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# taz.de -- Klimaschutzklage in Norwegen: Das Öl und die Verfassung
> Ein Osloer Gericht lässt die Klimaschutzklage von
> Umweltschutorganisationen gegen die Regierung zu. In Deutschland läuft
> das anders.
Bild: Der norwegische Staatsfond trennt sich nur langsam von seinen Beteiligung…
Stockholm taz | Verstößt es aus Klimaschutzgründen gegen die Verfassung,
noch nach Öl suchen zu lassen? In Norwegen wird diese Frage jetzt in
zweiter Instanz vor Gericht geklärt. Am Dienstag beginnt vor dem
„Borgarting lagmannsrett“ in Oslo, einem der sechs Rechtsmittelgerichte des
Landes, das Berufungsverfahren gegen den norwegischen Staat.
Mehrere Umweltorganisationen beschuldigen ihn eines Verfassungsverstoßes.
Oslo habe durch die Erteilung von Lizenzen zur Exploration von Öl- und
Gasfeldern in seinen arktischen Territorialgewässern internationale
Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen verletzt und gefährde so
Sicherheit und Gesundheit jetziger und künftiger Generationen.
Das Verfahren in Norwegen war eines der ersten Klimaprozesse, die
mittlerweile in mehreren Ländern anhängig sind. Bereits 2016 hatten die
skandinavische Sektion von Greenpeace, die norwegische
Umweltschutzorganisation „Jugend und Umwelt“ und die „Klimaaktion der
Großeltern“ geklagt.
Im Oktober 2017 ließ das Amtsgericht in Oslo die Klage zu, anders [1][als
vergangene Woche das Verwaltungsgericht Berlin]. Dort wollten Greenpeace
und drei Bauernfamilien [2][gegen die Klimapolitik der Bundesregierung
klagen.] Es gebe dafür aber keine Rechtsnorm, auf die sich die Kläger
berufen könnten, um eine Verschärfung der Klimapolitik gerichtlich
durchsetzen zu können, begründete das Gericht in Berlin die Absage.
## Umweltschutz ist in der Verfassung verankert
Die Klimakläger in Norwegen haben aufgrund der dortigen Rechtslage bessere
Karten. Norwegen hat als eines der weltweit ersten Länder schon 1992 einen
„Umweltartikel“ in seiner Verfassung verankert. 2014 neu formuliert,
garantiert dieser Artikel 112 nun „jedermann“ das Recht auf eine Umwelt,
„die der Gesundheit und einer natürlichen Umgebung förderlich“ ist. Der
Staat wird ausdrücklich auf eine Politik verpflichtet, „die dieses Recht
auch für zukünftige Generationen sichert“.
Die Klage von Greenpeace & Co zielt darauf ab, einen konkreten Beschluss
der norwegischen Regierung für verfassungswidrig zu erklären. Am 10. Juni
2016 hatte die Regierung 13 Ölkonzernen 10 neue Ölfelder in der Barentssee
zur Erkundung und potenziellen Förderung zugeteilt. Und das wenige Tage
nachdem Oslo das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet und sich damit zu dem
Ziel bekannt hatte, den globalen Temperaturanstieg auf maximal 2 Grad zu
begrenzen.
Für den damaligen Greenpeace-Vorsitzenden Truls Gulowsen war das „eine
bodenlose Heuchelei“: Jegliche zusätzliche Ölförderung in der Arktis sei
mit dem Ziel der Beschränkung des Anstiegs der globalen Temperaturen nicht
vereinbar. Vielmehr drohten dadurch die Zerstörung der Lebensgrundlage von
Hunderten Millionen Menschen und ein Kollaps von Teilen des Ökosystems der
Erde.
## Ministerpräsidentin: Verantwortlich seiendie Öl-Käufer
Trotz der Zulassung der Klage unterlagen die Umweltschützer*innen in erster
Instanz im Januar 2018 vor dem Amtsgericht. Zwar könnten aus dem fraglichen
Verfassungsartikel tatsächlich individuelle Rechte hergeleitet werden, so
die Richter. Oslo könne aber nicht für die globale Klimaerwärmung
verantwortlich gemacht werden. Der Artikel 112 umfasse nicht die Folgen,
die ein CO2-Ausstoß durch den Export von norwegischem Öl oder Gas in ein
anderes Land mit sich bringe.
Norwegen habe keine Möglichkeit, auf ausländische Klimaschutzgesetzgebung
Einfluss zu nehmen: „Es ergibt sich aus dem Völkerrecht, dass jedes Land
für den Klimagasausstoß seines eigenen Territoriums verantwortlich ist“, so
die Begründung. In einem Rundfunkinterview bekräftigte Ministerpräsidentin
Erna Solberg am Samstag diese Sichtweise auch für ihre Regierung:
„Verantwortlich ist der, der unser Öl kauft.“
Die jetzigen Kläger sagen, die Klimakrise kenne keine Landesgrenzen. Ihre
Klagebegründung haben sie mit zusätzlichen Hinweisen auf Völker- und
Menschenrecht ergänzt. Für den Tag vor dem Prozessbeginn haben die
klagenden Organisationen in ganz Norwegen zu Demonstrationen aufgerufen.
3 Nov 2019
## LINKS
[1] /Verwaltungsgericht-weist-Klimaklage-ab/!5635068
[2] /Klagen-wegen-Klimawandel/!5634104
## AUTOREN
Reinhard Wolff
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