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# taz.de -- Klagen wegen Klimawandel: Können Gerichte die Welt retten?
> Drei Bauernfamilien verklagen die Bundesregierung. Der Vorwurf: Die
> verfehlte Klimapolitik gefährde ihre Lebensgrundlage.
Bild: Heiner Lütke Schwienhorst begutachet das geerntete Getreide
Es ist Mitte September, Heiner Lütke Schwienhorst kniet auf seinem Acker,
kratzt mit den Händen ein Loch in die Erde und sucht nach einem
Überbleibsel der vergangenen Nacht. „Da sind 20 Liter runtergekommen“, sagt
er. Der erste richtige Regen seit Wochen, kein kleiner Schauer.
Aus der braunen Hose fischt er ein Maßband. 10 Zentimeter nasse Erde würden
reichen, um die Wintergerste wachsen zu lassen, die Kühe durch den Winter
und den Hof durchs nächste Jahr zu bringen. Lütke Schwienhorst misst das
Loch aus – 15 Zentimeter. 15 Zentimeter Hoffnung
Lütke Schwienhorst ist [1][Biolandwirt], 120 Milchkühe, Felder, Wald und 30
Schweine im südlichen Brandenburg. Ein freundlicher Schlaks, der gerne mit
seiner Enkeltochter rumalbert und schon als Kind auf dem Acker stand. Und
der seit Jahren dabei zusieht, wie sein Lebenswerk zerfällt, weil die
Sommer immer trockener werden, das Wetter immer extremer. Er ist keiner,
der sich gern beklagt oder laut wird. Er sagt: „Das ist schon ein wenig
deprimierend.“ Dann wird er still.
2018 verlor er 50 Prozent der Hirse an die Dürre, der Buchweizen fiel mager
aus. Ebenso das Heu für die Kühe. Überall klaffen Löcher auf dem Hof. In
der Heuscheune, in der Getreidescheune, in der Bilanz.
Ohne Regen kann Lütke Schwienhorst nur warten. Auf bessere Zeiten, mehr
Regen, weniger Sonne, weniger Wetterextreme. Aber weil das auf Dauer nicht
reicht und die besseren Zeiten vielleicht nie wiederkommen, hat er nun
geklagt.
## Die Regierung ignoriert eigene Klimaziele
Lütke Schwienhorst und Familie gegen die Bundesregierung. Gemeinsam mit
zwei anderen Biobauern und Greenpeace. Da sind die Backsens, Jörg und Silke
und vier strohblonde Kinder, die einen Hof auf der Nordseeinsel Pellworm
beackern und jedes Jahr dabei zusehen, wie die Nordsee sich ein bisschen
mehr Land nimmt. Und da sind die Blohms, Vater Claus und die Kinder
Franziska und Johannes, die eine Apfelplantage im Alten Land bei Hamburg
bewirtschaften und nicht nur gegen extremes Wetter, sondern auch gegen
Schädlinge kämpfen, immer öfter vergebens.
Der Vorwurf der Familien: Die deutsche Bundesregierung tue zu wenig, um den
menschengemachten [2][Klimawandel] einzudämmen. Konkret geht es um das
Klimaziel 2020: 40 Prozent weniger Treibhausgase als noch 1990. Im Juni
2018 erklärte die Bundesregierung dieses Ziel offiziell als verfehlt. Die
Folgen dieser Politik trügen die Bauern, heißt es in der Klageschrift.
Durch Wetterextreme schwinde ihr Lebensunterhalt, die Grundrechte der
Kläger würden verletzt.
Eine Entwicklung, die auch durch das Klimapaket und das geplante
Klimaschutzgesetz, das eine verbindliche Emissionseinsparung von 55 Prozent
bis 2030 vorsieht, nicht mehr aufzuhalten sei, argumentieren die Kläger und
fordern das Gericht auf, die Bundesregierung zur verurteilen. Zur Umsetzung
„wirksamer Klimaschutzmaßnahmen“, wie es in einer Stellungnahme von
Greenpeace heißt.
Die Verhandlung wird am 31. Oktober vor dem Verwaltungsgericht Berlin
stattfinden. Es ist das erste Mal, dass sich die Bundesregierung wegen
gescheiterter Klimapolitik vor einem Gericht verantworten muss. Es wird
nicht das letzte Mal sein. Vor dem Bundesverfassungsgericht liegt bereits
eine weitere Klage.
