweiten Versuch ein Volksentscheid nur schwer zu | |
verhindern wäre. Die Videoüberwachung steht am Donnerstag nicht auf der | |
Tagesordnung, dürfte aber schon allein deshalb Thema sein, weil es „nicht | |
mehr lange dauern wird, bis der Gesetzentwurf fertig ist“, wie Martin | |
Pallgen, Sprecher des Innensenators, der taz bestätigte. | |
Die Begehrlichkeiten der SPD gingen „ans Eingemachte“, verlautet von Grünen | |
und Linken. Schließlich habe sich die Koalition ganz bewusst für eine | |
liberale Innenpolitik entschieden. Berlin wolle ein Zeichen setzen auch und | |
gerade mit Blick auf Bundesländer wie Bayern. Mehr Personal für die Polizei | |
und eine bessere Ausstattung – wie es Rot-Rot-Grün durchgesetzt hat – | |
verstehe man als Ausdruck einer fortschrittlichen Sicherheitspolitik. | |
Verschärfte Regelungen und Grundrechtseingriffe gehörten jedoch nicht dazu. | |
Eigentlich schon fest vereinbart ist die Verkürzung des | |
Unterbindungsgewahrsams von vier auf zwei Tage, ebenso wie die Streichung | |
eines Passus aus dem Asog, der bei Kontrollen an gefährlichen Orten | |
erfahrungsgemäß zu einem „Racial Profiling“ führt: Künftig sollen | |
mutmaßliche Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht kein Kontrollgrund mehr | |
sein. Beide Punkte stehen am Donnerstag auf der Tagesordnung. | |
Last, but not least ist im Koalitionsvertrag vereinbart, dass Berlin das | |
modernste Versammlungsgesetz der Republik bekommen soll: Man wolle „ein | |
Gesetz erlassen, das als deutschlandweites Vorbild für ein | |
demokratieförderndes und grundrechtsbezogenes Versammlungsrecht dienen | |
kann“, heißt es wörtlich. Wie das aussehen soll – auch darum soll es am | |
Donnerstag gehen. Grüne und Linke wollen unter anderem das | |
Vermummungsverbot aufheben, die Polizei dazu verpflichten, | |
Demonstrationsrouten von sich aus zu veröffentlichen, und die | |
Versammlungsbehörde vom Staatsschutz wegverlagern. | |
Eigentlich habe die SPD keine andere Wahl, als mitzuziehen, sagen Linke und | |
Grüne – wäre da nicht diese Befürchtung: Die Sozialdemokraten gehen in den | |
Ring und zocken. Nach dem Motto „Den Polizeibeauftragten gibt’s nur gegen | |
den Rettungsschuss“. „Der Koalitionsvertrag ist der Koalitionsvertrag und | |
keine Verhandlungsmasse für Sonderwünsche“, stellt Hakan Taş vorsorglich | |
klar. | |
9 Oct 2018 | |
## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
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