| # taz.de -- Direkte Demokratie in Berlin: Die SPD lässt sich Zeit | |
| > Mit einem Gesetzentwurf will der Senat Volksbegehren erleichtern. Doch | |
| > die Innenverwaltung liefert nicht. Das sorgt für Kritik aus der | |
| > Koalition. | |
| Bild: UnterschriftensammlerInnen des Volksbegehrens „Berlin werbefrei“ | |
| Im Koalitionsvertrag verspricht Rot-Rot-Grün „mehr direkte Demokratie für | |
| Berlin“ – so die Überschrift eines Unterkapitels. Allerdings hat es der | |
| größte der drei Regierungspartner, die SPD, damit nicht besonders eilig. | |
| Bereits für Anfang dieses Jahres hatte die von SPD-Senator Andreas Geisel | |
| geführte Innenverwaltung einen Gesetzentwurf versprochen. Daraus wurde | |
| nichts. | |
| Inzwischen ist in der Koalition verabredet, dass dieser endlich im dritten | |
| Quartal vorgelegt werden soll – also in den nächsten Wochen. „Wofür die | |
| Innenverwaltung so lange braucht, weiß ich nicht“, sagt Susanna Kahlefeld, | |
| die für die Grünen den Themenbereich Partizipation bearbeitet. | |
| In der Tat ist rätselhaft, warum Rot-Rot-Grün im Bereich Volksbegehren und | |
| -entscheid nicht versucht, schneller Punkte bei den eigenen Wählern zu | |
| sammeln. Denn die meisten Initiativen für Volksbegehren kamen von linken | |
| Initiativen, etwa jene gegen eine Bebauung des Tempelhofer Feldes und für | |
| mehr Sicherheit für Radfahrer. | |
| Obwohl die Initiativen in der Regel die Regierungspolitik kritisieren und | |
| deswegen korrigieren wollen, halten Linke und Grüne und zu guten Teilen | |
| auch die SPD die Stärkung der Bürgerbeteiligung schon aus Prinzip für | |
| sinnvoll. | |
| ## „Kein Hexenwerk“ | |
| Sogar inhaltlich ist der angestrebte Entwurf „kein Hexenwerk“, sagt Michael | |
| Efler, bei der Linkspartei für Direkte Demokratie zuständig. Schon der | |
| Koalitionsvertrag regelt sehr konkret viele zentrale Punkte. Danach soll | |
| das Abstimmungsgesetz derart geändert werden, dass Abstimmungen möglichst | |
| parallel zu Wahlen stattfinden, um die Beteiligung zu erhöhen und damit | |
| weniger Entscheide aus formalen Gründen am Quorum scheitern. | |
| Zudem sollen die Initiativen ihren Gesetzentwurf nach der ersten Stufe im | |
| Parlament vorstellen dürfen. Weiter heißt es im Koalitionsvertrag: „Für die | |
| Erstellung der amtlichen Kostenschätzung und der Zulässigkeitsprüfung wird | |
| eine Frist eingeführt.“ | |
| Das Fehlen dieser zeitlichen Begrenzung ruft eigentlich immer Kritik an der | |
| Arbeit der Senatsverwaltung für Inneres hervor. Nachdem eine Initiative | |
| mindestens 20.000 Unterschriften für ihren Gesetzentwurf gesammelt und | |
| damit die erste Hürde vor dem Volksentscheid übersprungen hat, muss die | |
| Verwaltung prüfen, ob der Entwurf überhaupt rechtlich zulässig ist. Dafür | |
| hat sie bisher so viel Zeit, wie sie will – und sie nimmt sie sich auch. | |
| Der Gesetzentwurf der Initiative für mehr Videoüberwachung etwa wird seit | |
| Mitte März juristisch gecheckt – obwohl Innensenator Geisel bereits im | |
| Dezember 2017 im taz-Interview erklärt hatte: „Viele Teile in dem | |
| Gesetzentwurf sind nicht rechtskonform oder machen keinen Sinn.“ | |
| ## Verzögerungstaktik? | |
| Die Initiatoren des Videobegehrens, zumeist aus der CDU, sprechen wegen der | |
| langen Prüfung von politisch motivierter Verzögerungstaktik. Selbst aus der | |
| Koalition kommt deswegen Kritik: „Der Videoüberwachungsentwurf liegt zu | |
| lange“, sagt der Linke Efler. | |
| Ähnliche Kritik gab es schon bei vielen anderen Initiativen, etwa dem | |
| Radgesetz. Die Innenverwaltung verteidigt sich in diesen Fällen stets mit | |
| dem Argument, man prüfe eben gründlich – nur ob das stimmt, kann niemand | |
| überprüfen. Letztlich ist es Interpretationssache. „Die Fristen schnell | |
| einzuführen ist sinnvoll“, betonen deswegen sowohl Kahlefeld wie Efler: | |
| Damit mache sich die Regierung weniger angreifbar. | |
| Unklar ist auch, warum die Koalition auf die Arbeit der Innenverwaltung | |
| wartet. Denn es liegen bereits zwei Gesetzestexte aus den eigenen Reihen | |
| vor. Noch in der vergangenen Legislaturperiode hatten die Grünen unter | |
| Mithilfe von Kahlefeld einen Entwurf geschrieben; Efler hat sich sogar im | |
| vergangenen Jahr diese Mühe gemacht. „Wir haben uns dann aber darauf | |
| verständigt, dass der Senat einen eigenen Entwurf einbringt“, sagt Efler | |
| leicht resigniert. | |
| Wobei weder Efler noch Kahlefeld weiß, wie dieser Entwurf aussehen wird. | |
| Informationen darüber bekommen die beiden Experten von den | |
| Koalitionspartnern nach eigener Aussage nicht. „Das ist eine ziemliche | |
| Blackbox“, sagt Kahlefeld. „Aber ich erwarte ganz klar, dass das drinsteht, | |
| was wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben – wenn nicht, gehen wir in | |
| die Auseinandersetzung.“ | |
| ## „Mehrwert für alle“ | |
| Dazu könnte es durchaus kommen. Denn zwar sei die Änderung des | |
| Abstimmungsrechts für die Senatsverwaltung „prioritär“, wie eine Sprecher… | |
| auf Anfrage mitteilt. Auch strebe man „eine Verbesserung des Verfahrens | |
| durch klare Regelungen an, die sowohl den Bedürfnissen der jeweiligen | |
| Trägerin eines Volksbegehrens Rechnung trägt, als auch die behördlichen | |
| Erfordernisse berücksichtigt“. | |
| Ob aber die im Koalitionsvertrag angekündigten Fristen auch umgesetzt | |
| werden, werde „in die laufenden Prüfungen einbezogen“. | |
| Die Grüne Kahlefeld drückt derweil aufs Tempo. Noch mal verschieben gehe | |
| nicht an. Schließlich liege alles auf dem Tisch: „Es gibt nichts, was nicht | |
| schon in anderen Bundesländern umgesetzt wird.“ Und was die Initiative für | |
| mehr Videoüberwachung angeht – die von Grünen und Linkspartei, aber nur | |
| Teilen der SPD grundsätzlich abgelehnt wird –, sollte die Koalition rasch | |
| in die inhaltliche Auseinandersetzung gehen. | |
| „Wir müssen jetzt die Fakten aufzeigen“, sagt Kahlefeld. „Der öffentlic… | |
| Diskurs ist ein riesiger Mehrwert für uns. Das sollten wir nutzen.“ | |
| 21 Aug 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Bert Schulz | |
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