Der Beginn einer deutschen Ökodiktatur über den Rechtsweg, fürchten
Kritiker. Eine Chance auf Wandel, findet Heiner Lütke Schwienhorst.
Im Sommer 2018, seit Wochen war kein Regen gefallen, klingelte bei Lütke
Schwienhorst das Telefon. Ob er nicht bei einer Klage gegen die
Bundesregierung mitmachen wolle, fragte ihn jemand von Greenpeace.
Lütke Schwienhorst schmunzelt, wenn er von dem Anruf erzählt. Die Anfrage
von Greenpeace lehnte er erst mal ab – wegen des Hofs, der ganzen Arbeit.
Nach der vierten Woche ohne Regen stimmte er dann doch zu. „Man muss sich
kümmern“, sagt er. „Wenn der Klimawandel menschengemacht ist, dann müssen
wir ihn stoppen.“
Immer häufiger ziehen NGOs und Einzelkläger vor Gericht, immer häufiger
werden Regierungen und Unternehmen zu Angeklagten. 1.300 Klimaklagen wurden
seit den 1990er Jahren verhandelt. Seit 2007 steigen weltweit die
Fallzahlen. Im November 2015 verklagte ein peruanischer Bauer den
Energiekonzern RWE wegen Mitschuld am Klimawandel. Im Februar 2018 klagten
25 kolumbianische Kinder und Jugendliche gegen eine weitere Abholzung des
peruanischen Urwalds. Und im Mai 2018 klagten zehn Familien aus Europa,
Fidschi und Kenia gegen die EU-Klimapolitik.
Auch in Deutschland zieht man in Umweltfragen vermehrt vor Gericht. Die
Deutsche Umwelthilfe hat in mehreren deutschen Städten für ein
Dieselfahrverbot geklagt. In Brandenburg erreichte die Organisation den
vorläufigen Stopp des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde wegen fehlender
Umweltauflagen.
Der Klimawandel vor Gericht. Es ist der Versuch, Verursacher und
Verantwortliche zum Handeln zu zwingen. Zum Umsetzen von Maßnahmen, zum
Einhalten von nationalen und internationalen Klimazielen. Es ist aber auch
der Versuch, die Hoffnung nicht aufzugeben angesichts einer zähen
Klimapolitik, deren Fehler bereits heute spürbar sind.
Nur, kann das funktionieren? Kann man mit Klagen vor Gericht die Welt
retten? Und: Kann der Wandel gestoppt werden, bevor Familien wie die Lütke
Schwienhorsts, die Backsens und Blohms vor den Resten ihrer Existenz
stehen?
Gewinnen die Familien am 31. Oktober gegen die Bundesregierung, wäre das
ein historischer Sieg. Dann müsste die Regierung die beschlossenen
Maßnahmen für 2020 noch umsetzen. Verlieren sie, bleibt ihnen die Hoffnung
auf den nächsten Regen.
In der Hand ein grünes Pflänzchen, das er eben noch aus dem Acker gerupft
hat, geht Heiner Lütke Schwienhorst mit langen Schritten über den Hof. Hier
und da bückt er sich nach einem Stein oder einem Ast, der quer über dem Weg
liegt, er schafft Ordnung.
Anfang der 1990er sind sie hierhergezogen, sagt er. Seine Frau Toni und er,
mit großen Plänen. Früher gehörte das Land den Großeltern von Toni Lütke
Schwienhorst, eine Zeit lang der DDR. Nach der Wende bekam die Familie es
zurück. Den alten LPG-Betrieb verwandelten sie in einen ökologischen Biohof
mit rund 500 Hektar, Käserei und Hofladen. Ackern von morgens bis abends,
knapp 30 Jahre lang. Die Söhne sind auf dem Hof aufgewachsen, die
Enkeltochter spielt im Sandkasten vorm Haus. Der älteste Sohn Lucas wohnt
nebenan, in den nächsten Jahren soll er den Betrieb übernehmen.
## Es wird zu heiß
Spricht Lütke Schwienhorst über die Zukunft, wird er nachdenklich, fast
still. Sein Blick geht in die Landschaft. Hinter den Äckern sind die
Baumspitzen bereits braun. Bäume könnten nur eine Temperatur von 47 Grad
ertragen, sagt Lütke Schwienhorst. Danach werde es knapp. Seit zehn Jahren
könne man den Wandel konkret sehen. Das verdorrte Getreide auf den Äckern,
die ewigen Hitzemonate, die Überschwemmungen, die im Winter ganze Felder
unter Wasser setzen. Was bleibt von dem Hof, wenn es so weitergeht?
