# taz.de -- Greta Thunberg in der Musikbranche: Neues vom Klima | |
> Greta Thunberg hat einen aufwiegelnden Song mit der britischen Band The | |
> 1975 veröffentlicht. Das vollendet die Popstarwerdung der | |
> Klimaaktivistin. | |
Bild: Wird Greta wohl jetzt auch noch Musikerin? | |
Es war der 25. Juli, als die Popstarwerdung von [1][Greta Thunberg] | |
vollendet wurde. Da nämlich veröffentlichte die britische Band The 1975 | |
einen Song zusammen mit der schwedischen Fridays-for-Future-Aktivistin. Er | |
heißt so wie die Band aus Manchester „The 1975“. Und er ist ein Aufruf zur | |
Rebellion, seine Erlöse sollen zur Gänze [2][der britischen Organisation | |
Extinction Rebellion] zukommen. | |
Der Song sorgt in Großbritannien für viel Aufsehen, denn The 1975 sind im | |
dortigen Mainstream eine Hausnummer. Ihre jungen HörerInnen sind eher | |
unpolitisch und politikmüde, siehe auch die geringe Wahlbeteiligung bei der | |
Brexit-Abstimmung. | |
Anderswo haben Thunbergs Fans nun ihren Song zur Bewegung, ihre Gegner | |
einen Grund mehr, die Augen zu verdrehen. The 1975 sind nicht nur mächtig | |
erfolgreich, sondern auch ziemlich kontrovers. Die 2002 gegründete Band | |
bedient sich (scheinbar) wahllos in der jüngeren Musikgeschichte, | |
verkörpert mal Bubblegum-Pop, dann wieder Softrock oder Emocore. | |
Dafür werden sie von manchen als geniale Verwandlungskünstler geliebt, von | |
anderen als geschmacksverirrte Kopisten geschmäht. Passenderweise wählte | |
sie das britische Internetmusikmagazin New Music Express 2014 zur | |
„schlechtesten Band des Jahres“ und nahmen sie gleichzeitig in die Liste | |
der „hoffnungsvollsten Newcomer“ auf. | |
## Statement für Antifaschismus | |
Ein klassisches Feature ist Thunbergs Auftritt bei The 1975 allerdings | |
nicht. Die 16-Jährige singt nicht, sondern hält eine von sachtem | |
Ambientsound unterlegte, knapp fünfminütige Rede, in der sie zum zivilen | |
Ungehorsam aufruft. Ein Song ohne doppelten Boden, ohne | |
Verfremdungsabsicht. Vielleicht könnte man das als Überaffirmation | |
bezeichnen. | |
Man muss aber wissen: Bislang eröffnete die britische Band jedes ihrer drei | |
Alben mit einer Variation auf ihren selbst betitelten Song „The 1975“. Auch | |
auf ihrem kommenden Album „Notes on a Conditional Form“, das 2020 | |
erscheinen soll, wird „The 1975“ also die Funktion eines Jingles erfüllen, | |
eines Vorhang-auf-Signals für Sänger Matt Healy und seine Show. Diesen | |
Moment Thunberg zu widmen hat Symbolkraft, zumindest für Fans der Gruppe. | |
Mindestens genauso wichtig wie der Song aber ist das Foto des Treffens von | |
Thunberg und Healy, das kürzlich durch die sozialen Medien geisterte. Nicht | |
nur, dass Thunberg ein Shirt mit der Aufschrift „Antifascist Allstars“ | |
trägt und damit ein bislang ungekannt klares Statement für | |
[3][Antifaschismus] abgab; vor allem Healys Position ist bemerkenswert: | |
Selig lehnt er sich an ihre Schulter, um gar nicht erst den Eindruck zu | |
vermitteln, hier bekäme eine Aktivistin ein wenig ab vom Sternenstaub eines | |
Rockstars – eher zeigt er demonstrative Demut und Solidarität. | |
The 1975 haben der jungen Aktivistin mit dem Eröffnungssong ihres kommenden | |
Albums die Bühne überlassen, aber zugleich eingeräumt, dass Thunberg auf | |
solche wohlwollenden Gesten nicht angewiesen ist. Denn der größere, global | |
relevantere Popstar ist ohnehin sie. | |
Zu der Botschaft auf dem Shirt hat Thunberg mittlerweile angemerkt, dass | |
sie Gewalt grundsätzlich ablehne – zugleich betonte sie, dass sie | |
selbstverständlich gegen Faschismus sei. In die Geschichte der | |
Protesthymnen wird „The 1975“ von Greta Thunberg & The 1975 vermutlich | |
trotzdem nicht eingehen. Als Erklärstück über das aktuelle Verhältnis von | |
Popkultur und Aktivismus ist der Song allemal okay. | |
1 Aug 2019 | |
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## AUTOREN | |
Julia Lorenz | |
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