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# taz.de -- Debatte über Berlins Polizeibeauftragte: Akzeptanz und Gerechtigke…
> Drei Stunden diskutieren Experten über die von Rot-Rot-Grün geplante
> Polizeibeauftragte. Sie soll gewalttätige Vorfälle wie am Samstag
> aufklären.
Bild: Und was macht die Polizei? Protest am Samstag am Alexanderplatz
Berlin taz | Akzeptanz ist das Zauberwort dieses Montagmorgens im
Innenausschuss. Um diese für den von Rot-Rot-Grün geplanten Bürger- und
Polizeibeauftragten zu erhöhen, hatte die Koalition schon vor Monaten
angekündigt, eine Anhörung mit ExpertInnen – insbesondere solchen mit
Polizeihintergrund – anzuberaumen. Der oder die Beauftragte wiederum soll
die Akzeptanz für das Handeln der Polizei und der Verwaltung erhöhen.
Drei Stunden nahm sich der Innenausschuss Zeit, um bei der Anhörung
Argumente für den bereits Ende Januar vorgestellten Gesetzentwurf zu hören,
aber auch viel Kritik im Detail und – natürlich – klare Ablehnung, in
diesem Fall von der Opposition und der konservativen Deutschen
Polizeigewerkschaft (DPolG).
Die Einsetzung eines oder einer Polizeibeauftragten ist ein jahrzehntealter
Traum bürgerrechtsbewegter BerlinerInnen, Grüne und Linke haben das Thema
schon lange in ihrem Forderungskatalog. 2021 könnte es endlich umgesetzt
sein. Der oder die Polizeibeauftragte soll dann laut dem Gesetzentwurf
Konflikte zwischen BürgerInnen und der Polizei oder der Verwaltung
ausräumen, bevor diese zu schwerwiegend werden oder die Gerichte
beschäftigen. Auch für Konflikte innerhalb der Polizei oder der Verwaltung
wird er oder sie zuständig sein. Der oder die Beauftragte wird vom
Abgeordnetenhaus auf sieben Jahre gewählt, ist nur diesem unterstellt und
hat damit eine ähnliche Stellung wie die Datenschutzbeauftragte.
Die Stimmung vor der Anhörung war angeheizt. Das von der Koalition vor
wenigen Tagen verabschiedete Landesantidiskriminierungsgesetz wird
bundesweit von PolizeivertreterInnen hart kritisiert; am Samstag war es
ausgerechnet nach einer Kundgebung gegen Rassismus und Polizeigewalt mit
mehreren zehntausend Teilnehmenden zu brutalen Szenen zwischen Beamten und
einigen DemonstrantInnen gekommen. Ein guter Zeitpunkt für die Debatte sei
das, sagte der Abgeordnete Niklas Schrader (Linke) „nach diesem Wochenende,
an dem vielfach der Vorwurf von unverhältnismäßiger Polizeigewalt
aufgekommen ist“. Es sei wichtig, dem Anschein entgegenzutreten, dass nach
dieser Kritik eventuell nicht neutral ermittelt werde.
## Eine sachliche Anhörung
Doch trotz dieses Hintergrunds verlief die Anhörung sachlich, von einigen
konservativen Pauschalisierungen („ganzer Quatsch“, O-Ton Burkhard Dregger,
CDU) abgesehen. Was auch daran lag, dass es wenig Kritik an der Einrichtung
des Amtes an sich gab. Selbst die etwas weniger konservative Gewerkschaft
der Polizei (GdP), die, wie ihr Landeschef Norbert Cioma erklärte, in den
90ern noch strikt gegen einen oder eine Polizeibeauftragte war, stehe
diesem Amt nun „offen gegenüber“.
Erwartungsgemäß positiv äußerten sich die Bürgerbeauftragte von
Rheinland-Pfalz, Barbara Schleicher-Rothmund, und Anna Luczak vom
Republikanischen Anwaltsverein (RAV); schließlich war das
rheinland-pfälzische Modell Vorbild für den Berliner Entwurf; der RAV setzt
sich seit Jahren dafür ein. Schleicher-Rothmund berichtete von positiven
Erfahrungen in ihrem Amt, das für eine „Stärkung von Transparenz“ sorge.
Sie mahnte jedoch eine geheime Wahl im Parlament an; der oder die
Beauftragte müsse fraktionsübergreifend getragen werden.
Kritik in wichtigen Details kam auch von Berlins oberster Datenschützerin
Maja Smoltczyk. So bleibe in dem Gesetzentwurf unklar, ob das Amt der
Exekutive oder der Legislative zugeordnet sei. Das könne zu Mängeln bei
Datenschutz führen, was angesichts des Umgangs mit sensiblen
personenbezogenen Daten zu einem großen Problem werde. Auch fehlten
Regelungen für Rechte von Betroffenen.
Innensenator Andreas Geisel (SPD) erklärte, viele Menschen würden sich
wünschen, dass beim Handeln der Polizei „etwas genauer hingeschaut“ werde;
es bestünden auf beiden Seiten „Vorbehalte gegen den Umgang mit
Beschwerden“. Er sehe die Einrichtung des oder der Polizeibeauftragten aber
„mit großer Gelassenheit“: Die Polizei gehe aktuell bereits sehr
transparent mit Beschwerden um. Laut Geisel wurden 2018 insgesamt 1.866
Beschwerden bearbeitet, lediglich 13 Prozent seien als berechtigt erkannt
worden. 66 Prozent wurden abgelehnt, 21 Prozent hätten sich nicht aufklären
lassen. Der SPD-Innenexperte Frank Zimmermann kündigte an, die Kritik „sehr
ernst zu nehmen“ und Änderungsvorschläge sorgfältig zu prüfen.
8 Jun 2020
## AUTOREN
Bert Schulz
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Polizei Berlin
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