„Wir werden umstellen müssen, das ist klar.“ Die Kühe vertragen
Temperaturen über 25 Grad schlecht, und das Wasser für die Pflanzen wird
knapp, überall im südlichen Brandenburg.
Im letzten Jahr verlor der Hof 50 Prozent der gesamten Ernte. Futter für
die Kühe musste Lütke Schwienhorst dazukaufen. Ausgaben und Ausfälle, die
alle paar Jahre für einen Hof zu stemmen sind, aber nicht jedes Jahr.
„Die Kläger zu 1) – 13) sind sowohl gegenwärtig als auch in vorhersehbarer
Zukunft in physisch und wirtschaftlich spürbarer Weise von den Folgen des
anthropogenen Klimawandels betroffen, und daher auch von jeder Steigerung
der Dichte von Treibhausgasen in der Atmosphäre mit den damit
einhergehenden Folgen für Temperatursteigerung, Wetterextreme und Anstieg
der Meeresspiegel.“
So steht es in der Klageschrift, eingereicht am 25. Oktober 2018 am
Berliner Verwaltungsgericht durch die Hamburger Rechtsanwaltskanzlei
Günther.
## Stellvertreterklage
Kläger 1 bis 13 sind Heiner Lütke Schwienhorst plus Familie, die Backsens
von Pellworm und die Blohms aus dem Alten Land. Greenpeace tritt in der
Klage als Verband auf, als Stellvertreter für die Rechte der Allgemeinheit.
Eine Sonderrolle, die in der sogenannten Verbandsklage begründet liegt.
In der Klageschrift gibt es eine Rechnung zu den verfehlten Klimazielen der
Bundesregierung. Sie zeigt: In der deutschen Klimabilanz klafft zwischen
den Zielen und der Realität eine Lücke von 100 Millionen Tonnen CO2. Was
zu wenig Kampf gegen den Klimawandel bedeutet, zeigt sich schon jetzt in
der Landwirtschaft.
Für 2018 verzeichnet die Bundesregierung die niedrigste Getreideerntemenge
seit 1994. Teils einen Totalausfall beim Grünfutter für die Tiere. 10.000
Betriebe seien existenziell bedroht, meldete die Bundesregierung im August
2018, etwa jeder 25. Betrieb in Deutschland.
Eine Entwicklung, die sich in den nächsten Jahren noch verschärfen könnte,
sagt Christoph Müller, Professor am Institut für Pflanzenökologie an der
Universität Gießen. Seit Jahren untersucht er die Folgen des Klimawandels
für Pflanzen und Landwirtschaft. „Die Wetterextreme scheinen sich zu
häufen“, sagt er. Jahreszeiten verschöben sich, Böden versandeten oder
versumpften. Besonders in Regionen, die bereits jetzt mit schwierigen
Böden zu kämpfen hätten, könnte das in Zukunft ein Problem werden.
Im Alten Land bei Hamburg pflückt Franziska Blohm einen Apfel vom Baum, ein
weiches Drehen, ein kleiner Zug. Es ist ein Elstar, gelb und rot, ihr
Lieblingsapfel. An einer Seite hat er eine braune Delle. „Das ist der
Apfelwickler“, erklärt Blohm. Ein kleiner unscheinbarer Falter, dessen Eier
ganze Ernten vernichten. Der Albtraum eines jeden Obstbauers.
Für die Blohms, Vater Claus und seine Kinder Franziska und Johannes, ist er
seit ein paar Jahren Alltag. Im Alten Land, im größten Obstanbaugebiet
Deutschlands, bewirtschaften sie eine Plantage aus Apfelbäumen. Über 20
Sorten wachsen hier. Reihe um Reihe, so viele, dass man sich in ihnen
verlaufen kann wie in einem Wald.
Franziska Blohm, Mitte 20 und von allen nur Franzi genannt, ist hier
aufgewachsen, sie kennt jeden Pfad, weiß, wo welche Sorten wachsen und wie
sie einen Baum beschneiden muss, damit er im nächsten Jahr gut trägt.
Früher habe sie stundenlang in den Plantagen gespielt, erzählt sie. Der
Apfelbaumwald ist für sie vor allem ein Zuhause – ein bedrohtes.
