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# taz.de -- Berlins neues Versammlungsgesetz: Mehr Protest wagen
> Das von Rot-Rot-Grün entworfene Berliner Versammlungsgesetz kann und
> sollte noch verbessert werden.
Bild: Vermummungsverbot soll nur gelockert werden: Demo für den Erhalt des Kar…
Auf den ersten Blick sieht der [1][Entwurf für das neue
Versammlungsgesetz], das die Fraktionen von Rot-Rot-Grün am Mittwoch im
Abgeordnetenhaus vorgestellt haben, sehr gut aus: Anstatt zu verschärfen
nämlich setzt die Koalition auf Liberalisierung. Festmachen lässt sich das
an vielen Punkten: Das Deeskalationsgebot ist erstmals für Berlin
festgeschrieben. Gegendemos in Hör- und Sichtweite sollen grundsätzlich
erlaubt sein. Streckenverläufe von Demos sollen auf einem Open-Data-Portal
des Landes veröffentlicht werden. Die Bannmeile um das Abgeordnetenhaus
soll verkleinert werden und nur nach Anordnung des Parlamentspräsidenten
gelten.
Proteste sollen zudem künftig auch auf Privatgelände stattfinden können,
wenn dieses öffentlich zugänglich ist und das Anliegen mit dem Ort zu tun
hat. [2][Demos auf Flughäfen] gegen die klimatischen Auswirkungen von
Flugverkehr wären damit also möglich – ebenso in [3][Shoppingmalls gegen
sklavenähnliche Arbeitsbedingungen].
Viel davon war allerdings gemäß mehrerer Grundsatzurteile des
Bundesverfassungsgerichts längst Praxis. Dem [4][Brokdorf-Urteil von 1985]
etwa ist es zu verdanken, dass Kooperations-, Deeskalations- und
Differenzierungsgebot schon seit 1985 in Deutschland zur Anwendung kommen
sollen – auch wenn danach nicht überall gehandelt wird ([5][Hamburg, wink
doch mal!]).
Insofern ist es natürlich gut, dass dies nun für Berlin ausformuliert ist
und altbackene Begriffe wie die „öffentliche Ordnung“ als Beschränkungen
für Demos ausgedient haben.
Aber es ginge eben auch mehr – etwa bei den umfangreichen Eingriffsrechten
der Polizei: Denn noch immer ist die Versammlungsbehörde bei der Polizei
angesiedelt. Das sei deswegen problematisch, weil die Exekutive
Versammlungen grundsätzlich als Gefahr ansehe und entsprechend handle, wie
[6][der Republikanische Anwält:innenverein (RAV) in der taz kritisierte].
Zudem könnten Einsatzkräfte einzelne Protestteilnehmer:innen ausschließen
oder Versammlungen schon dann auflösen, wenn diese nur bedrohlich
erscheinen.
Auch das umstrittene Vermummungsverbot soll nicht abgeschafft, sondern nur
gelockert werden: Die Polizei soll es erst nach einer Anordnung durchsetzen
können. Diese kann bereits im Vorfeld oder auch während einer Demo ergehen,
wenn es zu Straftaten kam oder damit zu rechnen ist. Das Mitführen von
geeigneten Materialien zur Vermummung wie Schals und Sonnenbrillen soll
hingegen nicht mehr strafbar sein.
Wirklich neu sind allerdings Verbotsmöglichkeiten für Versammlungen mit
volksverhetzendem Charakter. Die sollen untersagt werden können, wenn dort
gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Aufstachelung zu Hass und Gewalt
oder NS-Verherrlichung stattfindet. Dies gilt insbesondere für 23
historisch besonders schutzwürdige Gedenkorte Berlins sowie bestimmte
Gedenktage (27. Januar, 8. und 9. Mai, 9. November).
Dass beim Versammlungsgesetz durchaus noch mehr geht, zeigt sich wohl auch
daran, dass die Gewerkschaft der Polizei den Entwurf gut findet und sich
über mehr Rechtssicherheit freut.
Immerhin sind bis zum Inkrafttreten des Gesetzes im Herbst noch Änderungen
möglich: Der Entwurf dreht zunächst ein paar Runden durch Fachausschüsse
und Anhörungen. Dort sollten die Einwände etwa des RAV aufgegriffen werden.
6 Jun 2020
## LINKS
[1] http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/DruckSachen/d18-…
[2] /Klima-Protest-am-Berliner-Flughafen-Tegel/!5639938
[3] /Mall-of-Berlin-vor-Bundesarbeitsgericht/!5629531
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Brokdorf-Beschluss
[5] /Schwerpunkt-G20-in-Hamburg/!t5417647
[6] /Neues-Versammlungsgesetz-in-Berlin/!5686407
## AUTOREN
Gareth Joswig
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