# taz.de -- Zwei Jahre Rot-Rot-Grün in Berlin: Habt mal gute Laune! | |
> SPD, Linke und Grüne könnten feiern – wenn sie in Feierlaune wären. | |
> Obwohl sie Grund genug dazu hätten, ist das Gegenteil der Fall. Warum | |
> nur? | |
Bild: Klaus Lederer, Michael Müller und Ramona Pop nach der Sommerklausur 2018 | |
Vielleicht sollte man einen Text über die Frage, wie es um Rot-Rot-Grün | |
zwei Jahre nach der Wahl des Senats steht, mit einer Frage beginnen. Was | |
sagt es aus über eine Metropole mit demnächst 4 Millionen Einwohnerinnen | |
und Einwohnern, wenn ein irrer [1][Brief eines halbirren | |
Provinzbügermeisters] tagelang wiedergekäut wird? Ist Berlin eine Kuh? | |
Zumindest ist Berlin offenbar nicht selbstbewusst genug, um die Provinz und | |
ihre Poser achselzuckend zu ignorieren. Wie auch, wenn die Politikerinnen | |
und Politiker, die diese Stadt regieren, mitunter den Eindruck begossener | |
Pudel vermitteln. Jede andere Landesregierung, die mit einem | |
Nachtragshaushalt kostenloses Schulessen und ein kostenloses Schülerticket | |
einführt, würde sich auf die Schultern klopfen. Und die Ministerinnen und | |
Minister würden lächeln, solange die Wangenmuskeln mitspielen. | |
Die Senatorinnen und Senatoren von R2G dagegen gucken wie immer: | |
angestrengt. Vielleicht gucken sie auch manchmal auf die | |
Beliebtheitstreppchen, die eine Berliner Zeitung regelmäßig veröffentlicht. | |
Die Senatorin, die das kostenlose Schulessen verkünden durfte, steht mit | |
Abstand auf dem letzten Platz. Die Kollegin mit dem Schülerticket ist | |
Drittletzte. Und schon lange gilt die Berliner Landesregierung als die | |
unbeliebteste Deutschlands. | |
Warum nur? Vielleicht weil man befürchtet, all der Geldsegen, mit dem sie | |
von Anfang an hantierte, könnte im Dickicht der Metropole versickern? Die | |
Milliarden für die Verwaltung, weil nicht gleichzeitig eine | |
Verwaltungsreform kommt, die den Namen verdient? Die Milliarden für die | |
Schulen, weil auch die Millionen zuvor nicht verhindert haben, dass die | |
Schulgebäude marode sind? Fehlt den Menschen das Vertrauen in die Politik? | |
SPD, Linke und Grüne tun jedenfalls wenig, um einen gegenteiligen Eindruck | |
zu erwecken. Die SPD beschäftigt sich, wie schon immer eigentlich, mit sich | |
selbst. Die grüne Verkehrssenatorin jagt ihren besten Mann vom Hof, weil er | |
ihr zu krank (oder zu kompetent) ist. Die Linke sonnte sich lange in den | |
Umfragewerten ihres Kultursenators, muss nun aber feststellen, dass solche | |
Werte Konjunkturen unterworfen sind, die nicht einmal ein Klaus Lederer | |
mit seiner Eloquenz beeinflussen kann. Und über allem thront in seiner | |
liebenswerten Unentschlossenheit ein Regierender Bürgermeister, dessen | |
Mundwinkel selbst in der deutschen Provinz vermessen werden. | |
Ginge es besser? Was wäre, wenn auch in Berlin eine Bewegung von unten | |
zusammenfände, wie sie in Barcelona eine ihrer Aktivistinnen auf den | |
Bürgermeisterinnensessel gesetzt hat? Wären das dann noch die Grünen? Aber | |
mit wem? Oder die Linke? Wie würde Steglitz-Zehlendorf auf einen | |
Bürgermeister Klaus Lederer reagieren? | |
Immerhin hat das Beispiel des linken Oberbürgermeisters René Wilke in | |
Frankfurt (Oder) gezeigt, was die wichtigste Eigenschaft ist, um das | |
Vertrauen der Wählerinnen und Wähler zurückzugewinnen: Glaubwürdigkeit. | |
Übertragen auf Berlin, würde das bedeuten, die eigenen Interessen und die | |
der eigenen Partei hinter die Interessen der Stadt zu stellen. | |
Und der Berliner Bürgermeister? Duckt sich weg. Drei Jahre noch wird | |
Michael Müller im Amt sein. Warum lässt er nicht seine Partei Ringelpiez | |
spielen und tritt aus ihrem Schatten? Warum krempelt er nicht die Ärmel | |
hoch, ohne Rücksicht auf all die Parteigremien und Proporze und Neidlinge | |
am (klein gewordenen) Hofe? Warum geht er in strittigen Debatten nicht ins | |
Risiko? Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Das sollte die Botschaft sein, | |
die SPD, Linke und Grüne nach zwei Jahren R2G versprühen. | |
Natürlich ist da die Angst, von einer Welle der Empörung weggespült zu | |
werden. Aber trotz aller Unbeliebtheit des regierenden Personals zeigen die | |
Umfragen auch, dass die Opposition auf der Stelle tritt. Es gibt eine | |
Mehrheit für Rot-Rot-Grün, selbst in stürmischen Zeiten. Man muss sie nur | |
nutzen. Nutzen wollen. Und wenn eine Schlacht – sagen wir in der | |
Verkehrspolitik – geschlagen ist, kommt auch das Selbstvertrauen wieder. | |
Und das Lächeln. | |
Und das gute Wetter vielleicht auch. Brüder und Schwestern, zur Sonne, zur | |
Freiheit. Diese Stadt hat es verdient. | |
PS: Schluss mit dieser provinziellen Selbstkasteiung. Die beste Überlegung, | |
die im Zusammenhang mit Boris Palmer dieser Tage angestellt wurde, kam von | |
einer geschätzten Kollegin der Stuttgarter (sic!) Zeitung: „Stelle mir | |
gerade vor, wie der Herr Palmer in der Sonnenallee seinen Dienstausweis | |
zieht.“ | |
7 Dec 2018 | |
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## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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