## Dürre, Hagel und Insektenplagen
In den letzten 30 Jahren stieg die Durchschnittstemperatur im Alten Land um
1 Grad. Mit den steigenden Temperaturen kommen die Apfelbäume nicht gut
klar, dafür die Schädlinge. 2018 verloren die Blohms einen Großteil ihrer
Äpfel an Insekten, an Dürre und an Hagel. Auch für dieses Jahr sieht die
Ernte schlecht aus.
Schon heute zerstören Insekten 5 bis 20 Prozent der weltweiten Ernten.
Sollten die Temperaturen weitersteigen, könnten sich die Schäden in den
kommenden Jahren fast verdoppeln.
2016 rodeten die Blohms einen ganzen Hain mit Kirschbäumen. Er war befallen
von der Kirschfruchtfliege, die ihre Nachkommen in die Früchte legt. Die
Überreste der Bäume liegen noch immer auf dem Grundstück, ein Haufen
schwarzer Stämme, der wie ein Mahnmal wirkt.
Wenn Claus Blohm über seine verlorene Kirschplantage spricht, wird er
traurig. Groß und massig und schweigsam sitzt er an seinem weißen
Küchentisch im ersten Stock eines dunklen Klinkerhauses.
Der Hof der Blohms ist seit Generationen im Familienbesitz. Seit den 1990er
Jahren bewirtschaftet Claus Blohm ihn ökologisch und lässt die Pestizide
weg. Etwa zur gleichen Zeit trat er Greenpeace bei, jahrelang kämpfte er
gegen die Elbvertiefung, am Ende vergeblich. Blohm weiß, wie man kämpft,
sich Veränderungen entgegenstellt oder sie vorantreibt. „Entweder du hoffst
auf bessere Zeiten, oder du machst was“, sagt er.
Das Klage gegen die Bundesregierung könnte sein letzter Kampf werden. Der
Apfelanbau wird langsam unrentabel. Für die Nachfolge ist das ein Problem.
Franziska Blohm sagt, sie wolle den Hof zwar gern übernehmen, „aber nicht
unter diesen Bedingungen“.
Dürre, Schädlinge, Überschwemmungen und Landwirte, die bereits jetzt um
ihre Existenz kämpfen. Dass die Regierung angesichts dieser Entwicklung die
Klimaziele 2020 einfach aufgebe, sei absurd, sagt Roda Verheyen, die
Anwältin der Lütke Schwienhorsts, Backsens und Blohms.
Sie empfängt in der fünften Etage eines weißen Prachtbaus im feinen
Hamburg-Eppendorf. Hinter einer Wand aus zwei Bildschirmen ragt Verheyens
blonder Lockenkopf empor. Sie winkt den Besuch herein, während sie noch
telefoniert. Klima ist das Spezialgebiet von Verheyen. In diesen Tagen hat
sie gut zu tun.
Die Verhandlung vor dem Berliner Verwaltungsgericht wird im Rahmen der
dritten Klimaklage stattfinden, die sie betreut. Einer ihrer Klienten ist
der peruanische Bauer, der RWE verklagt.
„Es geht nicht um Entschädigung“, erklärt sie die Intention der jetzigen
Klage und ihrer Mandanten. Sie verlangen die Umsetzung bereits bestehender
Maßnahmenkataloge.
## Die Klimapolitik aus der Starre führen
Heiner Lütke Schwienhorst sagt, er hoffe, dass mit der Klage etwas ins
Rollen komme und es mit der Klimapolitik endlich vorangehe.
Franziska Blohm fragt: Warum wurde das 2020-Ziel einfach aufgegeben?
Claus Blohm sagt: Wir fühlen uns alleingelassen.
Die Bundesregierung hält die Klage für unzulässig. Vor dem Berliner
Verwaltungsgericht lässt sie sich durch das Bundesministerium für Umwelt
und Naturschutz vertreten – und durch eine Anwaltskanzlei aus Köln.
