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# taz.de -- Polizeigesetz Berlin: ASOG auf der Zielgeraden
> Innenpolitiker von Rot-Rot-Grün einigen sich auf Reform des Berliner
> Polizeigesetzes: Abhörmöglichkeiten ausgeweitet, Racial Profiling
> eingeschränkt.
Bild: Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz drei Jahre nach dem Anschlag
Berlin taz | Nach monatelangem Ringen gibt es nun einen Kompromiss für die
Reform des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) der
Polizei. Auf einem Treffen vor einer Woche haben sich die innenpolitischen
Sprecher der rot-rot-grünen Regierungskoalition und Innensenator Andreas
Geisel (SPD) nach taz-Informationen in den wesentlichen Fragen geeinigt.
„Ja, wir haben ein Ergebnis“, bestätigen Teilnehmer der Runde. Dabei
handele es sich allerdings noch um eine grobe Linie, die noch der
Feinjustierung bedarf und die auch noch nicht von den Fraktionen abgesegnet
ist.
Es war eine der zähesten Verhandlungen innerhalb der Koalition. Seit dem
islamistischen Terroranschlag am Breitscheidplatz vor drei Jahren haben
viele Bundesländer ihre Polizeigesetze verschärft. Auch die Berliner SPD
möchte der Hauptstadtpolizei wegen bestehender Terrorgefahr erweiterte
Befugnisse einräumen. Dazu gehört auch eine Videoüberwachung an
ausgewählten [1][kriminalitätsbelasteten Orten] – ein Lieblingsprojekt von
Innensenator Andreas Geisel (SPD). Linke und Grüne hingegen weigerten sich
bislang, Grundrechtseingriffe mitzutragen – zumal fraglich ist, ob die
Maßnahmen mehr Sicherheit bringen.
Wie es aussieht, haben nun alle Seiten Zugeständnisse gemacht, können ihrer
Basis das Ergebnis aber dennoch ohne Gesichtsverlust verkaufen. Nicht nur,
wenn man das Ergebnis mit den Polizeigesetzen der anderen Bundesländer
vergleicht – das in Bayern mit Abstand am repressivsten ist. Das Berliner
ASOG werde „das liberalste Polizeigesetz“ aller Länder werden, sagte
Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher der Grünen, am Sonntag zu taz. „Wir
bewegen uns damit eindeutig gegen den Bundestrend“, sagte auch der
innenpolitische Sprecher der Linken, [2][Niklas Schrader.]
Vor allem um folgende Punkte hatten die rot-rot-grünen Innenpolitiker
gestritten: die Einführung der elektronischen Fußfessel für Gefährder, den
finalen Rettungsschuss für die Polizei und die
Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) zur Gefahrenabwehr – auch unter Einsatz
stiller SMS und sogenannter Imsi-Catcher. Mit stillen SMS kann die Polizei
Handys orten und so Bewegungsprofile der Nutzer erstellen, mit
Imsi-Catchern Telefonate mithören.
## Wunschliste der SPD nur teilweise erfüllt
All das stand auf der Wunschliste der SPD. Bekommen hat sie nun die TKÜ,
inklusive Imsi Catcher. Anordnen darf den Einsatz dieser Mittel aber nur
die Polizeipräsidentin. Ebenso muss ein Richter die Maßnahme absegnen und
eine dreijährige Evaluation erfolgen. Und es handelt sich um ein Gesetz auf
Zeit: Nach vier Jahren läuft der Paragraf 25a über die TKÜ zur
Gefahrenabwehr automatisch aus.
Die TKÜ habe man schlucken müssen, heißt es aus Kreisen der Linken und
Grünen, um der SPD „etwas anbieten zu können“. Wobei es bei Grünen und
Linken offenbar unterschiedliche Vorstellungen davon gibt, was der größere
Eingriff in Bürgerrechte ist: der Einsatz stiller SMS oder Imsi-Catcher.
Beides sind technische Mittel, bei denen die Ermittler auf das Handy einer
sogenannten Zielperson zugreifen können.
Auseinander gehen die Meinungen, bei welchem der beiden Mittel der größere
Schaden für das Umfeld entsteht – etwa durch Datenabsaugung Unbeteiligter.
Lux zufolge halten die Grünen die stille SMS für weniger schädlich.
Schrader sprach von einer Abwägungssache. Wichtig sei, durch konkrete
Formulierungen im TKÜ-Gesetz dafür zu sorgen, dass das Mittel möglichst
„gezielt“ eingesetzt werde. Zudem gibt es jetzt eine Transparenzpflicht:
Das unbeteiligte Umfeld soll bei Imsi-Catcher-Aktivitäten Anspruch darauf
haben, diese von der Behörde zu erfahren. Und: Sogenannte
Berufsgeheimnisträger wie Anwälte, Geistliche und Journalisten sollen von
der TKÜ zur Gefahrenabwehr ausgenommen werden, sprich: abhörfrei bleiben.
Andere Wünsche der SPD sind offenbar abgeblockt worden: Die Fußfessel ist
genauso vom Tisch wie der sogenannte finale Rettungsschuss. Stattdessen
soll es eine Fürsorgeregelung für Beamte geben, die von der Schusswaffe
Gebrauch gemacht haben: Die Behörde finanziert etwa einen Rechtsbeistand.
Punkten konnten Grüne und Linke bei der Identitätsfeststellung an
sogenannten Kriminalitätsbelasteten Orten (KBO): Das Tatbestandsmerkmal
„Verstoß gegen aufenthaltsrechtliche Strafvorschriften“ im jetzigen ASOG
wird gestrichen. Diese Regelung wird oft zum Vorwand genommen, um eine
Person ohne weitere Indizien nur aufgrund ihrer Hautfarbe zu kontrollieren
– „Racial Profiling“. Rassistisch motivierte Kontrollen sollen mit der
Streichung des Paragrafen verhindert werden. Auch gestrichen wird das
Tatbestandsmerkmal „Prostitution“. Dieses leistete in der Vergangenheit
Kontrollen gegen Sexarbeiterinnen Vorschub.
Und es gibt noch eine Nachricht: Die von Geisel favorisierte
Videoüberwachung an ausgewählten kriminalitätsbelasteten Orten wird mit
keinem Wort mehr erwähnt. Auf die Einrichtung des unabhängigen
Polizeibeauftragten hatte sich Rot-Rot-Grün bereits geeinigt (taz
berichtete). Allerdings kann das Gesetz erst ins Abgeordnetenhaus
eingebracht werden, wenn auch der Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses
grünes Licht gegeben hat. Dort gibt es offenbar Abgeordnete, die
befürchten, durch eine unabhängige Polizei-Beschwerdestelle in ihrer
Kompetenz beschnitten zu werden.
15 Dec 2019
## LINKS
[1] /Racial-Profiling-in-Berlin/!5591518&s=Kriminalit%C3%A4tsbelastete+Orte/
[2] /Linker-Innenpolitiker-ueber-Rot-Rot-Gruen/!5569008&s=Plarre+Schrader/
## AUTOREN
Plutonia Plarre
Bert Schulz
## TAGS
Polizei Berlin
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