„Die Klage berührt wesentliche Grundsätze der Verfassung, namentlich den
Gewaltenteilungsgrundsatz und das Demokratieprinzip. Diese würden in Frage
gestellt, wenn der Bundesregierung gerichtlich vorgeschrieben werden
könnte, welche Politik sie zu verfolgen hätte.“
So steht es in der Klageerwiderung der Regierung. Und weiter:
„Bloße Erwartungen der Klagenden, eine einmal festgelegte Politik würde
auch in Zukunft beibehalten, begründen damit keine ausreichende Grundlage
für einen verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz.“
Eine Argumentation, die aus der Klage der Bauern eine Gefahr für die
Demokratie macht. Eine Argumentation, die auch der Jurist Urs Wegener
verfolgt. In einem Aufsatz zum Thema Klimaklagen in der Zeitschrift für
Umweltrecht schreibt er: „Die mit den Klimaklagen angestrebte Weltrettung
per Gerichtsbeschluss ist juristisch schwer begründbar, im Ergebnis
illusorisch und wenigstens potenziell gefährlich.“
## Das Vertrauen in den Rechtsstaat ist gefährdet
Gerichte seien nicht der richtige Ort, um den Klimaschutz zu verhandeln,
meint Wegener, da sie nicht die Mittel hätten, um störrische Regierungen
zur Umsetzung von Maßnahmen zu zwingen. Was tun, wenn Regierungen die
Urteile ignorieren? Seine Befürchtung ist, dass das Vertrauen der Menschen
in den Rechtsstaat umso mehr schwinde, je mehr Urteile nicht eingehalten
würden.
„Wessen Vertrauen?, frage ich mich da“, sagt Roda Verheyen, wenn man sie
mit dieser Argumentation konfrontiert. „Meine Mandaten haben kein Vertrauen
mehr, weil die Bundesregierung nicht einhält, was sie verspricht.“ Wenn
jemand zu ihr komme und sie einen rechtlichen Ansatzpunkt für eine Klage
sehe, dann könne man handeln, sagt Verheyen. Und den sehe sie in diesem
Fall ganz klar.
In einer Pressemitteilung von Greenpeace zur Klimaklage heißt es: „Die
Regierung hat ihr Klimaziel für 2020 zu einem verbindlichen Rechtsakt
gemacht, indem sie es wiederholt selbst anerkannt hat, zum Beispiel in
Kabinettsbeschlüssen. Folglich kann das Gericht die Bundesregierung dazu
verurteilen, wirksame Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen, um das Ziel doch
noch zu erreichen.“
Weiter argumentieren die Kläger, dass die Bundesregierung gegen deutsches
und europäisches Umweltrecht verstoße. 2009 beschloss die EU, die
Emissionen bis 2020 europaweit um 20 Prozent gegenüber 1990 zu verringern.
Jeder Staat bekam dafür ein individuelles Ziel auferlegt. Deutschland hat
seines bisher verfehlt.
Werden diese Argumente reichen? Spricht man mit Juristen und Anwälten, ist
immer wieder zu hören, dass die Erfolgschancen der Klage gering seien. Es
gehe bei der Klage mehr um Aufmerksamkeit als um einen ernsthaften
juristischen Prozess.
## Aufmerksamkeit für den Klimawandel ist das A und O
Die Frage ist, ob das falsch ist. Oder ob Aufmerksamkeit nicht genau das
ist, was Kläger wie die Lütke Schwienhorsts, die Backsens und Blohms jetzt
dringend brauchen. Auch deshalb, weil Klimaklagen stellvertretend für alle,
für die gesamte Gesellschaft, entscheidende Fragen verhandeln. Dabei sind
sie weder eine Rettung der Welt noch Vorboten einer Ökodiktatur. Sie sind
vor allem ein juristisches Mittel zu einem politischen Zweck.
Im Juli 2017 verabschiedete das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf, der
vorsieht, dass die Besteuerung von Landwirten künftig auf dem Gewinn aus
drei Jahren basiert. „So gleichen sich gute und schlechte Jahre aus“, sagte
eine Sprecherin des Bundeslandwirtschaftsministeriums der taz. Außerdem
soll der Versicherungssatz für das „Risiko Dürre“ in Zukunft gesenkt
werden: „Die Absenkung der Versicherungssteuer würde zu einer
Kostenentlastung führen“, heißt es aus dem Ministerium.
Für Lütke Schwienhorst könnten diese Maßnahmen zu spät kommen. Zwei Wochen
bevor er sich nach Berlin aufmacht, um die Bundesregierung zu verklagen,
schreibt er eine SMS. Die 15 Zentimeter Feuchtigkeit in seinem Acker haben
nicht geholfen. Lütke Schwienhorst musste noternten, weil das Getreide auf
den Äckern verdorrte. Den Buchweizen, die Sonnenblumen und die Hirse.
In den nächsten Monaten will Heiner Lütke Schwienhorst einen Brunnen bauen
– als Reserve, wenn der Regen wieder ausbleibt. Denn auf die Verhandlung
vor dem Berliner Verwaltungsgericht allein will er sich nicht verlassen.
29 Oct 2019
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Gesa Steeger
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